Zu Artikel zu Jürgen E. Schrempp
Artikel »Daimler unter Beschuß« in junge Welt
vom 04.04.2005
von Jürgen Grässlin
Am Mittwoch dieser Woche findet die 7. ordentliche Hauptversammlung der DaimlerChrysler AG in der Messe Berlin statt. Erwartet werden wieder rund 10000 Aktionäre. Die allermeisten werden das Schauspiel mehr oder minder geduldig über sich ergehen lassen, manche ausschließlich an den Qualitätsmängeln oder der unzureichenden Dividende herummäkeln. Die Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) dagegen legen mit ethisch motivierten Fragen den Finger in offene Wunden beispielsweise in die der Waffenproduktion. Der Konzern stellt eben nicht nur Luxuslimousinen her, sondern auch Atomwaffenträger, Minenverlegesysteme, Kampfflugzeuge und -hubschrauber was mittlerweile selbst das UN-Kinderhilfswerk UNICEF auf den Plan ruft. Als weltweit siebtgrößter Rüstungsproduzent profitiert Daimler von Kriegen in der Welt.
Rückrufaktionen
Wer sich mit DaimlerChrysler beschäftigt, entdeckt mehr ernst zu nehmende Problemfelder, als der Konzern Vorstandsmitglieder hat. Manche Fragen werden auf den Titelseiten der bürgerlichen Presse erörtert, andere totgeschwiegen. Topthema dieser Tage ist die größte Rückrufaktion von Mercedes-Fahrzeugen in der Firmengeschichte. Im Rahmen einer »Qualitätsoffensive« müssen mehr als 1,2 Millionen Fahrzeuge der Baureihen vom Juni 2001 bis November 2004 in den Werkstätten aufgepäppelt werden. Kostenpunkt: geschätzte 500 Millionen . Auch beim Smart brennt derzeit die Bude, denn mit dem Minimobil sind bislang 2,6 Milliarden Euro in den Sand gesetzt worden, weitere 1,2 Milliarden müssen für Umstrukturierungsmaßnahmen veranschlagt werden. Seit 1999, dem Jahr eins nach Übernahme der Chrysler Corporation, und mit der darauffolgenden und gescheiterten Beteiligung an Mitsubishi fiel der Aktienkurs um zwei Drittel auf 35 Euro. Die Dividende stagniert bei 1,50 . Dramatisch aber ist der Arbeitsplatzabbau: die Zahl der Beschäftigten wurde um 82215 auf 384723 vermindert. Zu Recht wählte das Wirtschaftsmagazin Business Week Daimler-Chef Jürgen Schrempp im Januar 2004 zum »Schlechtesten Manager des Jahres«.
Wie aber werden Manager entlohnt, die selbst aus Sicht des Kapitals versagt haben? Bei DaimlerChrysler fällt die Antwort schwer, denn die Gehaltszuwendungen setzen sich aus drei Variablen zusammen und werden lediglich zum Teil und das auch noch in einem Pauschalbetrag veröffentlicht. So erhielten die zwölf Vorstände (von denen zwei im Laufe des letzten Jahres ausschieden) zusammen offiziell 31,6 Millionen an Gehältern. Das war ein Viertel weniger als im Vorjahr, noch 2001 hatten die Manager allerdings »nur« 22 Millionen kassiert. Die Frage, was Schrempp 2004 als Vorstandsvorsitzender erhalten hat, wird mit Rückendeckung des Aufsichtratsvorsitzenden Hilmar Kopper von der Deutschen Bank verschwiegen. Ernst zu nehmende Quellen gehen davon aus, daß Schrempp 2004 insgesamt neun Millionen Euro »verdient« hat. Unter anderem wegen der fehlenden Ausweisung der Einzelgehälter im Vorstand beantragen die Kritischen Aktionäre auf der Hauptversammlung die Nichtentlastung des Aufsichtsrats. Zudem stellen sie mit Marion Struck-Garbe, Greenpeace-Referentin für Frieden und Umwelt, eine kompetente Frau als Gegenkandidatin zu Arnaud Lagardère, der als EADS-Lobbyist die Luft- und Raumfahrtinteressen im Daimler-Aufsichtsrat durchsetzen soll.
Rüstungsriese
Die seit Jahren von Vorstandsseite versprochene Konzentration aufs Kerngeschäft der Fahrzeugfertigung ist ausgeblieben. Längst sind DaimlerChrysler und seine Beteiligungsgesellschaften zum Gemischtwarenladen verkommen, in dem neben überdimensionierten Maybach- und defizitären Smart-Mobilen, unattraktiven Mitsubishi- und qualitätsgeminderten Mercedes-Fahrzeugen auch menschenverachtende Minenverlegesysteme und Atomwaffenträger hergestellt werden. Mit der mehr als 30prozentigen Beteiligung am Rüstungsriesen EADS ist Daimler maßgeblich an der Fertigung des Eurofighters, des Kampfhubschraubers NH90 und des Militärtransporters A400M beteiligt. Zum Jahresende 2004 erhielt die EADS vom französischen Verteidigungsministerium einen Auftrag zur Produktion neuer Trägerraketen für M51-Atomsprengköpfe. Ab 2010 sollen diese auf vier französischen Atom-U-Booten stationiert werden. Daimler/EADS leistet damit einem neuen atomaren Wettrüsten Vorschub.
Totgeschwiegen werden auch die China-Exporte des Konzerns bzw. seiner Beteiligungsgesellschaften. So dokumentierte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI die Lieferung von Motoren der Daimler-Tochter MTU Friedrichshafen für chinesische U-Boote der SONG-Klasse. Auch chinesische Kriegsschiffe sind mit MTU-Motoren bestückt als »Dual-Use-Güter« zivil exportiert und militärisch eingesetzt. Geht es nach dem Willen von Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem einflußreichsten EADS-Handlanger, dann können mit dem Wegfall des EU-Waffenembargos auch A400M-Militärtransportflugzeuge ganz legal nach China geliefert werden. Motto: Menschenrechte? Nein danke! Dies gilt auch für die teilweise Verhinderung der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen, verübt durch Mitarbeiter des Konzerns zu Zeiten der argentinischen Militärdiktatur und die Frage der Verflechtung von Mercedes-Benz mit dem südafrikanischen Apartheidsystem auch dies Themen, die die KADC auf der Hauptversammlung anprangern werden.
DaimlerChrysler in Zahlen
* Umsatz
1996: 100 Mrd.
2000: 160 Mrd.
2004: 142 Mrd.
* Umsatz nach Segmenten
Chrysler Group: 49,5 Mrd.
Mercedes Car Group: 49,63 Mrd.
Nutzfahrzeuge: 34,76 Mrd.
* Verkaufte Fahrzeuge
Chrysler Group: 2,78 Mio.
Mercedes Car Group: 1,23 Mio.
Nutzfahrzeuge: 0,71 Mio.
* Gewinn
1996: 6,2 Mrd.
2000: 9,75 Mrd.
2004: 5,75 Mrd.
* Beschäftigte
1996: 419 758
2000: 449 594
2004: 384 723
* Beschäftigte nach Segmenten
Chrysler Group: 84 375
Mercedes Car Group: 105 857
Nutzfahrzeuge: 114 602
* Jürgen Grässlin ist Autor zahlreicher Bücher über den Daimler-Benz-Konzern. Er ist Sprecher der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC), Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Vorstandsmitglied des RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.)
*** Kritische AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC), c/o Paul Russmann, Ohne Rüstung Leben, Arndtstraße 31, 70197 Stuttgart, Tel. 0711/608396
Holger Rothbauer
Kein Partner für UN-Kinderhilfswerk
UNICEF verweigert Kooperation mit
DaimlerChrysler-Konzern wegen dessen
Rüstungsbeteiligungen
Seit Jahren prangern die Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) Werbung für die Minen MIFF (»Mine-Flach-Flach«) und MUSPA (»Splitter-Flächensperrmine«) durch die Daimler/EADS-Beteiligungsfirma RTG-Euromunition an. Einen Image-Super-GAU stellt die nunmehr bekannt gewordene Verweigerung von UNICEF dar, mit Daimler zusammenzuarbeiten. In einer dem KADC vorliegenden Stellungnahme von UNICEF-International wird festgestellt, daß Daimler für das UN-Kinderhilfswerk wegen seiner Eigentümerstellung bei der EADS und der RTG-Euromunition derzeit weder als Partner noch als Verbündeter in Frage kommt. Dies basiert auf den UNICEF-Regeln, in denen es heißt, die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, das sich im Bereich der Rüstung und Waffenproduktion engagiert, sei ausgeschlossen. UNICEF hat nach gründlicher Recherche Daimler als ein solches Rüstungsunternehmen mit Minenproduktion identifiziert. Aufgrund der Beteiligungen an EADS und RTG Euromunition, die unter anderem für die Minenprodukte MIFF und MUSPA verantwortlich zeichnen, lehnt UNICEF eine Kooperation mit DaimlerChrysler ab. Das Pentagon und das italienische Verteidigungsministerium zählen die MUSPA zu den Minen, die nach dem Ottawa-Abkommen geächtet sind und zerstört werden müssen.
Auf Nachfrage der KADC bei der letztjährigen Hauptversammlung behauptete der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper, der Konzern sei seit 2003 wieder auf der Lieferliste von UNICEF. Diese Äußerung beruht indes allein auf der von Daimler selbst gegenüber UNICEF abgegebenen Verpflichtungserklärung, sich nicht mehr in der Herstellung und Produktion von Minen zu betätigen. Diese Erklärung wird derzeit von UNICEF überprüft. Noch im Januar 2005 hat das Unternehmen aber die beiden Minentypen MIFF und MUSPA unter den Namen PAAS und PATS im Internet angeboten und erst im Februar den Zugriff für öffentliche Nutzer gesperrt.
Über 80 Prozent der Opfer in den gewaltsamen Konflikten auf der Welt sind Kinder und Frauen. Oftmals kommen dabei auch die von Daimler und seinen Beteiligungsfirmen in alle Welt exportierten Waffen zum Einsatz. Die eindeutige Verweigerung von UNICEF ist ein desaströser Imageschaden für Daimler, der nur durch einen sofortigen Ausstieg aus der Rüstungs- und Minenproduktion entschärft werden kann.
* Der Autor ist Sprecher der KADC