Zu Artikel zu Jürgen E. Schrempp
Der designierte Vorstandsvorsitzende von Daimler-Chrysler, Dieter Zetsche, könnte für eine Übergangszeit von ein bis zwei Jahren auch die Mercedes-Sparte leiten. Wenn Mercedes-Vorstand Eckhard Cordes seine Rücktrittsankündigung zum Jahresende wahr mache, wäre dies eine Antwort auf die Führungskrise, heißt es in Kreisen des Aufsichtsrats. Obwohl das Kontrollgremium noch nicht über Cordes' Bitte um Auflösung des Vertrags beraten hat, gilt es als sicher, daß es den Rücktritt vom Rücktritt nicht geben wird.
Cordes galt zwar seit Jahren als einer der wichtigsten Kandidaten für die Schrempp-Nachfolge, war aktuell aber nicht in die Nachfolgeregelung einbezogen. Das wird von ihm als Affront gewertet, der seine Autorität untergräbt, die er um so nötiger bräuchte, als bei Mercedes einige schwierige Entscheidungen anstehen. Insgesamt sucht Cordes für sein Restrukturierungsprogramm »Core« nach Einsparmöglichkeiten von 4 Milliarden Euro, um bis 2007 tatsächlich 3 Milliarden Euro davon umsetzen zu können und so eine Umsatzrendite von 7 Prozent erzielen zu können. Im Umfeld des Vorstands heißt es bereits, Cordes zeige seine Controller-Fähigkeiten allzu deutlich und schade dem Ansehen der Marke, indem er den Eindruck erwecke, Mercedes sei ein Sanierungsfall.
Von einem Nachfolger für Cordes werde erwartet, daß es wieder eine Person sei, die »Benzin im Blut« habe und nicht die Zahlen über alles stelle. Daß Zetsche in einer Übergangsphase dieser Cordes-Nachfolger sein könnte, wollte ein Daimler-Sprecher auf Anfrage nicht kommentieren. Sowohl Daimler-Vorstandschef Jürgen Schrempp wie auch der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper versuchen unterdessen dem Eindruck entgegenzutreten, Schrempp sei zum Rücktritt gezwungen worden. Als Indiz für einen unfreiwilligen Abgang war das Fehlen jeglicher Dankesformel seitens des Aufsichtsrats gewertet worden, ein Umstand, den Hilmar Kopper nun als Kommunikationspanne wertet: Demnach habe Schrempp persönlich an der Pressemitteilung gearbeitet und den Dank nicht selbst formulieren wollen. Darüber sei er »todunglücklich«, erklärte Kopper im Interview mit dem Spiegel. »Das hat Schrempp nicht verdient.« Erste Gespräche über das Ausscheiden Schrempps seien im Mai geführt worden. Er selbst habe gespürt, daß Schrempp nicht mehr wolle, nachdem er sich auf der Hauptversammlung auch heftige Kritik am Job seiner Ehefrau bei Daimler-Chrysler habe anhören müssen, wird Kopper zitiert.
Nach den Worten von Jürgen Schrempp habe er selbst vorgeschlagen, auf die Auszahlung seiner Vorstandsbezüge bis zum Ende der Vertragslaufzeit im April 2008 zu verzichten. Dieses Verhalten spreche klar gegen die Annahme, daß ihn jemand aus dem Amt gedrängt habe: »Wäre das so gewesen, dann hätte ich die mir rechtlich zustehende Abfindung akzeptiert«, sagte Schrempp dem Magazin »Focus«. Auch daß Dieter Zetsche sein Nachfolger werden solle, habe er selbst dem Aufsichtsrat empfohlen, trotz einiger Meinungsverschiedenheiten. Zum Zeitpunkt seines Rücktritts sagte Schrempp, er habe darüber schon seit einiger Zeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper gesprochen. »Diese Entscheidung und die überraschende Ankündigung waren - darauf bin ich sehr stolz - ein Meisterstück der Kommunikation«, sagte Schrempp weiter. Es sei nicht einfach, so etwas in einem Großkonzern bis zuletzt vertraulich zu behandeln.
ust in der Frage, ob die Aktionäre rechtzeitig informiert worden seien, schlägt Daimler-Chrysler indes von verschiedener Seite Skepsis entgegen. Während die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) routinemäßig prüft, ob im Vorfeld jemand von Schrempps Rücktritt gewußt habe und dies nutzte, um Daimler-Chrysler-Aktien zu einem niedrigen Kurs zu kaufen, ist sich Jürgen Grässlin, Sprecher der Kritischen Aktionäre von Daimler-Chrysler, seiner Sache sicher. Er sei bereits am Samstag, dem 16. Juli, über den bevorstehenden Rücktritt von Schrempp unterrichtet worden, bekräftigt Grässlin. »Mit diesem Sachverhalt wären Insidergeschäften Tür und Tor geöffnet gewesen«, meint Holger Rothbauer, der Grässlin juristisch vertritt. Gegen Grässlin ebenso wie gegen den Dauerkritiker Ekkehard Wenger hat Daimler-Chrysler rechtliche Schritte angedroht und gefordert, daß eine Unterlassungserklärung abgegeben werde.