Zu Artikel zu Jürgen E. Schrempp Seit zehn Jahren lenkt Jürgen Schrempp den Daimler-Konzern. Er hat noch viele Probleme zu lösen Christian Lipicki BERLIN, 24. Mai. Der Mann hat eine Vision. Jürgen Erich Schrempp will DaimlerChrysler zum erfolgreichsten Autokonzern der Welt machen. DaimlerChrysler soll auf allen wichtigen Märkten eine führende Rolle einnehmen. So definiert JES - wie er intern genannt wird - das Ziel, seit er vor genau zehn Jahren die Vorstandsspitze des Konzerns, der damals noch Daimler-Benz hieß, übernommen hat. In der Zwischenzeit ist viel passiert: Unter Schrempps Führung wurde aus dem Mischkonzern ein echter Autokonzern, haben die Stuttgarter den US-Hersteller Chrysler geschluckt und sind in den asiatischen Raum vorgestoßen. Aber ist Schrempp gemessen an seinem Ziel auch erfolgreich? Nein, sagen die Kritiker. DaimlerChrysler sei in Asien zu schlecht aufgestellt, der Aktienkurs des Unternehmens seit der Fusion drastisch eingebrochen, massenweise Arbeitsplätze weggefallen und - vielleicht das Schlimmste - das Image der Marke Mercedes-Benz schwer beschädigt. Erfolge sehen anders aus, sagen die Kritiker. Gefahr feindlicher Übernahmen Dabei hatte Schrempp 1995 einen guten Start. Damals machte das Autogeschäft zwei Drittel des Umsatzes aus. Der Rest stammte aus einem Sammelsurium von Küchengeräten (AEG) bis hin zu Eisenbahnsystemen (Adtranz). Das, dachte er sich, darf so nicht bleiben: Erfolgreich kann ein Unternehmen nur dann sein, wenn es auf seine Kernkompetenzen setzt. Was nicht Auto war, störte fortan. 1997 wurde die Finanzgruppe Cap Gemini abgestoßen, dann Debitel, Adtranz, Temic. Heute, also 2005, verdient der Konzern sein Geld fast ausschließlich im Autogeschäft. Doch durch die Konzentration allein konnten nicht alle Gefahren gebannt werden. In Bankenkreisen gab es Spekulationen, dass ein größerer Autohersteller - beispielsweise Ford - Mercedes übernehmen könnte. Eine nicht unberechtigte Sorge. Schrempp trat die Flucht nach vorne an. 1998 kündigte er überraschend einen Zusammenschluss mit dem US-Hersteller Chrysler an. Schrempp war so euphorisiert, dass er von einer »Hochzeit im Himmel« sprach. Die ersten Jahre schienen ihm recht zu geben. Chrysler machte gute Geschäfte und überwies Milliarden nach Stuttgart. Dann geriet der Hersteller in eine Krise. Es mangelte den Fahrzeugen sowohl an Qualität als auch an Attraktivität. Schrempp hielt dennoch an dem Zusammenschluss fest. Wohl auch, weil er keine Alternative sah. »Wir laufen vor Problemen nicht davon. Wir lösen sie«, sagte er und stellte eine stattliche Zahl von Mercedes-Ingenieuren ab, um der angeschlagenen US-Sparte zu helfen. Mit Erfolg. »Aber auf Kosten von Mercedes«, behauptet Jürgen Grässlin, der Sprecher der Kritischen Aktionäre von DaimlerChrysler heute. »Was in Chrysler gesteckt wurde, fehlte bei Mercedes.« Das sei falsch, heißt es bei DaimlerChrysler. Doch wie sind dann die Qualitätsmängel zu erklären, die zur größten Rückrufaktion in der Mercedes-Geschichte geführt haben? Ärgerlich für Schrempp zudem, dass es beim Erzrivalen BMW besser läuft. Auch in Asien hatte Schrempp wenig Fortune. Nach den weitgehend gescheiterten Partnerschaften ist DaimlerChrysler dort nun auf sich selbst gestellt - und hat im Wettlauf um die Kunden wertvolle Zeit verloren. Zwar ist Mercedes bei Luxuslimousinen in China die Nummer eins. Doch Chrysler tut sich im harten Wettbewerb schwer. Schrempps Vertrag läuft noch bis 2008. Möglich, dass erst sein Nachfolger den richtigen Erfolg erlebt. Und sich Schrempps Vision von der Welt AG erst mit Verspätung erfüllt. In: Berliner Zeitung vom 25.05.2005 |