Zeitungsbericht »Zetsche könnte auch
Cordes-Posten übernehmen«
in Westdeutsche Allgemeine (WAZ), dpa vom 30.07.2005 


Zu Artikel zu Jürgen E. Schrempp


 

»Zetsche könnte auch Cordes-Posten übernehmen«

Stuttgart (dpa) - Der designierte DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche könnte nach einem Bericht der »Automobilwoche« für eine Übergangsphase auch die Führung der Konzernmarke Mercedes-Benz übernehmen, um einer Führungskrise vorzubeugen.

»Zetsche wird voraussichtlich in Personalunion den Konzern und die Mercedes Car Group führen müssen, bis ein passender Cordes-Nachfolger gefunden wird«, berichtet das Branchenblatt in seiner neuen Ausgabe unter Berufung auf Führungskreise des Konzerns. Dass Mercedes-Chef Eckhard Cordes von seiner Rücktrittsankündigung Abstand nimmt, gelte intern als ausgeschlossen.

Angesichts der Spekulationen um die Gründe seines vorzeitigen Abgangs hat sich unterdessen der scheidende DaimlerChrysler- Vorstandschef Jürgen Schrempp zu Wort gemeldet. Nach seiner Darstellung war der Rücktritt lange vorbereit. »Ich habe darüber schon seit einiger Zeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper gesprochen«, sagte Schrempp dem Nachrichtenmagazin »Focus«. Dabei sei man sich einig gewesen, »dass Ende des Jahres der günstigste Zeitpunkt für einen Führungswechsel ist«.

Der Chef des größten deutschen Unternehmens hatte am Donnerstag völlig überraschend seinen Rücktritt zum Ende des Jahres angekündigt. Sein Nachfolger wird Chrysler-Chef Dieter Zetsche, den Schrempp nach eigenen Worten trotz einiger Meinungsverschiedenheiten dem Aufsichtsrat als Nachfolger empfohlen hat. Der Führungswechsel hatte zu Spekulationen über die Motive von Schrempp geführt.

Das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« berichtet, dass Kopper und Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm schon bei der Vertragsverlängerung im April vergangenen Jahres der Meinung gewesen seien, dass Schrempp nur noch zwei oder drei Jahre den Konzern führen sollte. Dies habe auch Schrempps Vorstellungen entsprochen. Dennoch sei der Vertrag bis 2008 verlängert worden, um eine Nachfolgedebatte zu verhindern. Erneute Gespräche zwischen Schrempp, Kopper und Klemm habe es dann im Mai dieses Jahres gegeben; diese seien aber nicht auf Drängen der Deutschen Bank, die nach den jüngsten Anteilsverkäufen noch 6,9 Prozent der DaimlerChrysler-Aktien hält, zu Stande gekommen.

Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« berichtete, als Erklärung für Schrempps Abgang werde vor allem der Druck institutioneller Investoren herangezogen. Seit der Hauptversammlung im April hätten Hedge-Fonds verstärkt DaimlerChrysler-Aktien gekauft.

DaimlerChrysler kündigte rechtliche Schritte gegen den Vorsitzenden des Dachverbandes Kritische Aktionäre DaimlerChrysler, Jürgen Grässlin, sowie den Würzburger Wirtschaftsprofessor Ekkehard Wenger an. Man wehre sich gegen die Verbreitung von Falschaussagen, sagte ein Sprecher. Grässlin hatte unter anderem behauptet, »dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr Schrempp geregelt hat«. Zudem habe er bereits mehrere Tage vor der offiziellen Ankündigung von Schrempps Rücktritt gewusst. Grässlin teilte am Samstag mit, er werde keine Unterlassungserklärung unterzeichnen und halte an seinen Behauptungen fest.

Nach einem Bericht der »Berliner Zeitung« prüft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) den Börsenhandel mit Aktien des Autoherstellers im Vorfeld der Rücktrittsankündigung. In deren Folge war der Aktienkurs am Donnerstag zeitweise um mehr als zehn Prozent in die Höhe geschossen. »Wir prüfen, ob jemand im Vorfeld von dem Rücktritt wusste und dies dazu nutzte, DaimlerChrysler-Aktien zum niedrigeren Kurs zu kaufen«, sagte Bafin-Sprecherin Sabine Reimer. Dabei handele es sich aber um eine routinemäßige Untersuchung. Es bestehe kein konkreter Anfangsverdacht.

EU-Industriekommissar Günter Verheugen forderte DaimlerChrysler auf, die Hintergründe für das Ausscheiden von Schrempp offenzulegen. »Ich würde immer dazu raten, Entscheidungen dieser Art gründlich zu erklären, um zu vermeiden, dass wilden Spekulationen Tür und Tor geöffnet werden«, sagte Verheugen der »Bild am Sonntag«.