Zu
Kritische AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) Zu Artikel Rot-Grüne Bundesregierung von Jürgen Grässlin Großwaffensysteme wie Kampfflugzeuge, Panzer oder Kriegsschiffe sind die schlimmsten Waffensysteme, mit ihnen werden die meisten Menschen in Kriegen und Bürgerkriegen verwundet oder getötet. Diese Behauptung ist so nahe liegend wie falsch. Denn in den rund 42 Kriegen und bewaffneten Konflikte, die im Jahr 2004 vor allem in Afrika, Asien, dem Nahen und dem Mittlerer Osten tobten, spielten die so genannten »Kleinwaffen« eine wesentlich bedeutendere Rolle. Mit ihnen werden Millionen von Menschen verstümmelt oder getötet. Sie sind die Werkzeuge in den Händen von Menschenrechtsbrechern und Kriegsherren. Zu den »Kleinwaffen« zählen Pistolen, Maschinenpistolen, Schnellfeuer- und Maschinengewehre, tragbare Raketenwerfer oder Mörser bis zu einem Kaliber von 100mm zählen, die von einer oder zwei Personen getragen und eingesetzt werden können. Nach Schätzungen befinden sich derzeit mehr als 550 Millionen Kleinwaffen im weltweiten Einsatz, wobei heutzutage rund neun von zehn Kriegstoten und -verletzten unschuldige Frauen, Männer und Kinder sind. Die Killerwaffe Nummer 1 das GewehrÜberraschend erscheint die Tatsache, dass kein anderer Waffentyp so häufig und - aus Sicht der Militärs - so »effizient« eingesetzt wird, wie die »Kleinwaffen«. Von hundert Toten und verletzten Zivilisten sind durchschnittlich fünf dem Einsatz von Großwaffensystemen zum Opfer gefallen. Die weiteren 95 Toten und Verletzten werden von Handgranaten (2), Mörsern und anderen Artilleriewaffen (10 Prozent), Faustfeuerwaffen wie Pistolen und Revolvern (10), und Landminen (10) getroffen. Die Killerwaffe Nummer 1 aber ist das Gewehr, mit dessen Einsatz rund zwei Drittel (63) aller Opfer verwundet oder erschossen werden. Diese Schätzungen legte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz vor, das sich dabei auf 41 Konfliktgebiete der Neunziger Jahre bezog. Deutschland ist einer der führenden Hersteller, Exporteure und Lizenzgeber von »Kleinwaffen«. Gemessen an der Zahl der Rüstungstransfers rangiert die Bundesrepublik mit Kleinwaffenexporten im Volumen von 334 Millionen Euro nach den USA weltweit auf Platz 2, noch vor Brasilien und Russland. Der deutsche Gewehrhersteller Nummer 1: Heckler & KochMit dem Aufbau der Bundeswehr erwarb die Bundesregierung Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre die Lizenzen, auf deren Basis das Schnellfeuergewehr G3 entwickelt wurde. Die G3-Entwicklung wurde vom Bundesverteidigungsministerium (BMVg) finanziert, so dass sich die G3-Lizenz im Besitz des Bundes befand. Die Produktion dieser Generation von Handfeuerwaffen erfolgte bei der Oberndorfer Firma Heckler & Koch. Von 1961 bis 1981 vergaben die Bundesregierungen, gleich welcher parteipolitischen Couleur, in einer Allparteienkoalition fünfzehn G3-Lizenzen zum Nachbau des Schnellfeuergewehrs in Portugal (1961), Pakistan (1963), Schweden (1964), Norwegen (1967), Iran (1967), Türkei (1967), Saudi-Arabien (1969), Frankreich (1970), Thailand (1971), Brasilien (ca. 1976), Griechenland (1977), Mexiko (1979) und Myanmar/Birma (1981). Zudem erhielten die Philippinen und Malaysia G3-Lizenzen. Für kein anderes Gewehr wurden derart viele Lizenzen vergeben. Damit tragen die Bundesregierungen massiv Mitverantwortung an der Globalisierung des Handfeuerwaffenmarktes. Trotz der weltweiten Nachbauten der G3-Lizenznehmer konnte man auch bei Heckler & Koch weiterhin deutliche Verkaufs»erfolge« verbuchen. So bestätigte die Bundesregierung unter Kanzler Kohl Ausfuhrgenehmigungen »für G3-Gewehre bis 1988 für über 80 Staaten«. Auch diese Zahl an Empfängerländern stellt ein bis heute unerreichter Rekord dar. Allein gemessen an der Zahl offiziell bestätigter Empfängerländer ist Heckler & Koch deutscher Rüstungsexportmeister. Auch das Ergebnis der Direktexporte der H&K-Maschinenpistole MP5 und der Nachbau in neun Staaten ist dramatisch: Offiziell schießen heute Sicherheitskräfte in mindestens 61 Staaten mit MP5-Maschinenpistolen - der so genannten »Mercedes« unter den MPs. Als Lizenzgeber hat Heckler & Koch alle MP5-Exporte zu verantworten. Obwohl in verschiedenen Fällen abgeschlossene Endverbleibserklärungen gebrochen worden sind, ist kein einziger Fall bekannt, in dem deutsche Regierungspolitiker oder H&K-Vertreter gegenüber den Lizenznehmern Konsequenzen angedroht oder gar vollzogen hätten. Beim Rechtsbruch drücken die Verantwortlichen der Firma und der Bundesregierung beide Augen zu. Das G36 Nachfolger des G3 auf den Schlachtfeldern der Welt?Vor gut zehn Jahren erteilte ein General der Heeresrüstung die Einführungsgenehmigung für das Gewehr HK50, das vom Materialamt der Bundeswehr G36 getauft wurde. Das G36 zeichnet sich - im Vergleich zum G3 - durch eine um rund 50 Prozent erhöhte Feuerkraft und ein spürbar geringeres Gewicht aus. Damit bietet das G36 Soldaten im Kampfeinsatz einen entscheidenden Vorteil bei der Beweglichkeit. Im Februar 1999 dürften bei der Heckler & Koch-Geschäftsführung einmal mehr die Sektkorken geknallt haben, denn das Unternehmen erhielt die Zusage, dass das bei der Bundeswehr eingeführte G36 nunmehr auch als Standardwaffe der spanischen Streitkräften beschafft werden würde. Die ersten 15.000 G36E »E« steht für Export - wurden noch in Oberndorf gefertigt, die weiteren 100.000 bereits bei der Empresa Nacional Santa Barbara in Galizien. Heute droht sich die G3-»Erfolgs«geschichte mit dem G36 zu wiederholen. Denn seit dem Verkauf von Heckler & Koch an eine private Investorengruppe im Dezember 2002 zählt Heckler & Koch zu den Topanbietern im Kleinwaffenbereich. Mit dem XM8, einer Variante des G36 mit italienischem Design, will die Oberndorfer Waffenfirma nun den größten Waffenmarkt der Welt erobern: Aus diesem Grund baut Heckler & Koch derzeit eine Waffenfabrik in US-amerikanischen Columbus im Bundesstaat Georgia. Zusammen mit dem amerikanischen Rüstungsunternehmen General Dynamics hat H&K im Januar 2005 ein Joint Venture gegründet, um die XM8 für die US-Army zu fertigen. Noch läuft der Feldversuch, doch die Signale aus dem US-Verteidigungsministerium Pentagon sprechen eindeutig für das XM8 und gegen die Mitstreiter. Bereits 2006 könnten die ersten die neuen Waffen auf den Markt kommen. Stimme und Gesicht für die KleinwaffenopferNach Schätzungen auf der Basis vorliegender Opferzahlen vergangener Kriege sind bis heute allein durch den Einsatz der von Heckler & Koch entwickelten Waffen mehr als 1,5 Millionen Menschen ums Leben gekommen bei Kriegen und Bürgerkriegen in der Türkei, im Irak und Iran, in Uganda, Somalia und vielen anderen Ländern. Diese Zahl errechnet sich aus den rund 30.000.000 Toten, die nach 1961 ums Leben gekommen sind. Von ihnen wurden 63 Prozent, also rund 18.900.000, durch Gewehrschüsse getötet worden. Nimmt man den rund achtprozentigen Anteil von H&K-Waffen auf dem Weltmarkt zur Berechnungsgrundlage, dann kamen bislang 1.512.000 Menschen durch Gewehrkugeln aus H&K-Schnellfeuer- oder Maschinengewehren und -Maschinenpistolen ums Leben. Mit anderen Worten: Alle 14 Minuten starb ein Mensch durch eine Kugel aus dem Lauf einer H&K-Waffe. Heute führen Hunderttausende von Menschen als körperlich Verstümmelte oder psychisch Traumatisierte ein vergleichsweise menschenunwürdiges Leben. Sie haben den Beschuss mit H&K-Waffen überlebt. Doch vielen von ihnen fehlen Gliedmaßen oder sie tragen Kugeln bzw. deren Splitter im Körper, die man durch ihre Haut ertasten kann. Die riesige Zahl der Opfer macht deutlich: Heckler & Koch ist das Unternehmen, dessen Produkte seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland die meisten Verstümmelten und Toten zur Folge hatten. Doch die Opfer »unserer« Rüstungsexporte leben auf anderen Kontinenten und bleiben weithin unbekannt. Um der unbefriedigenden Entwicklung im Bereich der Kleinwaffen aktiv entgegen zu treten, gründeten Friedens-, Dritte-Welt- und Menschenrechtsorganisationen im Oktober 2002 das »Deutsche Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen« (DAKS). Die Mitgliedsorganisationen wollen einen aktiven Beitrag zur Gewaltprävention leisten, weitere Exporte und Lizenzvergaben von Kleinwaffen und Munition verhindern und eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen. Rüstungsexporte und Lizenzvergaben im Kleinwaffenbereich sind bislang kein Thema von großem öffentlichem Interesse das will das »Deutsche Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen« ändern. Die Zielrichtung der Initiative lautet: Wer Rüstungsexporte an menschenrechtsverletzende Regime stoppen will, muss diesen Flüchtlingen Gesicht und Stimme geben. Nicht länger dürfen Rüstungsexporte als wirtschaftlich notwendige oder Arbeitsplatz schaffende Lieferung akzeptiert werden. Wer Rüstungsexporte mit den Augen der Opfer sieht, wird sich für eine andere Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik einsetzen. Gemeinsam mit Friedens-, Frauen-, Flüchtlings-, Dritte-Welt- und Menschenrechtsorganisationen, mit Kirchen und Gewerkschaften wollen wir auf die politischen Entscheidungsträger Einfluss nehmen. Damit möglichst viele Menschen nachvollziehen können, welches Leid mit »unseren« Waffen in aller Welt angerichtet wird, haben die im DAKS zusammengeschlossen Organisationen einen DAKS-FONDS gegründet. Mit den Mitteln dieses Fonds sollen Recherchen über und Kontaktaufnahme mit Kleinwaffenopfern, Reisen der Kleinwaffenopfer nach Deutschland und Klageverfahren gegen die Waffenfirmen und die politischen Entscheidungsträger finanziert werden. Durch solche Prozesse kann die öffentliche Aufmerksamkeit gewonnen werden, die unbedingt notwendig ist, um die rechtlichen Rahmenbedingungen von Rüstungsexporten zu verschärfen. In den USA könnten Entschädigungsklagen nicht nur die finanzielle Not der Betroffenen lindern, sondern auch die Waffenschmieden empfindlich treffen. Kontakt Deutsches Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen
(DAKS), Spenden an den DAKS-Fonds können über RIB e.V. erfolgen. Alle Spenden sind steuerlich absetzbar. Der Verfasser ist Autor zahlreicher Bücher über die Rüstungs- und Automobilindustrie. Er ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und des Deutschen Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen (DAKS). In: zivil. Zeitschrift für Frieden und Gewaltfreiheit, Ausgabe 2, 2005, S. 24 f. www.zivil.de
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