Zu Artikel zu Rot-Grüner Bundesregierung
von Jürgen Grässlin
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
wir haben uns heute in Mainz versammelt, um gegen den Besuch des US-Präsidenten George W. Bush in der Domstadt zu demonstrieren. Als Friedensbewegung haben wir vor einem Krieg gegen den Irak - dem dritten Golfkrieg - gewarnt. Ich selbst habe in einem Beitrag zum Buch »NO WAR« im Dezember 2003, also frühzeitig vor Kriegsbeginn, folgende Thesen formuliert:
- Der dritte Golfkrieg ist ein gewollter Krieg der US-Regierung.
- Dieser Krieg stärkt die Macht der USA und schwächt die der UNO.
- Dieser Krieg ist ein Krieg für Öl.
- Dieser Krieg führt zur humanitären Katastrophe.
- Dieser Krieg lässt die deutsche Regierung schwanken.
- Dieser Krieg stellt eine völkerrechts- und grundgesetzwidrige Handlung dar.
- Der dritte Golfkrieg stärkt den internationalen Terrorismus und bereitet den Nährboden für weitere Terroranschläge.
Was damals These war, ist heute blutige Realität. Mit dem Krieg gegen den Irak hat sich der amtierende US-Präsident aus unserer Sicht eines schweren Verbrechens schuldig gemacht. Doch das hat den deutschen Bundeskanzler nicht daran gehindert, Herrn Bush zu dieser Stunde nach Mainz einzuladen. Wir aber sagen in aller Deutlichkeit:
Herr Bush, Sie sind in Deutschland nicht willkommen!
Herr Bush, verlassen Sie unser Land, denn Sie sind verantwortlich für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak und die dortige Besatzungspolitik durch die Armee der Vereinigten Staaten!
Herr Bush, verlassen Sie unser Land, denn Sie sind verantwortlich für den Tod und die Verstümmelung Abertausender unschuldiger Opfer im Irak und in anderen Staaten!
Herr Bush, verlassen Sie unser Land, denn Sie sind verantwortlich für Kriegsverbrechen im Irak!
Begründet mit der sogenannten Terrorbekämpfung bedrohen Sie nunmehr den Iran und weitere Staaten, die Sie als die »Achse des Bösen« bezeichnen. Die »wahre Achse des Bösen« umfaßt die iranischen, nordkoreanischen, israelischen, russischen, chinesischen, indischen, pakistanischen, französischen, britischen und die US-amerikanischen Atomwaffen, die allesamt den Weltfrieden bedrohen!
Die »wahre Achse des Bösen« reicht vom Hunger über die Armut, die fehlende Bildung bis hin zur unzureichenden medikamentösen Versorgung für Millionen von Menschen in aller Welt. UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hat uns vor wenigen Tagen eindringlich vor Augen geführt, wo die Wurzeln des Terrors zu suchen sind: In Uganda sterben jedes Jahr rund 184.000 Kinder, in Äthiopien 506.000 Kinder, im Kongo gar 545.000 Kinder vor Erreichen des fünften Lebensjahrs. Zu Recht hat Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul darauf hingewiesen, daß täglich 30.000 Kinder an Krankheiten sterben, die geheilt werden könnten, wenn genügend Ärzte und Medikamente vor Ort wären. Die Saat des Terrors gedeiht in einer Weltwirtschaftsordnung, deren ungerechte Strukturen dafür sorgen, daß die Schere von Armut und Reichtum immer weiter auseinander klafft.
Die »wahre Achse des Bösen« umfaßt alle kriegs- und bürgerkriegsführenden Armeen und diejenigen Staaten, die - wie die USA und Deutschland - Waffen an menschenrechtsverletzende Regime exportieren. Zudem trägt die hemmungslose Wirtschafts- und Umweltverschmutzungspolitik der USA massiv dazu bei, daß die Klimakatastrophe wahrscheinlicher wird, daß verstärkt Kriege um Rohstoffe wie Erdöl und Wasser geführt werden, daß riesige Landstriche unbewohnbar und noch mehr Menschen zu Flüchtlingen gemacht werden.
Daß Sie, Herr Bush, bisher keinerlei Interesse an der Lösung dieser Menschheitsprobleme gezeigt haben, offenbart sich in der gesamten Ausrichtung Ihrer Außen- und Innenpolitik: von der unglaublichen Ressourcenverschwendung zur Kriegsführung in aller Welt über den permanenten Bruch von Menschrechten, der Folterungen in Abu Ghraib und Guantanamo bis hin zur weltweit zweithöchsten Zahl von Hingerichteten im eigenen Land. Die Opfer Ihrer Politik sind längst nicht mehr zählbar. Aus meiner Sicht muß gegen Sie, Herr Bush, Anklage vor einem internationalen Strafgericht erhoben werden - wegen der Anordnung schwerster Menschenrechtsverletzungen und des Bruchs des Völkerrechts im Irak-Krieg!
Daß der deutsche Bundeskanzler diesem US-Präsidenten in Mainz einen Empfang bereitet, verrät vieles über dessen Gesinnung. Herr Schröder, »Null Toleranz!« darf nicht nur gegenüber Rechtsextremisten gelten, sie muß auch gegenüber Menschenrechtsbrechern und Kriegsverbrechern ihre Gültigkeit haben! Herr Schröder, Ihre Regierung hat in den vergangenen Jahren häufig Frieden gepredigt, gleichzeitig jedoch Krieg in Afghanistan geführt und zugleich den Krieg im Irak - zumindest indirekt unterstützt.
Diese Regierung ermöglichte die Nutzung der auf deutschem Territorium gelegenen Militärflughäfen, wie die Rhein-Main-Airbase, Ramstein und Spangdahlem!
Diese Regierung erleichterte den Kriegseinsatz der in Deutschland stationierten GIs, indem Bundeswehrsoldaten während des völkerrechtswidrigen Krieges gegen den Irak US-Militäreinrichtungen in Deutschland bewachten!
Diese Regierung leistet zur Zeit Ausbildungs- und Materialhilfe für irakische Truppen!
Diese Regierung hat die Zahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr verfünffacht!
Diese Regierung unterstützt eine EU-Verfassung, in der Aufrüstung verpflichtend festgeschrieben werden soll!
Diese Regierung liefert Waffen an kriegsführende und menschenrechtsverletzende Staaten!
Herr Schröder, die Politik Ihrer Regierung ist keine Friedenspolitik, sondern aktive Kriegsunterstützungspolitik! Ihre sogenannte Sicherheitspolitik führt zum Gegenteil dessen, was Sie als Ziel vorgibt.
Mit der verstärkten Militär- und Rüstungspräsenz auf der Weltbühne will die Bundesregierung Ihrem Anspruch nach einem Ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat Geltung verschaffen. Wir aber fragen Sie, Herr Schröder: Wie hoch ist der Preis, den Sie bezahlen wollen, um als Ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat über Krieg und Frieden mitentscheiden zu dürfen? Wie viele Menschen müssen noch durch Kampfeinsätze des Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr getötet werden? Wie viele weitere Opfer wollen Sie durch den Export deutscher Waffen in Krisen- und Kriegesgebiete verantworten, Herr Schröder?
Als Friedens-, Frauen-, Menschenrechts-, Dritte-Welt- und globalisierungskritische Bewegung haben wir uns das Ziel einer friedlicheren, sozialeren und gerechteren Welt gesetzt. Den Weg hat uns Bertha von Suttner aufgezeigt, die 1905 - also vor genau einhundert Jahren - als erste Frau den Friedensnobelpreis erhalten hat. Ihre Friedensarbeit gipfelte in der Forderung: »Die Waffen nieder!«
Herr Schröder, überzeugen Sie Ihren Gast George W. Bush davon, daß die Besatzung des Irak beendet werden muß! Vereinbaren Sie mit Herrn Bush den sofortigen Abzug und die Verschrottung aller US-Atomwaffen, die bis heute in Deutschland stationiert sind!
Für das Jahr 2005 bedeutet Bertha von Suttners »Die Waffen nieder!« zudem: Setzen Sie sich für eine EU-Verfassung mit dem festgeschriebenen Ziel der Abrüstung und Entmilitarisierung ein! Beenden Sie die Beteiligung der Bundeswehr an allen NATO- und EU-Einsätzen im Nahen und Mittleren Osten! Senken Sie den Rüstungshaushalt um mindestens fünf Prozent pro Jahr und verwenden Sie die eingesparten Gelder zum Erhalt und Ausbau des Sozialstaats! Stoppen Sie sofort alle Rüstungsexporte!
Für uns Aktive in der sozialen Bewegung, aber auch für PazifistInnen und AntimilitaristInnen verschiedener Glaubensgemeinschaften, von Parteien und Gewerkschaften bedeutet dies, daß wir alle den Druck auf die Bundesregierung erhöhen müssen, damit endlich konkrete »Schritte zur Abrüstung« erfolgen. Für junge Männer und Frauen bedeutet das die massenhafte Verweigerung des Kriegsdienstes.
Der Pazifist Albert Einstein erklärte 1955: »Die schlimmste Ausgeburt des Herdenwesens das mir verhaßte Militär , diesen Schandfleck der Zivilisation, sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen.« Ich schließe in dieses Einstein-Zitat alle Armeen - ausdrücklich auch die US-Army und die Bundeswehr - mit ein.
Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). ZgK dokumentiert seine Rede auf der Friedensdemonstration gegen den Bush-Besuch am 23. Februar 2005 in Mainz
In: Zeitung gegen den Krieg Nr. 20, Frühjahr 2005, S. 12
Die neue Ausgabe der
»Zeitung gegen den Krieg« die zwanzigste seit Erscheinen ist seit dem 18.
März im Vertrieb.
Schwerpunkte der neuen ZgK sind: »Der Irak zwei Jahre nach Kriegsbeginn«, »neue
Krisenherde wie Syrien/Libanon und Iran« und »60 Jahre Befreiung«.
Seit Nr. 19 erscheint die »Zeitung gegen den Krieg erstmals im Format wie die
»Berliner Zeitung« oder die neue »junge Welt«.
Inhalte der 12 Seiten von ZgK 20 sind:
Autorinnen und Autoren: Dario Azzelini, Heiner Fink, Jürgen Grässlin, Joachim Guilliard, Brigitte Kiechle, Gisela Kremberg, Maria Mies, Knut Mellenthin, Wolfgang Pomrehn, Tobias Pflüger, Arno Neuber, Rossana Rossandra, Ulrich Sander, Claus Schreer, Thomas Immanuel Steinberg, Jochen Traut, Winfried Wolf
Herausgebende: Uwe Hiksch, Ulrich Sander, Monty Schädel, Hans-Jochen Vogel, Laura von Wimmersperg und Winfried Wolf.
Abgabepreise: von 1 50 Ex = 25 Cent je Ex; von 51 bis 499 Ex = 20 Cent je Ex.; ab 500 Ex = 13,5 Cent je Ex. Jeweils zuzüglich Porto und Verpackung.
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