Lesungsbericht »Ich will die Welt ändern«
in Badische Zeitung vom 14.01.2006




»Ich will die Welt ändern«

Bestsellerautor Jürgen Grässlin setzt Unmut und Wut unermüdlich in Tatkraft um

Von unserer Redakteurin Julia Littmann

Der »Herausforderer«: Jürgen Grässlin (FOTO: THOMAS KUNZ)

Dass einer, der beharrlich gegen den Strom schwimmt und Aufruhr stiftet, dass der so unverschämt ausgeruht und glücklich aussehen kann, das verwundert ein bisschen. Jürgen Grässlin ist erkennbar kein unzufriedener Mensch, wohl aber einer, dem nichts mehr am Herzen liegt als eine friedliche Welt. Dass ihn dieses Streben nicht zum getriebenen Weltverbesserer gemacht hat, das, sagt der 48-jährige Deutschlehrer, liege ganz wesentlich an seiner Frau und Weggefährtin Eva: »Die holt mich immer wieder auf den Boden zurück.«

Und nicht nur das: In schwierigen Zeiten stärkt - vielen anderen voran - sie ihn. Schwierige Zeiten waren zum Beispiel die letzten Monate, vor und nach der Veröffentlichung von Jürgen Grässlins jüngstem Sachbuch-Bestseller »Das Daimler-Desaster«. »Ich lege mich mit diesem Buch immerhin mit Deutschlands mächtigstem Konzern an«, erklärte der Autor am gestrigen Abend den rund 100 Zuhörern seiner Lesung im BZ-Haus. Denen erläuterte er eingangs, mit welchen Mitteln die Daimler-Chrysler-AG versucht, das Buch zu verhindern. Verfahren im Vorfeld der Veröffentlichung, Verfahren danach. Alles kein Grund aufzugeben, versteht sich: »Was mir nicht gefällt und was mich ärgert, fordert mich heraus.« Und weil ihm einiges nicht gefällt, braucht Jürgen Grässlin eine gute Kondition. Für ihn nämlich ist jeder Tag ein 16 Stunden-Arbeitstag, auch in den Ferien, denn da schreibt der erklärte Vollblut-Lehrer seine - provozierend aufklärerischen - Bücher. Fünf Stunden Schlaf müssen dem Unermüdlichen reichen. Kein Problem auch das - über Energie und Gesundheit verfügt er reichlich und über Humor: »Den lasse ich mir auch nicht nehmen.«

Als Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft, des Aktionsnetzes gegen Kleinwaffen, der Kritischen Aktionäre: Jürgen Grässlin hat ein erklärtes Ziel: »Ich will nicht im stillen Kämmerlein sitzen und mich über die Welt ärgern, ich will sie ändern.« Viel wäre erreicht, wenn Daimler Chrysler umstellen würde auf friedliche, ökologische Produkte und aktive Beschäftigungspolitik, sagt Jürgen Grässlin und lacht: »Das lässt sich nur mittelfristig machen.« Kurzfristig ist der Erfolg des Daimler-Desaster Buches für ihn schon eine wohltuende Rückmeldung auf sein Engagement. Nach nur zwei Monaten steht die dritte Auflage bevor. Grässlin dankt vergnügt dem Publikum: »Ihr seid das ja, die das Buch kaufen!«