Beitrag zum Buch »Der dritte Golfkrieg -
Idealer Nährboden für weitere Terroranschläge«
im Buch »NO WAR«, Knaur-Verlag 2003
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»Der dritte Golfkrieg - Idealer Nährboden für
weitere Terroranschläge«
Beitrag für das Buch »NO WAR«, Redaktionsschluss am 07.12.2003
Sie ist wieder da, doch welche Positionen bringt die deutsche Friedensbewegung gegen den
Irak-Krieg vor? Ein Standpunkt des Bundessprechers der DFG-VK, der Deutschen
Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen.
Nach den Terroranschlägen gegen das World Trade Center und das
Pentagon vom 11. September 2001 schmiedete George W. Bush das Staatenbündnis gegen den
Terror. Der US-Präsident wollte Al-Qaida-Führer Usama bin Laden »tot oder lebend«
haben, erklärte den Iran, Irak und Nordkorea zur »Achse des Bösen« und damit zu
potenziellen Kriegszielen. Das Taliban-Regime in Afghanistan, dessen Warlords früher so
manche Waffenlieferung aus den USA erhalten hatten, konnte vom US-Militär zwar mit Hilfe
des deutschen Kommando Spezialkräfte (KSK) entmachtet werden, doch die eigentlichen
Kriegsziele wurden nicht erreicht: Das Al-Qaida-Netz funktioniert noch immer, seine
Mitglieder verüben weiterhin Terroranschläge, Bin Laden ist nach wie vor auf freiem Fuß
und Afghanistan bis heute nicht befriedet.
Nur mit Mühe kann Bush die militärischen Misserfolge im Kampf gegen den Terror
kaschieren, umso mehr benötigt er schnelle sichtbare Erfolge. Im Vorfeld des Wahlkampfs
zu den 2004 stattfindenden US-Präsidentschaftswahlen hat er deshalb den wirtschaftlich
wie militärisch schwachen Irak zum Hauptfeind der USA erklärt und der US-Armee den
Aufmarschbefehl erteilt. Mit dem militärisch starken Nordkorea, von dem im
Gegensatz zum Irak eine ernst zu nehmende Bedrohung des Weltfriedens ausgeht, will
sich Bush hingegen lieber auf dem Verhandlungswege einigen.
Der dritte Golfkrieg - Deutschlands
Friedensbewegung macht mobil
Nach den Erfolgen der Achtziger Jahre
fehlte der bundesdeutschen Friedensbewegung der breite gesellschaftliche Zuspruch. Doch im
Vorfeld des drohenden Kriegs am Golf bewährte sich, dass die Strukturen aufrecht erhalten
wurden und die Friedensbewegung deswegen Anfang 2003 mobil machen konnte: Bei einer
beachtlichen Zahl lokaler und regionaler Antikriegskundgebungen, gewaltfreien
Blockadeaktionen vor Einrichtungen der amerikanischen und britischen Armee in Deutschland
und den selbst international viel beachteten Großkundgebungen in München und Berlin wies
sie auf die Gefahren des Angriffskriegs gegen den Irak hin.
Während sich die Rot-Grüne Bundesregierung im Verbund mit den französischen Partnern
äußerst kritisch über die Pläne einer US-Intervention äußerte, unterstützte sie
zugleich die Kriegsvorbereitungen der amerikanischen Streitkräfte auf deutschem
Territorium.
So stellen sich folgende Schlüsselfragen: Welche Gründe sprechen aus Sicht der deutschen
Friedensbewegung gegen einen Angriffskrieg auf den Irak? Ist die Bundesregierung
tatsächlich so friedensbewegt, wie sie sich gerne gibt? Welche Schlussfolgerungen ergeben
sich aus den Antworten auf diese Fragen?
Der dritte Golfkrieg zur Begleichung der offenen
Rechnung der Familie Bush
Nach der Besetzung Kuwaits durch
irakische Streitkräfte am 2. August 1990 begann am 17. Januar 1991 der zweite Golfkrieg
(der erste hatte von 1980 bis 1988 zwischen dem Iran und dem Irak getobt). Eine
Militärallianz von rund 30 Staaten bombardierte unter Führung der US-Army, die den
Einsatzbefehl von US-Präsident George Bush erhalten hatte, zivile wie militärische Ziele
im Irak und in Kuwait. Die »Operation Wüstensturm« (Desert Storm) endete nach 43
Kriegstagen mit der militärischen Niederlage der irakischen Armee.
Allerdings musste die US-Army auf Geheiß der UNO auf die Einnahme Bagdads verzichten. Die
Vereinten Nationen hatten weder den USA noch ihren Verbündeten den Sturz des
Hussein-Regimes und einen Regimewechsel genehmigt, sondern lediglich die Befreiung Kuwaits
autorisiert. George Bush handelte im Einklang mit dem Völkerrecht, als er entgegen
dem Drängen führender US-Militärs auf den »Marsch nach Bagdad« verzichtete.
Saddam Hussein blieb im Amt und nutzte fortan jede Gelegenheit, die USA zu provozieren
allen voran US-Präsident George Bush. Nichts wäre seinem Sohn George W. Bush
lieber, als diese durch die UN-Vorgabe provozierte Familienschmach mit einer
militärischen Intervention und dem Sieg über Saddam Hussein auszumerzen.
Der dritte Golfkrieg ist ein gewollter Krieg der US-Regierung
Nach dem zweiten Golfkrieg sollte der
Irak sämtliche Massenvernichtungswaffen sowie seine ballistischen Flugkörper mit einer
Reichweite von mehr als 150 Kilometern vernichten. Doch die USA äußerten Zweifel daran,
ob die irakische Regierung diesen Beschluss der Vereinten Nationen vollständig umgesetzt
habe, zumal die UN-Waffeninspekteure 1998 des Landes verwiesen worden waren.
Am 8. November 2002 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat seine Resolution 1441. Der Leiter
der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) Mohamed El-Baradei und
UN-Chefinspektor Hans Blix wurden im Rahmen der UNMOVIC-Mission mit der Überprüfung der
vollständigen Vernichtung des irakischen ABC-Waffenarsenals beauftragt. In ihrem im
Januar 2003 vorgelegten Zwischenbericht konnten sie nach 60-tägiger Recherche allenfalls
die mangelnde Unterstützung des Iraks bei den Waffeninspektionen beklagen, vor der UNO
jedoch keine schlüssigen Beweise für die Existenz irakischer Massenvernichtungsmittel
vorlegen. Blix und El-Baradei forderten mehr Zeit für ihre Inspektionen.
In Deutschland wies der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter
Strutynski, anlässlich des UN-Berichts darauf hin, »dass es in der Geschichte der
Vereinten Nationen keinen anderen Fall gegeben« habe, wo ein Land von der Größe Iraks
»so gründlich und weitgehend abgerüstet wurde, wie dies zwischen 1991 und 1998
geschehen« sei. Noch nie habe es »ähnlich penible Kontrollen des Abrüstungsprozesses«
gegeben. Deshalb gebe es auch »keinen Grund, diese Arbeit jetzt abzubrechen«.
Dagegen drohte US-Präsident George W. Bush, die Entscheidung über einen Militäreinsatz
werde »innerhalb von Wochen, nicht von Monaten« fallen. Zu diesem Zeitpunkt war der
Aufmarsch der US-Streitkräfte am Golf noch nicht abgeschlossen, und er benötigte nur
noch wenige Wochen dafür. Um den psychologischen Druck auf den Sicherheitsrat der UNO zu
erhöhen, wollte Washington eigene »Beweise« vorlegen, die als Legitimation
genauer gesagt als Alibi für einen Angriffskrieg dienen sollten. Wenn die
UN-Waffeninspekteure keine Massenvernichtungswaffen finden konnten, mussten die Amerikaner
eben selbst die »Beweise« für deren Vorhandensein erbringen.
Der dritte Golfkrieg stärkt die Macht der USA und
schwächt die UNO
Mit dem Angriff auf den Irak
brüskieren die USA und ihre Verbündeten die Arbeit und Ziele der Vereinten Nationen. In
ihrer Charta verpflichten sich die Mitgliedstaaten, »künftige Geschlechter vor der
Geißel des Krieges zu bewahren« (Artikel 1). Sie setzen sich das Ziel, »den Weltfrieden
und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame
Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu
beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und
internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen
könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des
Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen«.
Nimmt die US-Regierung die Charta der Vereinten Nationen auch nur im Ansatz ernst, so muss
sie den UN-Waffeninspekteuren die Zeit geben, die diese brauchen. Auf keinen Fall darf sie
ihre neue Strategie mit der Durchführung »präventiver Militärschläge« (Preemptive
Strike) und der Option gezielter Atomschläge anwenden, um ihre außenpolitischen,
militärischen oder wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Denn dies stünde in einem
eklatanten Widerspruch zu den Friedenszielen der UNO.
Der dritte Golfkrieg ist ein Krieg für Öl
Noch bevor UN-Waffeninspektor Blix
seinen Zwischenbericht über die Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak vorgelegt
hatte, trafen sich Vertreter der US-amerikanischen und britischen Erdölindustrie, um
bereits die Aufteilung der irakischen Erdölfelder zu besprechen. Auch Russland spekuliert
auf milliardenschwere Gewinne durch die garantierte Abnahme des eigenen Öls durch die
USA.
Öl ist der Treibstoff der Weltwirtschaft und für die großen Industrienationen
lebenswichtig. Besonders die Vereinigten Staaten mit ihrem völlig überzogenen
Lebensstandards haben Maßnahmen zu einem wirksamen Klimaschutz und zur Energieeinsparung
verhindert. So wundert es wenig, dass die Neuordnung der arabischen Ölstaaten
beziehungsweise der Zugriff auf die irakischen Erdölfelder ein, wenn nicht sogar das
zentrale Motiv für den dritten Golfkrieg ist.
'Der US-Regierung gehören zahlreiche Politiker an, die früher für die Erdölindustrie
gearbeitet haben. So war George W. Bush von 1978 bis 1984 Manager der Ölfirmen Arbusto
Bush-Exploration und von 1986 bis 1990 von Harken.
Drei Viertel der Welterdölreserven liegen im Nahen Osten, nach Saudi-Arabien ist der Irak
die zweitgrößte Erdölnation der Region, (zu den bekannten bzw. erkundeten Lagerstätten
kommen noch die vermuteten Lagerstätten hinzu). »Ja, es geht ums Öl«, kommentierte
denn auch der New York Times-Kolumnist Thomas Friedman.
Der dritte Golfkrieg führt zur humanitären
Katastrophe
Schon im zweiten Golfkrieg hatte
hauptsächlich die Zivilbevölkerung gelitten, zwischen 85 000 und 100 000 Iraker
vornehmlich Zivilisten kamen bei den Militärangriffen ums Leben. Auch bei den seit
1991 stattfindenden Bombardierungen von militärischen Anlagen des Iraks durch
amerikanische und britische Flugzeuge sind immer wieder zahlreiche Zivilopfer zu beklagen
- Opferzahlen werden verschwiegen.
Seit Jahren herrscht im Irak eine humanitäre Katastrophe. Das US-Embargo gegen den Irak
hat in den vergangenen Jahren bittere Not und Hunger unter der Zivilbevölkerung bewirkt,
Hunderttausende Kinder sind bereits gestorben, der Hass ist gewachsen allen voran
gegen die USA.
Für den Fall einer Militärintervention fürchtete amnesty international (ai) »mit hoher
Wahrscheinlichkeit eine humanitäre Krise« und forderte deshalb eine Lösung, »die zu
einer Verbesserung der Menschenrechtssituation im Irak und nicht zu einer
Verschlechterung, zu einem unnötigen Verlust von Leben und vermehrtem Leid« führen
werde.
Die Zahl der »Kollateralschäden«, wie die Militärs die in Kauf genommenen
»Nebenwirkungen« (wie zum Beispiel getötete Zivilisten) nennen, ist allenfalls zu
schätzen. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) gehen
von »Hunderttausenden Toten« aus, die vor allem bei der Schlacht um Bagdad der
irakischen Hauptstadt mit fünf Millionen Einwohnern fallen werden.
Der dritte Golfkrieg stärkt den internationalen
Terrorismus
Kein Kind wird als Terrorist geboren.
Soll der Krieg gegen den Irak tatsächlich dem Kampf gegen den Terror dienen, so ist er
das falscheste aller möglichen Mittel. Wer dem international wachsenden Terrorismus den
Boden entziehen will, muss den Hunger und die Armut bekämpfen, muss Schulen,
Krankenhäuser und Altenpflegeheime bauen, muss allen Menschen ein menschenwürdiges Leben
geben und hierzu eine gerechte Weltwirtschaftsordnung schaffen.
Wer Krieg gegen den Irak führt, gießt Öl ins Feuer des internationalen Terrorismus. Mit
den Opfern werden neue Märtyrer geschaffen, wird neuer Hass gesät, werden neue
Terroristen geschaffen. Militärisch gesehen ist der Irak eine schwache Nation, die
Niederlage auf dem Schlachtfeld eine Frage der Zeit. Seine Stärke liegt allenfalls in
einem Heer von Selbstmordattentätern, die in den Jahren danach weltweit Anschläge
verüben und damit neuen Hass säen werden. Aus dem Krieg gegen den Irak droht ein
Flächenbrand zu werden, der sich nicht löschen lassen wird. Die Eskalationsgefahr ist
unkontrollierbar.
Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage, die die deutsche Sektion der Ärzteorganisation
IPPNW in Auftrag gegeben hatte, meinten Mitte Januar 2003 zwei Drittel der Bundesbürger,
ein Krieg gegen den Irak würde »den weltweiten Terror eher noch verstärken«; nur fünf
Prozent hielten Krieg für ein geeignetes Mittel, um den Terrorismus einzudämmen.
Der
dritte Golfkrieg lässt die deutsche Regierung schwanken
Früh und scheinbar erfreulich
deutlich hatte sich die Rot-Grüne Bundesregierung festgelegt: Deutschland werde sich
nicht an einer militärischen Intervention beteiligen, ließ Gerhard Schröder wiederholt
verlauten. Oberstes Ziel, so der Bundeskanzler, sei die Entwaffnung des irakischen Regimes
ohne Krieg. Und die Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, ebenfalls SPD,
erklärte, dass man »Frieden nur mit zivilen Mitteln sichern« könne.
Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) warnte derweil vor »unkalkulierbaren
Risiken« bei einem Militärschlag. Bündnis 90/Die Grünen erklärten sich selbst gar zur
»Speerspitze der Friedensbewegung«.
Die Realität: Sie sieht anders aus! Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.
Seitdem die Bundesregierung den US-Bitten nachgekommen ist, nimmt Deutschland in den
Kriegsplänen der Vereinigten Staaten eine zentrale Rolle ein: durch den reibungslosen
Transit der US- und NATO-Truppen, die Teilnahme von Bundeswehrsoldaten an
AWACS-Überwachungsflügen, die ungehinderte Nutzung der amerikanischen
Militäreinrichtungen auf deutschem Territorium (z.B. Abzug von US-Einheiten aus
Grafenwöhr in die Golfregion) sowie deren Schutz durch Bundeswehrsoldaten. Das European
Command (EUCOM) in Stuttgart-Vaihingen ist eine der wichtigsten US-Kommandozentralen für
Einsätze gegen den Irak. Deutsche ABC-Soldaten sind mit Spürpanzern vom Typ Fuchs in
Kuwait stationiert und sollen im Kriegsfall zum Einsatz kommen.
Beim NATO-Gipfel in Prag sagte Bundeskanzler Schröder im November 2002 zu, dass sich
Deutschland an der neuen weltweit operierenden NATO-Eingreiftruppe (NRF NATO
Response Force), der insgesamt 21 000 Elitesoldaten von NATO-Staaten angehören sollen,
beteiligen werde. Ganz im Sinne der neuen US-Doktrin der im September 2002 von
George W. Bush in Kraft gesetzten Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten
von Amerika könnten also zukünftig auch Bundeswehrsoldaten im Rahmen der
Interventionstruppe für »präventive« Angriffskriege zum Einsatz kommen.
Der dritte Golfkrieg stellt eine völkerrechts-
und grundgesetzwidrige
Handlung dar
Völkerrechtler sehen in der
UN-Resolution 1441 noch keine Legitimation eines Angriffskriegs gegen den Irak und damit
einen drohenden Bruch des Völkerrechts, sollte es dennoch zum Krieg kommen. Auch ältere
Resolutionen (wie die UN-Resolution 678 vom November 1991, mit der der Allianz zur
Befreiung Kuwaits der Einsatz »aller erforderlichen Mittel« gestattet worden war)
können mittlerweile nicht mehr zur Rechtfertigung eines »Präemptivkriegs« angeführt
werden. Sollte keine zweite UN-Resolution im Frühjahr 2003 einen Angriff gegen den Irak
legitimieren, würden die USA und ihre Alliierten einen völkerrechtswidrigen Krieg
führen.
Aus juristischer Sicht wäre Deutschland damit in vielfacher Hinsicht in einen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg involviert (Überflugrechte im deutschen Luftraum,
Zwischenlandungen auf der Rhein-Main-Airbase, Transport von US-Truppen und -Waffen aus
Deutschland ins Kriegsgebiet, Nutzung der Kommando- und Kommunikationseinrichtungen auf
deutschem Territorium etc.).
Deutsches Recht verbietet einen Angriffskrieg. Laut Artikel 26 Absatz 1 Grundgesetz sind
»Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche
Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges
vorzubereiten, verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.« Auch der
NATO-Vertrag und dessen Zusatzabkommen reichen nicht zur Begründung eines Angriffskriegs
gegen den Irak.
Ein brisantes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags warf im Februar
2003 die Frage auf, ob sich die Bundesregierung für den Fall eines Angriffs der US-Army
ohne explizit erklärtes UN-Mandat strafbar mache oder nicht. Selbst wenn die
Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat gegen den Irak-Krieg stimmt, leistet sie aktive
und passive Kriegsunterstützung.
»Deutschland beteiligt sich bis knapp unterhalb der Grenze des Mitschießens und
Mitbombens und wird Kriegspartei«, so das Fazit von Manfred Stenner, Geschäftsführer
des Netzwerks Friedenskooperative in Bonn. Das ist auch die Meinung des
Bundessprecherkreises der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Dieser bewertete das Verhalten der Bundesregierung als
rechtswidrig und erstattete im Januar 2003 Strafanzeige gegen den Bundeskanzler wegen
Unterstützung eines Angriffskrieges. Die DFG-VK rief die Bürgerinnen und Bürger der
Bundesrepublik Deutschland dazu auf, ebenfalls Strafanzeige zu erstatten.
Wer Frieden schaffen will, muss Frieden praktizieren und friedenschaffende Maßnahmen im
eigenen Land umsetzen. Im Klartext heißt das, dass Deutschland den USA und ihren
Alliierten (insbesondere Großbritannien) jegliche Unterstützung beim Irak-Krieg versagen
muss.
Neben der begründeten Ablehnung des Angriffskriegs im UN-Sicherheitsrat, muss die
Bundesregierung bereits erteilte Unterstützungszusagen zurücknehmen (Überflugsrechte
für US-Militärmaschinen etc.), muss die Bewachung der US-Kasernen durch
Bundeswehreinheiten verweigern, darf keine AWACS-Flugzeuge und keine deutschen Soldaten
entsenden, muss den Abzug der Spürpanzer Fuchs aus Kuwait und der Bundesmarine aus dem
Golf von Aden anordnen.
Der dritte Golfkrieg muss verhindert und
Demokratie mit den Mitteln
der Demokratie herbeigeführt werden
Völlig unstrittig ist in der
deutschen Friedensbewegung, dass das Regime von Saddam Hussein schwerste
Menschenrechtsverletzungen begangen hat und begeht. Amnesty International beklagt
die Praxis des »Verschwindenlassens, extralegale Hinrichtungen und andere Formen
staatlichen Mords, Massenmord an Zivilisten unter Einsatz chemischer Waffen, systematische
Folter« sowie die »Rekrutierung von Kindern in die bewaffneten Streitkräfte«. Keine
Frage: Saddam Hussein ist ein Massenmörder, dessen Terrorregime sich vor allem gegen
politische Oppositionelle und die irakischen Kurden richtet, aber auch Nachbarländer wie
den Iran und Kuwait bedroht.
In vielen Stellungnahmen haben deutsche Friedensorganisationen ihre Solidarität mit den
Not leidenden Menschen bekundet, seit Jahren fordern sie einen demokratischen Wandel im
Irak. Doch dieser kam bislang auch deshalb nicht zustande, weil das Regime in Bagdad
russische und US-amerikanische Waffen sowie deutsches Know-how erhielt.
Washington gibt vor, den Menschenrechtsverletzter Saddam Hussein »dead or alive« aus dem
Amt befördern und seinen Machtapparat durch eine demokratisch legitimierte Regierung
ablösen zu wollen. Dabei waren es gerade die USA, die zu Zeiten des ersten Golfkriegs
(1980 bis 1988) Hussein im Krieg gegen Iran hochgerüstet hatten. Wollten sie alle
Diktatoren und Scheindemokraten beseitigen, so müssten sie »Präventivkriege« gegen
rund dreißig undemokratische Regierungen führen, die sie nicht selten geduldet,
gestützt, an der Macht gehalten oder gar selbst installiert haben. Wiederholt stürzten
US-Militärs im Auftrag ihrer Präsidenten demokratisch gewählte Regierungen (Guatemala,
Chile etc.), ersetzten einen Diktator durch einen anderen oder förderten
scheindemokratische Regierungen mit ehemaligen Menschenrechtsverletzern (Iran, Afghanistan
etc.), belieferten westlich orientierte Diktatoren mit Waffen und finanzierten deren
Machterhalt (Pakistan u.a.). Die Verantwortlichen in Washington zählen zu denen, die am
wenigsten für sich in Anspruch nehmen dürfen, »humanitäre Kriege« ein
Widerspruch in sich selbst führen zu dürfen.
Wer Demokratie im Irak will, der muss dies mit demokratischen Mitteln erreichen und
das setzt voraus, dass eine Mehrheit der Bevölkerung diesen Wandel mitträgt.
Statt einem drittem Golfkriegs: Einsatz für eine
gerechte Weltwirtschaftsordnung
Der Krieg der USA und ihrer
Verbündeten gegen das menschenrechtsverletzende Regime im Irak war von Anfang an gewollt,
gleichgültig, wie das Untersuchungsergebnis der UN-Waffenkontrolleure ausfällt. Tausende
von verstümmelten und getöteten Zivilisten wurden dabei wissentlich in Kauf genommen.
Ziel war die Einsetzung eines willfährigen Regimes, das vor allem den Vereinigten Staaten
den Zugang zu den weltweit größten Erdöllagerstätten ermöglichen sollte. Zur
Legitimierung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs wurde die Menschenrechtsfrage
instrumentalisiert.
Dabei steht zu befürchten, dass der Krieg gegen den Irak lediglich ein Zwischenschritt
zur Globalisierung von Krieg sein, neuerlichen Hass schüren und weitere militärische
Auseinandersetzungen nach sich ziehen wird. Erst eine gerechte Weltwirtschaftsordnung
bislang von den Regierungen der reichen Staaten und Multis mit Erfolg verhindert
würde den Wandel zum Positiven bringen. Schon wenn man die auf 50 bis 200
Milliarden US-Dollar veranschlagten Kriegskosten einsetzte, wäre als
Entwicklungshilfegelder eine entscheidende Investition in den Frieden erreicht!
Deshalb fordert die DFG-VK im Schulterschluss mit der internationalen Friedensbewegung
darunter vielen Gruppen in den USA: Nein zum Krieg gegen den Irak! No War!
Beitrag für:
Harenberg, Karl-Heinz und Marc Fritzler (Hrsg.): »NO WAR. Krieg ist nicht die Lösung,
Mr. Bush!«, Knaur-Verlag München 2003, ISBN 3-426-77711, S. 104 ff
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