Textauszüge aus dem Buch
»Abgewirtschaftet?! Das Daimler-Desaster geht weiter«
(Taschenbuch-Ausgabe)

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Graesslin mit neuem Buch -Abgewirtschaftet- vor CL 500
Foto: Markus Dufner, Kritische Aktionäre, Köln

Textauszug S. 13 bis 17:

Vorwort: Abgewirtschaftet? -
Der Mythos wankt

»Die unangenehmen Fragen bleiben, auch wenn
der Name Mercedes seit je für Unverwundbarkeit steht. [.]
Aussitzen hilft nichts. Ein deutscher Mythos wankt.«
ARD-Kulturmagazin Titel Thesen Temperamente
zum Buch Das Daimler-Desaster

DaimlerChrysler kommt nicht aus den Schlagzeilen. Nachdem Dr. Dieter Zetsche das Steuer übernommen hatte, durfte man beim größten deutschen Industrieunternehmen auf eine grundlegende Wende zum Besseren hoffen. Doch zum einen hat Zetsche mit den Altlasten seines Vorgängers Jürgen E. Schrempp und des langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper zu kämpfen, zum anderen mit den Folgen seiner eigenen Fehlentscheidungen als früherer Vertriebs- und Chrysler-Vorstand und heutiger Daimler-Chef.

Zweifelsohne haben ihm Schrempp und Kopper ein schweres Erbe hinterlassen, allen voran die mittlerweile total kollabierte »Welt-AG« mit dem Scherbenhaufen des Mitsubishi-Engagements und der kläglich gescheiterten Eroberung des asiatischen Automarkts. Nicht genug damit, hat die so genannte Fusion von Daimler und Chrysler eine Vielzahl juristischer Auseinandersetzungen nach sich gezogen: Im Jahr 2003 hatte sich der Konzern mit US-Aktionären vergleichen müssen, die sich über die wahren Absichten des Zusammenschlusses getäuscht fühlten, und rund 300 Millionen Dollar gezahlt. Bis zu 200 Millionen Euro davon sollten eigentlich durch eine Versicherung abgedeckt sein, die für Schäden aus Managementfehlern haftet. Die Versicherer hatten jedoch zunächst die Auszahlung verweigert. Erst Anfang 2007, wenige Tage vor einem bereits anberaumten Prozesstermin, einigte man sich außergerichtlich mit dem Konzern doch noch auf eine Zahlung. Dennoch bleibt eine Deckungslücke in Millionenhöhe.

Das bis heute andauernde Chrysler-Desaster hat bereits Milliarden an Aktionärsgeldern verschlungen, und dennoch bleibt Chrysler ein Sanierungsfall für weitere Jahre. Auch aufgrund einer verfehlten Fahrzeugpalette, die Zetsche in seiner Ägide als langjähriger Chrysler-Chef zu verantworten hat, wurden bei der US-Tochter im Jahr 2006 mehr als eine Milliarde Euro Verlust eingefahren. Während Toyota Mobilität ökologisch definierte und mit dem Prius und dem Lexus den US-Markt eroberte, hatte Chrysler auf spritfressende Pick-ups gesetzt. In der Verkaufsstatistik rangiert der japanische Autoproduzent mittlerweile vor Chrysler - und das auf dem heimischen US-Markt.

Aber der neue Daimler-Vorsitzende kann auch Fortschritte verbuchen: Mit der Veröffentlichung seines Vorstandsgehalts - die Schrempp stets abgelehnt hatte - hat Dieter Zetsche einen Schritt hin zu mehr Transparenz geleistet. Auch die aktuelle Steigerung bei den Mercedes-Verkaufszahlen ist ihm als Mercedes-Chef zuzurechnen. Und sein Teilausstieg aus dem desaströsen Smart-Abenteuer ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn dem Daimler-Chef bislang der Mut und die Durchsetzungskraft fehlen, das Smart-Desaster endgültig zu beenden.

Doch die Zahl der positiven Beispiele bleibt begrenzt, und der Smart, dessen Verkäufe 2006 um rund ein Fünftel einbrachen, ist nur eines von vielen Beispielen für die andauernde Misere. Bei den neuerlichen Rückrufaktionen von Modellen der A-, B- und C-Klasse Anfang 2007 ging es zwar nur um Probleme mit den Scheibenwischern, aber dennoch weckten sie Erinnerungen an das Qualitätsdesaster zwei Jahre zuvor. Die Prestigekutsche Maybach darf auch unter Zetsche weiter Unsummen an Aktionärsgeldern verschlingen und zeigt zugleich, dass die vollmundigen Ökoprospekte des Konzerns das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt werden. Zu allem Übel klagt DaimlerChrysler unter Zetsche gemeinsam mit anderen Autokonzernen gegen das kalifornische Klimaschutzgesetz, während der Staat Kalifornien seinerseits wegen der CO2-Autoemissionen Schadensersatzforderungen in ungeahnter Höhe gegen DaimlerChrysler und andere zu stellen erwägt. Nicht zuletzt bleibt die DaimlerChrysler AG auch nach der bevorstehenden Reduzierung des Aktienanteils beim Rüstungsriesen EADS der größte deutsche Rüstungsproduzent und -exporteur (siehe dazu »Das Rüstungs-Desaster«, S. 150).

Hinzu kommt, dass die Zukunft des Unternehmens unter keinem guten Stern zu stehen scheint, solange die Nachforschungen der US-Börsenaufsicht SEC andauern, die - mit dramatischen Ergebnissen - wegen Korruption, schwarzer Kassen und Steuerhinterziehung in etwa einem Dutzend Länder gegen DaimlerChrysler ermittelt.

*

Vorbei die Zeiten, da ein diskussionsfreudiger Jürgen E. Schrempp verkündete: »Wenn ich nicht akzeptiere, dass man mich kritisiert, dann bin ich der falsche Mann für den Job.« Dass er der falsche Mann für den Job des Vorstandsvorsitzenden war, beweisen unter anderem die in diesem Buch geschilderten Fakten. Und was von seiner Äußerung von einst zu halten ist, zeigt nicht zuletzt sein gerichtliches Vorgehen gegen mich nach einem TV-Interview, in dem ich Mutmaßungen über die Hintergründe seines vorzeitigen und völlig überraschenden Rücktritts angestellt hatte.

Doch mit rechtlichen Mitteln lässt sich nicht unterdrücken, dass die Umstände von Schrempps überraschendem - wenn auch längst überfälligem - vorzeitigem Rücktritt bis heute Fragen aufwerfen. In diesem Buch findet sich die von Daimler selbst erstellte Übersicht, wer wann vorab von Jürgen E. Schrempp von seinem bevorstehenden Rücktritt informiert worden ist. Einem internen Gutachten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zufolge hätten die DaimlerChrysler-Aktionäre bereits in der ersten Julihälfte 2005 über den bevorstehenden Schrempp-Rücktritt informiert werden müssen, weil ab diesem Zeitpunkt die Gefahr bestand, dass Insider daraus hätten Kapital schlagen können. Mit den Folgen des Rücktritts-Desasters befassen sich die Gerichte (siehe »BaFin: >Insiderinformation ab dem 10. Juli 2005< - Die klärende Chronik des Schrempp-Rücktritts«, S. 312).

»Mit Staranwälten wird versucht, den unliebsamen Kritiker mundtot zu machen«, urteilte das ARD-Kulturmagazin Titel Thesen Temperamente. Der Journalist und Prozessbeobachter Hermanus Pfeiffer schrieb: »In Hamburg streitet der frühere DaimlerChrysler-Herrscher Jürgen Schrempp mit dem Autor von Das Daimler-Desaster. Aber eigentlich steht die Meinungsfreiheit vor Gericht.« (Siehe dazu auch »Persönliches Nachwort: Die Meinungsfreiheit vor Gericht«, S. 349).

Auch einen anderen Fall müssen wohl offizielle Stellen entscheiden: Im Dezember 2006 stellte ich auf der Basis neuer brisanter Daimler-Dokumente im Zusammenhang mit Graumarktgeschäften von DaimlerChrysler über meinen Rechtsanwalt Holger Rothbauer Strafantrag gegen das DaimlerChrysler-Management sowie vier weitere Mercedes-Manager beziehungsweise -händler (siehe Kapitel 7 »Tatort Mosbach«, S. 230).

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»Die Stimmung muss besser werden«, beschrieb Dieter Zetsche im Dezember 2006 die Situation im Konzern. Doch dazu müssten eine Vielzahl von vertrauensbildenden Maßnahmen und richtungweisenden Entscheidungen getroffen werden. Im Hause DaimlerChrysler aber ist davon kaum etwas erkennbar. Eine der harten Maßnahmen, mit denen der Daimler-Vorstand massiv Minuspunkte sammelt, ist der fortgesetzte Abbau Abertausender von Arbeitsplätzen bei gleichzeitigen Milliardengewinnen. Die Zeiten sind vorbei, da man als Mercedes-Mitarbeiter einen gut dotierten Arbeitsplatz quasi auf Lebenszeit hatte und stolz darauf sein durfte, »beim Daimler« zu schaffen. Heute herrscht knall harter Konkurrenzkampf in und zwischen den Werken.

Aussitzen hilft nichts, der Mythos Mercedes wankt. Im Imageprofil deutscher Konzerne ist die DaimlerChrysler AG 2006 auf Platz 54 abgestürzt - während Porsche, BMW und Audi die Spitzenpositionen belegen. Es gibt nur einen Weg aus der Misere: Die Missstände müssen schonungslos analysiert werden, damit endlich wieder zukunftsorientierte Entscheidungen getroffen werden können. Und im ersten Schritt müssen ein paar unangenehme Fragen beantwortet werden:

  • Welche Verantwortung tragen Jürgen E. Schrempp und Hilmar Kopper für das Ausmaß des Daimler-Desasters?

  • Wurden die Aktionäre und die Öffentlichkeit über die wahre Lage des Unternehmens getäuscht?

  • Kann der neue Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche angesichts seiner Rolle in der Vergangenheit unbelastet an die Aufgabe herantreten, den Konzern zu sanieren?

  • Was muss geschehen, damit DaimlerChrysler wieder zu dem Vorzeigekonzern wird, der Daimler-Benz einst war?

Zur Klärung dieser Fragen will dieses Buch in pointierter Form beitragen.