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Zugegeben, die Pointe ist ziemlich mau. Sie handelt davon, dass ein Katalysator die Geschwindigkeit eines Prozesses beschleunigt, ohne im neuen Endprodukt aufzutauchen. Genauso ist es Jürgen Schrempp ergangen: Der hat die Fusion von Daimler und Chrysler forciert und taucht im Endprodukt künftig nicht mehr auf.
Schrempp wird Ende der Woche als Vorstandsvorsitzender von DaimlerChrysler abgelöst. Schrempp, der Katalysator. Haha. Zum Abschied bekommt Jürgen Schrempp statt warmer Worte viele schale Witzchen. Wer das als Nachtreten versteht, liegt nicht falsch, hat aber Jürgen Grässlins »Das Daimler-Desaster« noch nicht gelesen. Der Autor nutzt die Gelegenheit, mit dem scheidenden Vorstandschef, dem Konzern und dessen Schlüsselfiguren abzurechnen. Grässlin identifiziert nicht ein, sondern gleich vier Desaster. Da wäre zunächst die missglückte Fusion von Daimler und Chrysler, die verpfuschte Eroberung des asiatischen Markts über Mitsubishi und Hyundai, Qualitätsmängel bei fast allen Baureihen und eine verfehlte Produktpolitik an den Konzernrändern mit Smart und Maybach. Der Sprecher der »Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler« will mehr als bekannte Kritik wiederkäuen. Er will enthüllen. Also: Die Ad-hoc-Meldung von Schrempps Rücktritt am 28. Juli 2005, schreibt Grässlin, sei überhaupt nicht ad hoc gewesen. Einige Insider hätten Vorabinformationen genutzt, um mit Schrempps Abschied und den zu erwartenden Kursanstiegen Kasse zu machen. Tatsächlich hüpfte der Kurs prompt um zehn Prozent nach oben. Grässlin beschuldigt vor allem die Deutsche Bank, die sich im rechten Augenblick von einem Paket DaimlerChrysler-Aktien getrennt habe. Die dickste Bombe will Grässlin in einem Kapitel über Graumarktgeschäfte platzen lasen: Er bezichtigt den künftigen Vorstandschef Dieter Zetsche der Mitwisserschaft und der tatkräftigen Unterstützung bei Graumarktgeschäften. Hierbei wurden, so Grässlin, Fahrzeuge über Scheinfirmen in Deutschland und Österreich nach Fernost verschoben. Dabei kam es zu ungerechtfertigten Rückforderungen von Mehrwertsteuerzahlungen. Grässlin bauscht gern auf und wiederholt sich oft. Der Kunstgriff, die Gute-Laune-Reden Schrempps genüsslich den bitteren Fakten gegenüberzustellen, nervt auf Dauer. Dennoch: Es bleibt spannend, bis zum Schluss. Im Nachwort wirft Grässlin indirekt der Stuttgarter Staatsanwaltschaft vor, mit Daimler-Managern gemeinsame Sache gemacht zu haben. Die Staatsanwälte hatten im Rahmen einer Hausdurchsuchung im Zuge der Insidergeschäfts-Affäre das Notebook von Grässlin beschlagnahmt, auf dem Teile des geplanten Buchs abgespeichert waren. Kurz darauf soll sich ein Daimler-Manager gebrüstet haben, er kenne bereits Teile des Buches. Nun ja. Balsam für die Wunden, die Grässlin schlagen will, hat Jochen Dreher dabei. Er zeigt, dass die Fusion zwischen Daimler und Chrysler doch kein Totalflop ist. Der Sozialwissenschaftler hat herausgefunden, dass die Zusammenarbeit von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen hervorragend funktioniert. Mit Interviews, Beobachtungen und linguistischen Sequenzanalysen zeichnet er ein Bild davon, wie Türken, Italiener oder Spanier am Band in Sindelfingen ihre deutschen Kollegen bei der Montage sehen und umgekehrt, was die amerikanischen Chrysler-Manager an ihren deutschen Kollegen schätzen oder nicht leiden können. Ein empirisches Porträt »interkultureller Arbeitswelten«, bei dem so ganz nebenbei deutlich wird, warum Daimler im Fusionsnamen an erster Stelle auftaucht. Das Daimler-Desaster Jürgen Grässlin | Droemer 2005 | 304 S. | 19,90 Euro | ISBN 3426272679. Interkulturelle Arbeitswelten Jochen Dreher | Campus 2005 | 219 S. | 24,90 Euro | ISBN 359337840X.