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zu Artikel Jürgen E. Schrempp
»Daimler-Benz -
Deutschlands Waffenexporteur Nr. 1« Die Daimler-Benz AG ist der größte Rüstungskonzern der Republik. Wie kein anderes Unternehmen exportiert die Daimler-Benz Aerospace (Dasa) Waffen, Rüstungs- und (zivil wie militärisch einsetzbare) Dual-Use-Güter - auch an menschenrechtsverletzende Regime in Indonesien, der Türkei oder dem Sudan. Die hausinterne Kontrolle von Rüstungstransfers ist zur Farce verkommen. Mit den Waffenbeschaffungen für die »Krisenreaktionskräfte« droht ein neuer Rüstungsexportschub. 1. Daimlers Aufstieg zum Rüstungsexportriesen Die grundlegenden Entscheidungen für die Diversifikation vom reinen Automobilunternehmen zum Mobilitäts- und Rüstungskonzern Daimler-Benz wurden nach 1985 vom vormaligen Konzernvorsitzenden Edzard Reuter sowie dem damaligen Deutsche-Bank-Vorsitzenden und Daimler-Aufsichtsratschef Alfred Herrhausen getroffen. Mit den Mehrheitsbeteiligungen an Dornier, der AEG und Fokker sowie dem Aufkauf von Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), der Telefunken Systemtechnik (TST) und der Motoren- und Turbinen-Union (MTU) avancierte die Daimler-Tochter Dasa (damals Deutsche Aerospace) zum »integrierten Technologiekonzern« - gemeint ist Deutschlands Rüstungsriese Nr. 1. Mitte der neunziger Jahre stieg die Dasa von Platz 15 auf 12 der Weltwaffenproduzenten und -exporteure auf - mit Rüstungsverkäufen in Höhe von 3,25 Milliarden US-Dollar;. Der Rüstungsproduktionsanteil der Dasa von vormals 29% liegt heute noch immer bei rund 25%. Dabei sind zivil wie militärisch nutzbare Dual-use-Güter - wie beispielsweise die Militärfahrzeuge der Mercedes-Benz AG - noch gar nicht eingerechnet. Mit deutlichem Abstand rangiert die Daimler-Benz AG vor Siemens (Platz 42), Bremer Vulkan (Platz 47) und Diehl (Platz 51) ganz oben in der Liste der internationalen Waffengiganten.(1) Selbst nach dem Ausstieg bei Fokker NV bleibt die Dasa - seit dem 1. Januar 1995 Daimler-Benz Aerospace genannt - der drittgrößte europäische Luft- und Raumfahrtkonzern. 2. Hausinterne Exportkontrolle ohne Erfolg Nach dem zweiten Golfkrieg wurden die deutschen Exportrestriktionen vorübergehend verschärft, was die Daimler- sowie Dasa-Vorstände auf den Plan rief. Edzard Reuter forderte eine »harmonisierte« und damit erleichterte Rüstungsexportpolitik, schließlich sei kein wirtschaftliches Thema »mit mehr Heuchelei, Feigheit und Opportunismus durchsetzt als das des Waffenexports«.(2) Heute gibt es keine Region der Welt, die nicht mit Waffen bzw. Teilen davon, Rüstungs- oder (zivil wie militärisch einsetzbaren) Dual-use-Gütern von Daimler-Benz versorgt ist. Zu den Empfängern von Dasa-Waffen und Mercedes-Militärfahrzeugen zählen auch in den neunziger Jahren Scheindemokratien und Diktaturen. So bestehen traditionell beste Beziehungen zu den Intimfreunden in Indonesien. Bereits der Dasa-Vorgänger MBB lieferte Militärhubschrauber, heute werden BO 105- und BK-117-Helikopter in indonesischer Lizenz gefertigt. Von Mercedes-Militärunimogs über AEG-Torpedos bis hin zu MTU-Motoren in einer Vielzahl von Waffensystemen beteiligt sich Daimler-Benz massiv an der Aufrüstung der indonesischen Streitkräfte. Unter dem Druck sinkender Beschaffungsaufträge für die Bundeswehr forcierte Jürgen Schrempp, vormaliger Dasa-Vorsitzender und heutiger Chef des Gesamtkonzerns, die Geschäftspraxis grenzenloser Rüstungsexporte - auch an menschenrechtsverletzende Regime. Die Dasa lieferte Panzermotoren für Exporte französischer Leclerc-Panzer in die Vereinigten Arabischen Emirate. Weitere Lieferungen von Bestandteilen für RAM- und Patriot-Raketen über die USA nach Taiwan und Jagdflugzeuge in die Türkei folgten (siehe Buchtip (3)). Der Sudan erhielt Mercedes-Militärlastkraftwagen, die Türkei erhält in diesen Tagen Sattelzugmaschinen für Panzertransporter - die Litanei der Waffentransfers von Daimler-Benz füllt Bücher. Dabei hatte sich die Mercedes-Benz AG bereits im Juli 1993 »im Bewußtsein ihrer herausragenden gesellschaftspolitischen Bedeutung mit der ´Richtlinie zur Exportkontrolle` ein konzernweites Informations- und Kontrollverfahren« für militärische Produkte auferlegt.(4) Jürgen Schrempp hatte versprochen, »die Waffenexportfrage mit großem Ernst und aller Sorgfalt« zu behandeln.(5) Die heutige Bilanz dieser hausinternen Exportkontrolle ist eindeutig: Sie diente zur Beruhigung einer aufgebrachten Öffentlichkeit, derweil wurde das Spiel vom Rüstungsexport ohne Schranken praktiziert. 3. DASA-Waffen für die Schnellen Eingreiftruppen auch anderer Armeen Sechs Jahre nach den Warnungen des Bundeskartellamts vor der MBB-Übernahme ist die Vormachtstellung der Dasa bei der Rüstungsproduktion und im -export längst Wirklichkeit. Heute hält der Dasa-Vorstand die Führungsrolle im militärisch-industriell-politischen (MIP)-Komplex fest in Händen: Die Waffenbeschaffung für die Bundeswehr und die Rüstungsexporte in alle Welt werden von Jürgen Schrempp und dem derzeitigen Dasa-Vorsitzenden Manfred Bischoff weitgehend diktiert, vom Bundessicherheitsrat politisch abgesegnet und allesamt vom Eschborner Bundesausfuhramt legitimiert. Beim Eurofighter 2000, dem Nato-Hubschrauber NH 90, dem Future Large Aircraft und den weiteren zentralen Beschaffungsprogrammen des Luft- und Raumfahrtsektors ist die freie Marktwirtschaft zur kapitalistischen Planwirtschaft verkommen - das Primat der Politik wurde durch das »Primat der Dasa« ersetzt. Im Falle unveränderter politischer Rahmenbedingungen ist auf Jahre hinaus garantiert, daß die Dasa als Systemführer aller Entwicklungen neuer Großwaffensysteme der Bundesluftwaffe zugleich auch der größte deutsche Rüstungsexporteur bleiben wird. Mit den technischen Fähigkeiten zum Einsatz unter allen klimatischen Bedingungen sind die Dasa-Waffen für die sogenannten »Krisenreaktionskräfte« der Bundeswehr wie auch für Schnelle Eingreiftruppen anderer Armeen von größtem Interesse. Über zusätzliche Waffenverkäufe wird die Produktion der Dasa-Großwaffensysteme zu einem profitablen Geschäft ohnegleichen. Nicht umsonst wird mit Exporten zumindest in der Höhe des Eigenbedarfs der an der Fertigung beteiligten Nato-Staaten gerechnet. Vom Jagdflugzeug und leichten Jagdbomber des Typs Eurofighter 2000/Jäger 90 sind Exporte in den Nahen Osten und nach Südostasien anvisiert. Die Entscheidung über die Beschaffung dieses größten und teuersten Rüstungsprojekts in der europäischen Militärgeschichte trifft der Bundestag voraussichtlich im Herbst diesen Jahres (siehe hierzu den Beitrag »Acht gute Gründe gegen den Eurofighter«). Für die Armeen der vier am Projekt des Nato-Hubschraubers NH90 beteiligten Staaten werden 544 taktische Transport- und 182 Fregattenhubschrauber des Typs NH90 gefertigt. Zusätzlich sollen 600 zivile wie militärische Varianten exportiert werden - eine Anzahl, die ausreicht, um die Luftwaffen mehrerer Staaten komplett auszurüsten. Die Verantwortung für die Rüstungsexportgeschäfte hat Jürgen Schrempp »dort angesiedelt, wo sie hingehört, nämlich im Vorstand«.(6) Wer sich für eine Änderung der Rüstungsexportpraxis bei Daimler-Benz einsetzen will, verfügt - als Mercedes-Kunde oder über Gespräche mit anderen Käufern von Mercedes-Fahrzeugen - über direkte Einflußmöglichkeiten auf eben diesen Vorstand: Konzernintern wird ein einziger Mercedes-Lebenszeitkunde mit rund 400.000 DM (Fahrzeugkäufe und Reparaturen) angesetzt. Dementsprechend würde eine bundesweit getragene Boykottkampagne gegen den Rüstungskonzern Dasa und den Mutterkonzern Daimler-Benz mit Sicherheit Wirkung zeigen. 4. Das Daimler-Benz-Archiv Der gemeinnützige Verein Rüstungs-Informationsbüro Baden-Württemberg e.V. wertet die bedeutendsten Publikationen von Militär und Rüstungsindustrie (Dasa aktuell, Wehrtechnik, Wehrdienst, Soldat + Technik, loyal, MILITARY TECHNOLOGY, NATO`S SIXTEEN NATIONS u.v.a.), der Friedensbewegung sowie renommierte Tageszeitungen aus. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die Fragen der Rüstungsproduktion, des -exports und der -konversion. Neben den süddeutschen waffenproduzierenden und -exportierenden Unternehmen - allen voran Daimler-Benz und Heckler & Koch - werden sämtliche weiteren Rüstungsfirmen in Südwestdeutschland sowie Personen des militärisch-industriell-politischen (MIP-)Komplexes erfaßt. Zudem verfügt das Freiburger Archiv, das mittlerweile über mehr als 1800 Einzelakten verfügt, über umfangreiche Militär-, Sach-, Länder- und Personenarchivteile. In Zusammenarbeit mit dem »Dachverband der Kritischen AktionärInnen Daimler-Benz« (KAD) hat RIB e.V. in den vergangenen Jahren das umfassendste Archiv der Friedensbewegung zum größten deutschen Rüstungsproduzenten und -exporteur - der Daimler-Benz AG - aufgebaut. Anfragen zum mächtigsten Rüstungs- und Automobilkonzern können differenziert beantwortet werden. Neuer Schwerpunkt des Vereins wird 1996 bis 1998 Daimler-Benz als nationaler wie internationaler Landminenproduzent sein. Quellenangaben: Oxford, New York 1995, S. 485 ff. 2 Wehrtechnik 6 / 1991, S. 38 3 Eine differenzierte Darstellung findet sich in dem neu erschienenen Buch von Alexander Kauz: »Krieg in Kurdistan. Offene Grenzen für Waffen - aber nicht für Flüchtlinge« Martin Jung Verlag, ISBN 3-9803269-4-2 4 MB AG-Richtlinie Nr. 5 zur »Exportkontrolle« vom 14. 7. 1993 5 Schrempp, Jürgen: »Rüstung und Verantwortung - ein unlösbarer Konflikt?« In: Dernuth, Alexander (Hrsg.): Konfliktmanagement und Umweltstrategien, manager magazin 1992, S, 63 6 Interview mit Jürgen Schrempp im Stern vom 9. 1. 1991 Umfassende Informationen zu den Rüstungsexporten von Daimler-Benz finden sich in den Büchern von Jürgen Grässlin: »Den Tod bringen Waffen aus Deutschland«, Knaur Taschenbuch Nr. 80029 und »Daimler-Benz. Der Konzern und seine Republik«, Knaur Taschenbuch Nr. 80064 Jürgen Grässlin ist Vorsitzender des Rüstungs-Informationsbüros Baden-Württemberg (RIB e.V.) und Sprecher des Dachverbands Kritischer AktionärInnen Daimler Benz |