Zeitungsbericht »Die Justiz prüft Koppers Draht
zur Deutschen Bank« in Stuttgarter Zeitung
vom 19.01.2006




»Die Justiz prüft Koppers Draht zur Deutschen Bank«

Ermittlungen wegen möglichen Verstoßes gegen Insiderregeln

Daimler-Chrysler und die Deutsche Bank - das ist lange eine enge Verbindung gewesen. Verkörpert wird sie noch von Hilmar Kopper, dem Exbankchef und Chefaufseher der Stuttgarter. Nun könnte die Nähe Kopper in Bedrängnis bringen.

Von Andreas Müller

Die Razzia war kein Ruhmesblatt für die Ermittlungsbehörden. Fast 40 Fahnder von Justiz, Polizei und Börsenaufsicht schwärmten am 1. September aus, um nach Belegen für mögliche Insiderverstöße im Zusammenhang mit der Rücktrittsankündigung von Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp zu suchen. Zeitgleich filzten sie die Büros der Daimler-Chrysler-Manager Rüdiger Grube und Hartmut Schick in Stuttgart, die Wohnung des Konzernkritikers Jürgen Grässlin in Freiburg und die Räume des Spediteurs Gerhard Schweinle nahe Heilbronn. Doch das Ergebnis des Großeinsatzes war denkbar dürftig. Die Verfahren gegen Grube und Schick wurden zwei Monate später mangels Tatverdachts eingestellt. Die Ermittlungen gegen Grässlin und Schweinle laufen noch, scheinen aber ebenfalls wenig ergiebig.

Auslöser der Durchsuchungen, die in Justizkreisen heute kritisch kommentiert werden, war ein Hinweis von Grässlin an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Aber die Wertpapieraufseher verfolgen noch eine zweite Spur, die nichts mit dem schillernden Buchautor zu tun hat. Wenige Tage nach der Razzia leuchtete sie in Medienberichten kurz auf. Womöglich gerate auch die Deutsche Bank ins Visier der Bafin, meldete die »Welt am Sonntag«. »Es gibt da eine auffällige Entwicklung«, zitierte die Zeitung den Behördenchef Jochen Sanio und verwies darauf, dass der Daimler-Chrysler-Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper einst Chef der Bank gewesen sei. Dann schwieg die Börsenaufsicht wieder, und die Sache geriet in Vergessenheit. Auch heute lässt sich die Bafin-Sprecherin nur entlocken, dass man zu laufenden Untersuchungen generell keine Auskünfte erteile.

Dabei gäbe es Hochinteressantes zu berichten. Seit Wochen untersuchen die Bafin und die von ihr eingeschaltete Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Rolle Koppers rund um jenen 28. Juli 2005, da Schrempps angekündigter Rückzug die Daimler-Chrysler-Aktie um zehn Prozent in die Höhe schießen ließ. Inzwischen verdichtete sich der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten so weit, dass die Ermittler den nächsten Schritt taten: In diesen Tagen hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Kopper wegen eines möglichen Verstoßes gegen Insiderregeln eingeleitet - und es umgehend an die örtlich zuständigen Kollegen in Frankfurt weitergeleitet; dort wird die Übernahme derzeit geprüft. So viel bestätigt die Sprecherin der Stuttgarter Behörde in dürren Worten, mehr aber auch nicht. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung geht es um den Verdacht, dass Kopper den Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann vor der offiziellen Bekanntgabe über den bevorstehenden Abgang des Daimler-Chrysler-Chefs unterrichtete. Der Rückzug an sich dürfte für Ackermann keine Überraschung gewesen sein. Kopper betonte zwar stets, er betrachte den Aufsichtsratsvorsitz bei dem Stuttgarter Automobilkonzern als sein persönliches Mandat. Doch als langjähriger Vorstandschef und Chefkontrolleur blieb er immer auch ein Mann der Deutschen Bank, die mit mehr als zehn Prozent zudem größter Daimler-Aktionär war.

So kursierten in Finanzkreisen schnell Spekulationen, Ackermann sei der eigentliche Regisseur des Führungswechsels gewesen. Er habe die Geduld mit Schrempp verloren, unter dessen Führung der Aktienkurs trotz markiger Bekenntnisse zum so genannten Shareholder-Value nur dahindümpelte - was den schon lange geplanten Abbau der Deutsche-Bank-Beteiligung blockierte. Jahrelang hatte Kopper trotz aller Kritik treu zu seinem Duzfreund Schrempp gestanden, den er gerne als »Máximo Líder« rühmte. Aber um sein noch bis zum Jahr 2007 laufendes Aufsichtsratsmandat zu retten, so wurde kolportiert, ließ der 70-jährige Chefaufseher ihn schließlich fallen.

Offiziell gab es natürlich keinerlei Drängen der Deutschen Bank, offiziell ging Schrempp aus freien Stücken. Er habe über seinen Rückzug »schon seit einiger Zeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper gesprochen«, sagte der scheidende Daimler-Chrysler-Chef damals in einem »Focus«-Interview. Dabei sei man sich einig gewesen, »dass Ende des Jahres der günstigste Zeitpunkt für einen Führungswechsel ist«.

Der brisante Zeitpunkt war freilich der der Bekanntgabe. Schon bevor die wertpapierrechtlich vorgeschriebene Ad-hoc-Mitteilung dazu rausging, vermuten die Ermittler nach StZ-Informationen, habe Kopper Ackermann informiert; der Kontakt lasse sich sogar belegen. Was indes nutzte dem Deutsche-Bank-Chef - unterstellt, es stimmt - die Vorabinformation? Auf den angekündigten Führungswechsel in Stuttgart reagierte das Geldhaus tatsächlich, aber erst als die Nachricht offiziell auf dem Markt war: Noch am gleichen Tag trennte sich die Bank von 35 Millionen Daimler-Chrysler-Aktien. Erlös: 1,4 Milliarden Euro. Vorsteuergewinn: 300 Millionen Euro. Der eilige Verkauf, kommentierten erstaunte Banker, sei für den Schrempp-Freund Kopper geradezu eine Ohrfeige. Und er zeige überdeutlich, wie sehr die Bank Schrempps Abgang herbeigesehnt habe.

Der Milliardendeal, dem inzwischen ein zweiter folgte, ist offenbar nicht Gegenstand der Untersuchungen. Aber Bafin und Staatsanwaltschaft sind angeblich auf eine zweite, um ein Vielfaches kleinere Transaktion im Umfeld der Deutschen Bank gestoßen. Bei einem komplizierten Optionsgeschäft, das selbst die Fachleute erst nach einiger Zeit durchschauten, soll ein einstelliger Millionengewinn erzielt worden sein - womöglich dank Insiderwissen über Schrempps Rücktrittsankündigung. Noch laufen dazu keine förmlichen Ermittlungen. Doch durch die bisherigen Untersuchungen, heißt es, werde auch Ackermann belastet. Das weitere Vorgehen liegt nun in den Händen der Frankfurter Staatsanwaltschaft.

Neuer Ärger mit der Justiz - das käme für den Deutsche-Bank-Chef äußerst ungelegen. Gerade wird darum gerungen, ob sein bis Ende 2006 laufender Vertrag ungeachtet der Neuauflage des Mannesmann-Verfahrens verlängert werden soll. Einige Signale deuten darauf hin, dass ihm der Aufsichtsrat - trotz kritischer Töne des Vorsitzenden Rolf Breuer - Anfang Februar weitere zwei bis drei Jahre gewähren könnte. Doch ein neues Ermittlungsverfahren könnte die Lage schnell verändern. Wie Ackermanns Zukunft aussieht, dürfte auch heute Abend in Stuttgart ein Gesprächsthema sein. Beim Neujahrsempfang der Deutschen Bank im Cannstatter Römerkastell ist der Vorstandssprecher als Ehrengast angekündigt.