Radiobericht »Scheitern einer Vision«
im Deutschlandradio vom 29.12.2005


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»Scheitern einer Vision«

Wie Jürgen Schrempps Traum von der Welt-AG zerbrach


Von Klaus Harke

DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp wollte den Konzern zum weltweit führenden Automobilkonzern ausbauen und den Weltmarktführer General Motors von seinem Spitzenplatz verdrängen. Doch die Pläne des einst von der Fachwelt gefeierten gebürtigen Freiburgers gingen nicht auf.

»Wir bauen ein internationales Automobilunternehmen, das in zehn Jahren an der Spitze stehen wird.«

Jürgen Schrempp, Chef des Daimler-Konzerns, ist an diesem Anspruch gescheitert. Seine Vision von der »Welt-AG«, die den Weltmarktführer General Motors vom Spitzenplatz verdrängen sollte, ist geplatzt. Die Ära Schrempp beim Stuttgarter Automobilhersteller geht nun zu Ende; gut eine Dekade nach seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender hatte er Ende Mai überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Jürgen Grässlin, der in seinem Buch »Das Daimler-Desaster« beschreibt, meinte damals im Deutschlandfunk:

»Schrempp hat einen ganz kapitalen Fehler begangen, nämlich in der Form, dass er immer überzogen hat, von Anfang an überzogen hat.«

Dabei hatte es 1995 so viel versprechend für den erfolgverwöhnten, 1944 in Freiburg als Sohn eines Verwaltungsangestellten geborenen Manager begonnen. Die Restrukturierung des Konzerns, die bereits zuvor eingeleitet worden war und seit 1992 zum Abbau von 70.000 Arbeitsplätzen geführt hatte, wurde weitergeführt. Bei seiner ersten Bilanz-Pressekonferenz versicherte Schrempp:

»Wir werden unser Ziel im Auge behalten, bei allen Maßnahmen den Unternehmenswert zu steigern. Und wir sind der Meinung, dass nur ein profitables Unternehmen auch ein soziales Unternehmen ist. Wir glauben, damit die Weichen für eine deutlich bessere Ertragskraft im Konzern gestellt zu haben und bevor wir einem internationalen Vergleich akzeptable Rendite ausweisen können, müssen 1996 weitere gravierende Entscheidungen fällen.«

Die Fachwelt zollte ihm auch Beifall, als der Unternehmenslenker vor fünf Jahren versprach, den »weltgrößten Fahrzeugkonzern mit nennenswerten Marktanteilen in den wichtigsten Regionen der Welt« zu schaffen. 1998, drei Jahre nach der Übernahme des Vorstandsvorsitzes von seinem glücklosen Vorgänger Edzard Reuter bei dem damals noch als Daimler-Benz firmierenden Unternehmen kürten ihn gleich mehrere Wirtschaftsmagazine zum »Manager des Jahres«, nachdem er den US-Autobauer Chrysler mit Daimler fusioniert hatte. Doch selten auch hat es in Deutschland einen Chefmanager gegeben, bei dem »Hosianna« und »Kreuziget ihn« so dicht beieinander lagen, wie bei Jürgen Schrempp. Sechs Jahre später ernannte ihn eines dieser Blätter, nämlich »Business Week«, zum »Schlechtesten Manager des Jahres«. Und ein weiteres Jahr darauf belegten ihn kritische Aktionäre mit dem Titel »Manager des Misserfolgs«.

Was war passiert bei diesem selbstbewussten, Elan versprühenden Macher, der eine grandiose Karriere vom Lehrling zum Vorstandsvorsitzenden des größten deutschen Industriekonzerns geschafft hatte? Der mittlerweile 61-Jährige hatte sich später schlicht zu viele Flops geleistet. Anspruch und Wirklichkeit klafften immer wieder auseinander. Wieder war eine Vision gescheitert - wie zehn Jahre zuvor, als Schrempp Edzard Reuter beerbt hatte. Trotz eines halbierten Börsenkurses und der Schwierigkeiten bei den Töchtern AEG und DASA hatte dieser bis zum Schluss an seiner Idee vom integrierten Technologiekonzern festgehalten:

»Es hat Verwerfungen gegeben, Verzögerungen im Konzept, das wir hatten und haben, nämlich die Ertragskraft des Konzerns auf verschiedene Beine, auf verschiedene Schultern zu legen. Das ist noch nicht voll gelungen, aber wir sind eindeutig auf dem Weg, dass das so sein wird. Das hängt damit zusammen, dass die Welt inzwischen klein geworden ist, dass wir enorm viel Geld investieren müssen, um auf vielen neuen Märkten präsent zu sein, auch das das kostet wieder Geld. Aber die Grundidee hat sich mit Sicherheit bewahrheitet, und das wird sich in zehn weiteren Jahren ganz bestimmt blendend herausgestellt haben.«

Doch die Wirklichkeit sah anders aus, Reuter hatte sich mit seinen zahlreichen Töchtern verzettelt. Auf zu vielen Baustellen waren Sanierungsarbeiten erforderlich. Rezzo Schlauch, Stuttgarter Rechtsanwalt und Grünen-Politiker, urteilte später:

»Es war die Rede vom integrierten Technologiekonzern, und wenn man sich's aber mal angeguckt hat, dann war man eigentlich vor einem Gemischtwarenladen, und zwar noch ohne jegliches ohne jegliches Profil.«

Jürgen Schrempp konnte seine Hände freilich nicht in Unschuld waschen. Nachdem er sich in den achtziger Jahren als Krisenmanager bei der angeschlagenen amerikanischen Lkw-Tochter Euclid bewährt und bei Mercedes-Benz of South Africa zum Chef hochgearbeitet hatte, wurde er nach seiner Rückkehr 1987 Vertriebsvorstand für Nutzfahrzeuge und durfte 1989 beim Tochterunternehmen Deutsche Aerospace/DASA den Vorstandsvorsitz übernehmen. In dieser Position war er zugleich Mitglied des Vorstandes von Daimler-Benz. Als solches trug er also eine gute Portion Mitschuld an der Misere des Konzerns. Entgegen seinem ansonsten hemdsärmeligen Auftreten räumte er scheinbar demütig nach dem Chefwechsel 1995 ein:

»Erst mal muss ich sagen, dass ich hinter der Gesamtkonzeption des Konzerns stehe. Es wäre ja schlimm, für einen, der seit 1987 dem Konzernvorstand angehört, der alle Entscheidungen voll mitgetragen hat, wenn dem nicht so wäre. Und natürlich wusste auch der Architekt Edzard Reuter, dass dieses ein Prozess ist und dass die Neuaufstellung nicht über Nacht erfolgreich für den Konzern sein konnte. Und natürlich gab's Friktionen.«

Doch Insider wollen wissen, dass das Energiebündel Jürgen Schrempp das Ruder am liebsten sofort nach der Machtübernahme herumgerissen hätte. Ein »Gentleman's Agreement« zwischen Reuter und seinem Zögling ließ die letzte Bilanz des scheidenden Konzernherrn noch einigermaßen gesund aussehen. Doch schon bei der Präsentation der Halbjahresbilanz im Herbst 1995 ließ der neue Mann an der Spitze die Katze aus dem Sack. Da wurde plötzlich ein Verlust von 1,5 Milliarden Mark ausgewiesen und Schrempp ließ bereits seine Absicht zum Strategiewechsel durchblicken:

»Was wir im Augenblick im Hause Daimler-Benz tun ist, wir stellen alle Geschäftsfelder auf den Prüfstand, sehr unemotional, nach zwei Kriterien: Mittel- und langfristige Ertragskraft, und zweitens, was ich als strategischen Fit nennen möchte, d.h. die absolut höchste Priorität im Augenblick ist die Stärkung der Ertragskraft der Daimler-Benz AG. Das heißt Maßnahmen wie Effizienzsteigerung und Restrukturierung. Vor allen Dingen heißt das die kritische Durchleuchtung unseres Portfolios nach Ertrags- und Risikopotentialen und auf Straffung oder um es deutlicher zu sagen, durchaus auch Desinvestment.«

Rigoros leitete Schrempp, der sich schnell den Titel »Rambo der Industrie« einhandelte, das Ende der Diversifizierung ein. Für ihn galt fürderhin die Devise »Konzentration auf das Fahrzeuggeschäft«. So hoffte er, den Daimler-Konzern wieder profitabel zu machen. Daher wurde der chronisch defizitäre Traditionselektrokonzern AEG aufgelöst, der DASA eine Radikalkur verordnet, um sie später als Gründungskapital in das deutsch-französische Gemeinschaftsunternehmen EADS einzubringen, und dem verlustträchtigen, erst wenige Jahre zuvor erworbenen Flugzeugbauer Fokker wurde schließlich der Geldhahn zugedreht und damit sein Ende besiegelt - um nur die wichtigsten Maßnahmen zu nennen.

In der Bilanz für das Jahr 1995 wurde ebenso radikal aufgeräumt. Vor allem die Abschreibungen auf die Sorgenkinder führten zu einem Verlust von 5,7 Milliarden Mark. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wurde keine Dividende gezahlt. Doch Schrempp, der Protagonist des »Shareholder Value«, der den Wert des Unternehmens im Interesse der Aktionäre zu steigern versprach, gelobte auf der Hauptversammlung im Mai 1996 Besserung:

»Das hinter uns liegende Geschäftsjahr ist das dramatischste in der Geschichte Ihres Unternehmens. Es war durch tiefe Einschnitte gekennzeichnet, durch Entscheidungen, die keinem der Beteiligten leicht gefallen sind. Vor allem war es geprägt durch einen äußerst empfindlichen Verlust, einen Jahresfehlbetrag von 5,7 Milliarden D-Mark. Damit stellt der Jahresabschluss 1995 auch eine Zäsur dar. Wir haben unter dem Eindruck dieser Erkenntnisse das Unternehmen neu auszurichten. Wir haben Verlustquellen weitgehend beseitigt, haben uns von Tätigkeitsfeldern getrennt, die nicht mehr zu uns passen. Hierfür fielen hohe Einmal-Aufwendungen an. Dieser Abschluss spiegelt somit einen gewaltigen Kraftakt wider, mit dem wir Ihr Unternehmen auf eine solide wirtschaftliche Basis stellen. Dieses Unternehmen ist wieder auf dem Weg, jene Ertragsstärke zurück zu gewinnen, die in vielen Jahrzehnten seinen hervorragenden Ruf begründet hat.«

Schrempps Ziel war eine Umsatzrendite von zwölf Prozent. Tatsächlich lief das Geschäft aufgrund einer beachtlichen Modelloffensive in den Folgejahren recht gut, sieht man mal von der zunächst misslungenen Einführung der A-Klasse mit dem berühmt-berüchtigten Elchtest ab. Bis 1997 immerhin verdoppelte sich der Börsenwert der Daimler-Benz AG. Doch die wachsende Börseneuphorie und die Welle von Megafusionen ließen auch den ehrgeizigen Stuttgarter Industriekapitän nicht ruhen. Aufbruch zu neuen Ufern - sprich Internationalisierung - war angesagt. Innerhalb weniger Monate brachte er 1998 die Fusion mit dem US-Autobauer Chrysler unter Dach und Fach - und lobte den Deal bei der Vertragsunterzeichnung überschwänglich:

»Dies ist viel mehr als eine Fusion. Wir haben heute den weltweit führenden Automobilkonzern des 21. Jahrhunderts geschaffen - die DaimlerChrysler Aktiengesellschaft.«

Euphorisch sprach Schrempp von der Hochzeit im Himmel. Er selbst dürfte sich in selbigem gefühlt haben, beflügelt vom Erfolg und den Huldigungen der Laudatoren, die ihn zum Manager des Jahres 1998 kürten. Er habe Zeichen gesetzt - mutig und visionär, lobten die Experten. Obgleich noch unvollendet und keineswegs vor dem Scheitern gefeit, sei der Merger eine beispielgebende und zukunftsweisende Entscheidung gewesen. Das »Stuttgarter Kraftpaket« sei mit diesem Schritt aus der Phalanx der Zauderer und Bedenkenträger ausgeschert. Der Aktienkurs, den Schrempp als besten Gradmesser des Erfolgs bezeichnet hatte, befand sich mit über 100 Euro auf dem Höhepunkt. Der Konzernlenker, der »speed, speed, speed« als Markenzeichen der Integration bezeichnete, wollte den Umsatz von DaimlerChrysler innerhalb eines Jahrzehnts verdoppeln. Doch es kam anders. Schon auf der Hauptversammlung des Jahres 2000 musste der Speed-Manager einräumen:

»Erfolg und Enttäuschung lagen dicht beieinander. Wir haben wichtige strategische Weichen gestellt, und wir wurden mit großen operativen Herausforderungen in Nordamerika konfrontiert. Den hervorragenden Ergebnissen bei Mercedes-Benz - Pkw und den Nutzfahrzeugen - stand ein dramatischer Einbruch bei der ChryslerGroup gegenüber. Wir haben im Unternehmen viel erreicht, aber wir mussten auch Rückschläge hinnehmen. Der Verlauf des Aktienkurses stellt mit Sicherheit keinen von uns zufrieden. Doch in einem insgesamt sehr schwierigen und von Unsicherheiten geprägten Kapitalmarkt haben unsere jüngsten Maßnahmen zu einer gewissen Stabilität unserer Aktie geführt.«

Zu diesem Zeitpunkt gehörte die deutsch-amerikanische Doppelspitze bereits der Vergangenheit an. Der ehemalige Chrysler-Chef und seit der Fusion Co-Chairman, Bob Eaton, hatte das Handtuch geworfen, nachdem bereits zuvor zahlreiche US-Manager aus ihren Ämtern gedrängt worden waren. Ende des Jahres wurde auf Vorschlag Schrempps Dieter Zetsche zum Chef der ChryslerGroup berufen, der später mit harten Bandagen die Sanierung der US-Tochter vorantrieb. »Der Herr der Sterne«, wie Kritiker Jürgen Grässlin in seinem ersten Buch noch wohlwollend titelte, hatte sich unterdessen unnötig Ärger eingehandelt. In einem Interview mit der »Financial Times« erklärte er:

»Wir mussten einen Umweg machen, und das war aus psychologischen Gründen notwendig. Wenn wir gesagt hätten, Chrysler wird eine Abteilung, hätte auf deren Seite jeder gesagt: Wir kommen so auf keinen Fall ins Geschäft. Aber es ist genau das, was ich wollte. Von der Struktur am Anfang haben wir uns zu dem entwickelt, was wir heute sind.«

US-amerikanische Großaktionäre, wie der Milliardär Kirk Kerkorian fühlte sich geleimt. War im Vorfeld von einer Fusion unter Gleichen die Rede, so sahen sie nun eindeutige Zeichen für eine Übernahme Chryslers durch die Deutschen. Obwohl die Klage Kerkorians ohne Erfolg blieb, war sich auch Jürgen Grässlin damals im Interview mit dem Deutschlandfunk sicher:

»Es ist überhaupt nicht überraschend, dass Robert J. Eaton, der im Sommer 1998 mit zusammen Schrempp Co-Chairman wurde - sozusagen gleichberechtigter Vorstandsvorsitzender der DaimlerChrysler AG - nicht lange in dem Amt war und dass viele seiner Vorstände nun gefolgt sind. Wer Schrempp kennt, weiß, dass er bissig ist in diesem Falle, und dass er alle aus dem Weg beseitigt, die ihm im Wege stehen. Das gleiche gilt bei der Fusion. Wenn Herr Schrempp gesprochen hat von einer Übernahme, von einer »Hochzeit im Himmel«, dann war das von vornherein eine geplante Übernahme.«

Trotz des Chrysler-Dilemmas, für dessen Bereinigung der Konzern viel Geld in die Hand nehmen musste, steckte Schrempp nicht zurück; er blieb auf seinem großspurigen Weg - mit dem Ziel Welt AG. Die Präsenz auf den Wachstumsmärkten Asiens war für ihn unverzichtbar. Noch im gleichen Jahr organisierte er die Übernahme einer Drittel-Beteiligung am japanischen Autobauer Mitsubishi und einer Zehn-Prozent-Beteiligung am koreanischen Hyundai-Konzern. Nun glaubte der Konzernchef »optimal die Weltmärkte mit einer kompletten Produktpalette und einer erstklassigen Vertriebsorganisation« abdecken zu können. Mehr noch als das Engagement in den USA geriet der im Sommer 2000 besiegelte Coup in Asien jedoch zum Desaster. Auch die Entsendung von deutschen Krisenmanagern half nicht, den japanischen Konzern aus der Absatz- und Ertragsmisere zu führen. Schrempp ließ sich indes nicht beirren und unterstrich im Frühjahr 2002:

»Wir halten Kurs, weil wir davon überzeugt sind, dass unsere Strategie, Ihr Unternehmen auf die führende Position in der Automobilindustrie bringen wird.«

Aber es half alles nichts. Zwei Jahre später hing der Haussegen immer noch schief. Während sich die Situation bei Chrysler allmählich verbesserte, ohne auch nur annähernd den erwünschten Ertrag zu erreichen, fielen die Verluste bei Mitsubishi höher aus als erwartet. Auf der Hauptversammlung forderten die kritischen Aktionäre von DaimlerChrysler zum wiederholten Mal den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden. Und selbst bei den Profis von den Fondsgesellschaften war der Ärger inzwischen groß. Zum ersten Mal wollten sie sowohl Schrempp als auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper die Entlastung verweigern. Dessen ungeachtet hielt der Daimler-Chef noch immer trotzig dagegen:

»Bei einem operativen Problem ändern wir nicht die Strategie, sondern bringen das Geschäft in Ordnung. Als strategischer Partner von Mitsubishi Motors unterstützen wir das Unternehmen bei der Aufstellung des neuen Geschäftsplans. Ende April soll der Plan vorliegen. Er wird für uns wie auch für die anderen Aktionärsgruppen die Entscheidungsgrundlage für die weitere Vorgehensweise sein.«

Als allerdings klar wurde, dass weitere Milliarden zur Sanierung von Mitsubishi notwendig wurden, kam es zum Aufstand im Vorstand. Im Gegensatz zum Konzernchef wollte die Mehrheit keine weiteren Finanzhilfen zur Verfügung stellen. Schrempp trat die Flucht nach vorne an und unterbreitete dem Aufsichtsrat den Vorschlag, auf die geforderte Kapitalspritze für Mitsubishi zu verzichten und somit das japanische Engagement aufzugeben. Doch der Konzern kam nicht zur Ruhe. Während sich Chrysler dank Zetsches hartem Sanierungskurs auf einem zunehmend ansteigenden Weg befand, geriet die Mercedes Car Group urplötzlich in Schwierigkeiten.

Das Vorzeigeunternehmen, das jahrelang mit seinen Milliardengewinnen das Unternehmen über Wasser gehalten hatte, geriet selber ins Trudeln. Der schwache Absatz des Smart und Qualitätsmängel bei der C- und der E-Klasse führten zu zunehmenden Problemen. Ein drastischer Gewinneinbruch war die Folge, wie Schrempp bei der diesjährigen Bilanzpressekonferenz einräumen musste. Am schlimmsten muss indes für »Mr. Shareholder Value« gewesen sein, dass der Aktienkurs bis 2003 wieder auf rund 30 Euro, den Stand von 1995, gefallen war. Statt den Unternehmenswert zu steigern, war dieser seit 1998 um gut 50 Milliarden Euro gesunken. Schrempp wird deshalb als »größter Kapitalvernichter aller Zeiten« bezeichnet. Bis zu seiner Rücktrittsankündigung verharrte der Kurs der DaimlerChrysler-Aktie auf seinem niedrigen Niveau, um dann um rund zehn Euro nach oben zu springen.

Es ist wohl müßig, darüber zu spekulieren, ob Jürgen Schrempp nun unfreiwillig gegangen ist, wie Jürgen Grässlin vermutet, oder freiwillig den Rückzug angetreten hat, wie der Auto-Experte Dudenhöffer meint. Vielleicht ist ihm der Schritt ins Privatleben nach dem jahrelangen Beschuss tatsächlich jetzt leichter gefallen, weil es nunmehr im Konzern wieder relativ gut zu laufen scheint. Angesichts der vielen Fehlentscheidungen war sein Schritt jedenfalls überfällig. Weitere viele tausend Arbeitnehmer aber werden mit ihm ausscheiden und die Verbleibenden Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Denn das Missmanagement bei Daimler macht Kosteneinsparungen und weitere Verkäufe von Konzern-Töchtern, wie die jetzt von MTU, unumgänglich. Die Aktionäre indes schauen nun in eine rosigere Zukunft, wenn zutreffen sollte, was ein Analyst gestern im Deutschlandfunk ankündigte:

»Wir setzen momentan von der BAF-Bank nach wie vor auf die Restrukturierungskandidaten. Unser Topik für das nächste Jahr ist DaimlerChrysler, an zweiter Stelle würde ich sagen Volkswagen. Eher die Restrukturierungsfälle, weil bei diesen die Performance am besten ist in der Regel.«