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zu Rot-Grüne Bundesregierung
»Für Tod und Verstümmelung
verantwortlich« Ein Gespräch mit Jürgen Grässlin * Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher des Deutschen Aktionsnetzes
Kleinwaffen Stoppen (DAKS) und Vorstandsmitglied des RüstungsInformationsBüros (RIB
e.V.) F: Nach einer neuen Studie des Berliner Informationszentrums für Transatlantische
Sicherheit (BITS) und der Hilfsorganisation Oxfam (jW berichtete am 9.3.) kommt dem Export
von Rüstungskomponenten aus Deutschland eine erhebliche Bedeutung zu. Was heißt das
konkret? In einer Art alternativem Rüstungsexportbericht haben BITS und Oxfam vor wenigen Tagen
erstmals aufgelistet, in welchem Ausmaß in den vergangenen Jahren Bauteile für Waffen
von Deutschland in alle Welt geliefert wurden. Ein Laie kann nicht wissen,
dass thailändische Korvetten mit deutschen Feuerleitsystemen schießen und chinesische
U-Boote mit deutschen Motoren angetrieben werden. F: Als der Grüne Joseph Fischer das Amt des Außenministers übernahm, sprach er sich
für »Kontinuität in der Außenpolitik« aus und meinte damit offensichtlich auch
Kontinuität bei den Rüstungsexporten. Oder wie erklären Sie sich deren unverändert
hohe, ja sogar teils noch angestiegene Zahlen? Die neuen »Politischen Grundsätze zum
Rüstungsexport« traten im Januar 2000 in Kraft. Darin maß Rot-Grün »der Beachtung der
Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland bei den Entscheidungen über Exporte
von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht bei«. Soweit die
Theorie. F: Und die Praxis? In der Praxis belegt der
Rüstungsexportbericht 2003 die Vervierfachung der Kriegswaffenausfuhr in Höhe von 1,3
Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr mit damals 0,3 Milliarden Euro. Die
Einzelgenehmigungen für Rüstungstransfers stiegen 2003 um 50 Prozent auf 4,9 Milliarden
Euro. Folgenschwer sind Lieferungen von Waffen, Waffenteilen bzw. Munition an
kriegsführende Staaten wie die USA und Großbritannien, an Staaten, die die
Menschenrechte verletzen, wie Ägypten, Malaysia, Mexiko, Saudi-Arabien, Thailand und die
Türkei. Dramatisch ist die Entwicklung vor allem im
Bereich der so genannten »Kleinwaffen«. 2003 erhielt beispielsweise Malaysia mehr als 1
000 Maschinenpistolen im Wert von über einer Million Euro. Dabei wies Amnesty
International darauf hin, dass es in Malaysia »erneut Meldungen über illegale Tötungen
sowie die Folterung und Misshandlung von Strafverdächtigen« durch die Polizei gegeben
hat. F: Sie haben 1994 und 1998 auf der
baden-württembergischen Landesliste der Grünen für den Bundestag kandidiert. Ist es
für Sie vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass Sie in der Friedenspolitik alte
Grundsätze nicht über Bord geworfen haben, besonders schmerzhaft, sich in dieser
Angelegenheit mit der Politik der SPD/Grünen-Regierung auseinanderzusetzen? Damals hatte ich die Hoffnung, dass mit einem Regierungs- auch der versprochene
Politikwechsel eintreten würde. Leider stellen sich heute Sozialdemokraten und
Bündnisgrüne im Rüstungsexportbereich in die traurige Tradition der
konservativ-liberalen Vorgängerregierung. F: Die Konsequenz haben Sie vor fünf Jahren mit Ihrem Parteiaustritt gezogen? Stimmt. Im Jahr 2000 bin ich bei den Grünen ausgetreten und recherchiere jetzt, welche
Waffenexporte die SPD-Grünen-geführte Bundesregierung an welches kriegsführende oder
die Menschenrechte verletzende Regime genehmigt. Das Ausmaß der aktiven
Beihilfe zum Massenmorden auf den Schlachtfeldern übertrifft meine Befürchtungen. Gerhard Schroeder, Wolfgang Clement und
Joschka Fischer tragen die politische Verantwortung für Tote und Verstümmelte in den
Kriegs- und Bürgerkriegsländern, vor allem durch ihre Exportbewilligungen so genannter
»Kleinwaffen«. Als Mitglieder des geheim tagenden Bundessicherheitsrats entscheiden sie
über die brisantesten Waffentransfers. Mit ihren Exportgenehmigungen an Regime, die
Menschenrechte verletzen, setzen sie das tödliche Werk ihrer Vorgänger Helmut Kohl,
Günter Rexrodt und Hans-Dietrich Genscher fort. |