Zu
Presseberichte, Interviews und Rezensionen zum Buch
Graumarktgeschäfte
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Wie Kriminelle den Staat schröpfen
Report Mainz vom 19. Dezember
2005
http://www.swr.de/report/aktuell/index.html
Moderation Fritz Frey:
20 Milliarden Euro. So viel
soll sie bringen, die Mehrwertsteuererhöhung, die uns Anfang 2007 ins Haus steht. 20
Milliarden Euro, das ist auch die Summe, die dem Staat verloren geht durch so genannten
Umsatzsteuerbetrug. So schätzen Experten.
Wenn der Staat dem
ehrlichen Bürger in die Tasche greift, dann soll er vorher gefälligst dem
Steuerbetrüger auf die Finger hauen. Tut er aber nicht, sagt dieser Bericht des
Bundesrechnungshofes. Und was dies mit den Graumarktgeschäften im Automobilbereich zu tun
hat, das erklärt Thomas Reutter.
Bericht:
Gerhard Schweinle war
einmal ein großer Spediteur. Doch die Spedition gibt es nicht mehr. Seine Firma steht
heute leer. Denn Gerhard Schweinle war im Gefängnis. Wegen Steuerhinterziehung. Jetzt
spricht er darüber, was ihn hinter Gitter brachte. Sein Fall gewährt Einblick in einen
dubiosen Handel mit Luxuslimousinen.
Aber nicht nur das. Er
zeigt auch, wie er funktioniert, der dreiste Griff in die deutsche Staatskasse. Gerhard
Schweinle hat erlebt, wie es gemacht wurde. Steuerhinterziehung im ganz großen Stil.
Es ging um Luxuskarossen wie
diese. Sie wurden am offiziellen Vertriebsweg vorbei ins Ausland geschleust.
O-Ton, Gerhard
Schweinle:
»Ein Großteil der
Fahrzeuge war natürlich rein auf Exportbasis ausgestattet. Das heißt, dass sie Farben
hatten, die in Deutschland oder in Europa keiner will. Also ganz weiß zum Beispiel,
bestimmte Klimaanlagen, bestimmte Ausstattungsdetails.«
Der Graumarkt. Vor allem
Daimler-Chrysler wird damit immer wieder in Verbindung gebracht. Wie diese
Graumarktgeschäfte im Fall Schweinle liefen, hat das Landgericht Stuttgart minutiös
rekonstruiert.
Demnach begann das
Geschäft mit den teuren Wagen in Mosbach im Odenwald, beim Mercedesvertreter. Das
Autohaus Gramling verkaufte die Fahrzeuge an die Firma von Gerhard Schweinle. Die Autos
wurden also offiziell vom Mercedesvertreter in Mosbach an die Firma Schweinle geliefert.
Die verkaufte nach Kufstein
in Österreich, aber nur auf dem Papier. Ein Verkauf ins Ausland hat den Vorteil,
Schweinles Firma bekam die Mehrwertsteuer, die sie bezahlt hatte, vom Finanzamt
zurückerstattet. Wenig später tauchten die Autos auf dem Papier wieder in Deutschland
auf. Und zwar auf gefälschten Rechnungen von zwei Scheinfirmen im Raum Hannover.
Der nächste in der Kette
war ein Autohändler in der Nähe von Bremen. Und schließlich ein Exporteur in Hamburg.
Das war die Kette der Scheingeschäfte. In Wahrheit aber wurden die Autos nicht nach
Österreich geliefert, fanden die Ermittler heraus, sondern meist direkt von Mercedes nach
Hamburg, von wo aus sie nach Asien verschifft wurden.
Die gefälschten
Rechnungen, inklusive Mehrwertsteuer, legte der letzte Autohändler, vor dem Export nach
Asien, Stefan P., dem Finanzamt Wesermünde in Bremerhaven vor.
Bei einem Auto zu einem
Preis von 100.000 Euro machte das satte 16.000 Euro. So bekam Stefan P. insgesamt rund 2,7
Millionen Euro Mehrwertsteuer erstattet. Zu Unrecht, stellte das Landgericht Stuttgart
fest.
Die Staatsanwaltschaft
Stade erhebt nun Anklage gegen den Autohändler Stefan P. wegen Steuerhinterziehung.
O-Ton, Johannes
Kier, Staatsanwaltschaft Stade:
»Es haben die Personen,
die ihm das Fahrzeug verkauft haben, Rechnungen ausgestellt, die er beim Finanzamt
eingereicht hat. Wir gehen aber davon aus, dass ein Fahrzeugverkauf, zwischen diesem
Rechnungssteller und dem bei uns Angeklagten, überhaupt nicht stattgefunden hat. Und dass
deswegen diese Rechnungen völlig zu Unrecht beim Finanzamt steuermindernd geltend gemacht
wurden.«
Welche Rolle aber spielte
Daimler-Chrysler? Im Fall Schweinle wurden Daimler Manager vor dem Landgericht Stuttgart
als Zeugen gehört. Sie gaben an, nichts von den Graumarktgeschäften der Firma Schweinle
geahnt zu haben. Das Landgericht hielt diese Aussagen für überzeugend. Gerhard Schweinle
sieht das ganz anders.
O-Ton, Gerhard
Schweinle:
»Daimler-Benz kam auf uns
zu und meinte, ob es nicht möglich wäre über ein seriöses Unternehmen wie uns, mehr
Fahrzeuge abzusetzen. Man hätte da Möglichkeiten und man bräuchte bestimmte Ventile um
bestimmte Mengen an Fahrzeugen bestimmter Baureihen ins Ausland abzusetzen.«
Und er soll laut Schweinle
alles eingefädelt haben. Der damalige Daimler Mitarbeiter Uwe B. habe die heißen
Geschäfte abgewickelt, mit Hilfe von Schweinles Firma.
O-Ton, Gerhard
Schweinle:
»Der war komplett autonom.
Er hat Mengen bestimmt, er hat Preise bestimmt, er hat allein bestimmt, wer die Autos
bekam. Und ganz wichtig, er hat die Kunden ja schon mitgebracht. Das waren ja seine
Kunden, sprich Daimler-Kunden. Man muss es ja mal ganz deutlich sagen, es war ja von
Daimler und von Gramling initiiert, das System. Wir waren ja nichts anderes als eine
Tarnadresse.«
Folgt man dieser
Einschätzung, dann wäre das ein Frontalangriff auf Daimler-Chrysler. Denn dann hätte
der Konzern und der Mercedes Vertreter Gramling in Mosbach das Graumarktgeschäft selbst
angestoßen. Glaubt man Schweinle, würde das heißen: Im Namen der Firma Schweinle
betrieb ein Daimler-Chrysler-Mitarbeiter jahrelang Graumarktgeschäfte.
Uwe B. will nicht mit uns
reden. Wir erfahren, die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen ihn. Der Buchautor
Jürgen Grässlin beschäftigt sich seit Jahren mit dem Daimler-Konzern. In seinem neuen
Buch »Das Daimler-Desaster« hat er den Graumarktgeschäften zwei Kapitel gewidmet.
Jürgen Grässlin hat den Fall Schweinle für sein Buch untersucht.
O-Ton, Jürgen
Grässlin, Buchautor:
»Ich komme zu dem
Ergebnis, dass Daimler-Chrysler im Fall von Herrn Schweinle aktiv Graumarktgeschäfte
betrieben hat. Und Mehrwertsteuerkarusselle zumindest billigend in Kauf genommen hat.«
Die Graumarktgeschäfte von
Daimler und millionenschwerer Steuerbetrug hängen nach Meinung von Jürgen Grässlin also
unmittelbar zusammen.
Was sagt der Konzern dazu?
Von Umsatzsteuerbetrug habe das Unternehmen nichts gewusst, teilt man uns mit.
Daimler-Chrysler lehnt jedes Interview zu dieser Frage ab, nimmt aber schriftlich
Stellung.
Zitat :
»Unsere Vertriebsorgane
haben mit derartigen Praktiken nichts zu tun. Der Vorstand hat aber immer darauf
gedrungen, Graumarktgeschäfte zu unterbinden.«
Gerhard Schweinle zeigt uns Unterlagen, die seiner Ansicht nach belegen, wie aktiv die
Rolle von Daimler-Chrysler war. Demnach zahlte die Zentrale an die Mercedes-Vertreter in
Asien sogar einen Ausgleich dafür, dass diese bei den Grauimporten die Augen zudrückten.
Koordiniert wurde diese sogenannte »Übergrenzprovision« von einer Clearingstelle in der
Daimler-Chrysler-Zentrale.
Frage: Können Sie denn
sagen, dass diese Papiere praktisch der Beleg dafür sind, dass Daimler-Chrysler vom
Graumarktgeschäft gewusst haben muss?
O-Ton, Gerhard
Schweinle:
»Ja. Und ich sag es
noch härter. Daimler hat extra eine Clearingstelle dafür eingerichtet, weil sie ja
genügend Graumarktgeschäfte wussten, kannten und initiiert haben.«
Das wollten wir von
Daimler-Chrysler genau wissen. Daimler-Chrysler bestätigt REPORT MAINZ generell die
Existenz von »Übergrenzprovisionen« bei »länderübergreifenden
Vertriebsaktivitäten«. »Aus geschäftspolitischen Gründen« nennt der Konzern dazu
»aber keine weiteren Details«.
Aus dem Fall Schweinle
ergibt sich: Wo der Graumarkt herrscht, besteht die Gefahr der Steuerhinterziehung.
Ermittler bestätigen uns diesen Zusammenhang. Über Umsatzsteuerkarusselle und
Daimler-Chrysler dürfen Steuerfahnder, die in der Sache ermitteln, nicht mit uns vor der
Kamera sprechen.
Wir sind deshalb bei der
Deutschen Steuergewerkschaft, der bundesweiten Organisation der Finanzbeamten. Manfred
Lehmann spricht für Tausende Finanzbeamte und Steuerfahnder. Wir zeigen ihm unsere
Recherchen. Seine generelle Einschätzung:
O-Ton, Manfred
Lehmann, Deutsche Steuergewerkschaft:
»Wer tatsächlich weiß,
dass die Ware in den grauen Markt hinein geliefert wird, der nimmt in Kauf, dass in der
Folge auch Umsatzsteuerbetrug im großen Stil möglich wird. Das bedeutet, dass der Betrug
institutionalisiert ist, und das bedeutet letztendlich auch, dass man Umsatzsteuerbetrug,
im weiteren Sinne, durchaus billigend in Kauf nimmt, um seine Absatzziele zu erreichen.«
Der Fall Schweinle flog
auf. Durch einen Zufall. Doch die Dunkelziffer solcher Umsatzsteuerbetrügereien ist
riesig. Experten schätzen die Steuerausfälle auf, sage und schreibe, 20 Milliarden Euro
im Jahr. Der Bundesrechnungshof geht von organisierter Kriminalität aus.
Die Prüfer bemängeln in
diesem vertraulichen Bericht, dass der Staat gegen den massenhaften Steuerbetrug bisher
nur stumpfe Waffen aufbietet: »Nahezu ausnahmslos steht auch die Staatsanwaltschaft
dieser Art krimineller Delikte wehrlos gegenüber.« Die Finanzbeamten und Steuerfahnder
kämpfen offenbar auf verlorenem Posten.
O-Ton, Manfred
Lehmann, Deutsche Steuergewerkschaft:
»Wir gehen davon aus, dass
mit einer konsequenten Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges die Einnahmen deutlich besser
werden, Steuererhöhungen vermeidbar wären, und letztendlich die Gerechtigkeit zum Zuge
kommt, da der ehrliche Unternehmer, der seine Verpflichtungen erfüllt, im Moment der
Dumme ist.«
Links:
www.daimlerchrysler.com/
www.bundesrechnungshof.de/1024.html
Deutsche Steuergewerkschaft:
www.dstg.de/
www.juergengraesslin.com/