Vorwort des Alternativen Geschäftsberichts
des KADC zur 3. ordentlichen Hauptversammlung
der DaimlerChrysler AG in Berlin vom 11.04.2001


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Vorwort zum Alternativen Geschäftsbericht
der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) 2001

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre,

erinnern Sie sich: »Die Fusion bringt Vorteile für Sie als Aktionäre, aber auch für die Kunden und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter«, versprachen die Vorstands- vorsitzenden Jürgen E. Schrempp und Robert J. Eaton vor gut zwei Jahren. Mit dem Zusammenschluss »zwei der erfolgreichsten Unternehmen« seien »die Weichen für eine großartige gemeinsame Zukunft gestellt«. DaimlerChrysler verfüge seither »über eine einzigartige Produktpalette, starke, sich ergänzende Marken und eine hohe Finanzkraft«. Die Aktionäre seien nunmehr »Eigentümer eines Unternehmens mit hervorragenden Wachstumsperspektiven, die weder für Daimler-Benz noch für Chrysler alleine erreichbar gewesen wären«.

Obwohl 70 Prozent aller Fusionen ihr Ziel verfehlen, erwähnten Schrempp und Eaton mit keinem Wort Risiken und Gefahren. Wir, der Dachverband der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC), glaubten nicht den Verheißungen Schrempps und  Eatons und lehnten die Fusion ab. Die vom Dachverband in der Hauptversammlung 1998 benannten Gefahren zweier völlig unterschiedlicher Unternehmenskulturen, drohender Arbeitsplatzvernichtung, mangelnder Ökologisierung der Fahrzeugflotte und verstärkten Rüstungsengagements wurden vom Vorstand vom Tisch gewischt.

Erstaunlich, wie lange die Großaktionäre und Wirtschaftsjournalisten Schrempps turbokapitalistischen Visionen vom optimierten Shareholder Value, dem stetig steigenden Aktienkurs und dem kommenden Höhenflug beim Börsenwert Glauben schenkten.

Nachdem sich der Börsenwert der DaimlerChrysler AG in nicht einmal drei Jahren auf 50 Milliarden Euro halbiert hat, ist sogar eine feindliche Übernahme eine realistische Option. Zum Beispiel durch Toyota. Dessen Kriegskasse gilt mit rund 20 Milliarden Dollar als gut gefüllt.

Vielleicht aber wird der Schachspieler Schrempp durch einen Raider Schach Matt gesetzt. Formiert sich eine Investorengruppe und erwirbt diese die Mehrheit der Anteile, kann sie den Gesamtkonzern zerschlagen und die Firmenteile gewinnbringend verscherbeln. Dann ist Schrempps Vision von der Welt AG zerstört und mit ihr weitere Abertausende von Arbeitsplätzen.

Jahrelang lagen die Medien dem Megastar des Shareholder Value, dem Herrn der Positivschlagzeilen und millionenschweren Werbegelder zu Füßen. Angesagt waren Jubelarien über die zweifelsohne hervorragende Mercedes-Bilanz, seinen bewundernswerten Aufstieg zum Herrn der Sterne oder die grandios eingefädelte Fusion. Doch das Kartenhaus, gebaut auf der Vision einer global wachsenden Welt AG und dem Treibsand optimistischer Dauerversprechungen, fällt in sich zusammen. Dieter Zetsches Turnaround bei Chrysler und Rolf Eckrodts Radikalkur bei Mitsubishi sollen retten, was schwerlich zu retten ist.

Verantwortlich ist in erster Linie einer: Jürgen E. Schrempp, der sich in seinem Größenwahn, den größten Autokonzern der Welt zu schmieden, übernommen hat. Wir Kritischen Aktionäre fordern deshalb seinen Rücktritt und die Rückzahlung seines Gehaltes aus den letzten beiden Jahren.

Doch seine Bestellung garantiert Jürgen E. Schrempp die Gehaltszahlung bis zum Jahr 2003. Theoretisch kann der dann 59-Jährige die DaimlerChrysler AG weitere fünf Jahre führen, nach 2008 als Aufsichtsratsvorsitzender die Geschicke des Unternehmens steuern und die Geschäftspolitik seines Nachfolgers beeinflussen. Soweit die Theorie. Viel wahrscheinlicher ist, dass aus dem Gehalt eine Abfindung wird. Über Nacht mutiert der Herr der Sterne dann zum Herrn der Scherben.

Jürgen Grässlin