Zeitungsbericht »Jürgen Grässlin.
Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - VK«
in der Süddeutschen Zeitung vom 05.11. 1999


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Zeitungsbericht »Jürgen Grässlin.
Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - VK«
in der Süddeutschen Zeitung vom 05.11. 1999

Der Name ist so lang, dass man ihn sich nur schwer merken kann: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK). Aber schwer zu erreichen ist ja auch das Ziel dieses mit rund 10.000 Mitgliedern größten pazifistischen Verbandes hierzulande: Frieden und totale Abrüstung. Im übrigen spiegelt die Koppelung der Namen die bewegte Geschichte der zumal während des Kalten Kriegs immer wieder unter Kommunismus-Verdacht geratenen Friedensbewegung in Deutschland wider. Als der 42-jährige Freiburger Rüstungskritiker Jürgen Grässlin dagegen jüngst in München auf dem 12. Bundeskongress der DFG-VK zu einem der Sprecher gewählt wurde, musste sich der erfolgreiche Buchautor während einer heftigen Debatte gegen Verdächtigungen wehren, die mit seiner Mitgliedschaft bei den Grünen zu tun hatten.

Tatsächlich kamen Grässlin bohrende Fragen nach seiner Parteizugehörigkeit sehr recht. So nämlich bot sich ihm Gelegenheit, eine im Kosovo-Krieg brüchig gewordene Beziehung zu (er)klären. Wegen der Nato-Bomben hatte er seine Bei- träge für die Grünen, denen er seit 1985 angehört, storniert. Nun überweist er zwei Drittel des Geldes auf das Konto der DFG-VK, ein Drittel an die Grünen im Breisgau-Hochschwarzwald, »weil dieser Kreisverband eine pazifistische Grundposition vertritt - im Gegensatz zum Landes- und Bundesverband.« Für den Fall, dass wegen dieser Zahlungsmoral ein Ausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet werden sollte, werde er vor die Bundesschiedskommission der Partei ziehen, kündigt Grässlin an, und zwar mit dem Programm, mit dem er 1998 als Bundestagskandidat Wahlkampf für die Grünen gemacht hatte. Noch vor einem Jahr habe die Partei Kampfeinsätze der Bundeswehr generell abgelehnt.

Angesichts des Kurswechsels von Fischer und Co. überlegt Grässlin, ob es an der Zeit ist, in Karlsruhe Klage wegen »Beihilfe zum Völkermord« gegen die amtierende rot-grüne Koalition einzureichen, ähnlich der von 1993 gegen die CDU/FDP-Regierung. Damals hätten Waffenlieferungen an das türkische Militär (für den Kampf gegen die Kurden) die Klage erzwungen. Die Frage könne sich, angesichts von Panzern und Hubschraubern jetzt erneut stellen.

Seine größten Erfolge als Gründer und Betreiber des Rüstungs-Informationsbüros Baden-Württemberg hatte Grässlin mit entlarvenden Reports über die Oberndorfer Waffenfabrik Heckler & Koch, die sich unter dem Druck der Angriffe zum Teilrückzug genötigt sah. Weltweit Aufsehen erregt hat indes der produktive Buchautor (»Lizenz zum Töten? Wie die Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe gemacht wird«) mit einer Biographie über Jürgen Schrempp, die unter Mitwirkung des DaimlerChrysler-Chefs entstanden und 80.000 mal verkauft worden ist; der chinesischen Ausgabe werden im Frühjahr eine englische und im Herbst ein Buch über VW und Konzernchef Piëch folgen.« Wulf Reimer

Süddeutsche Zeitung vom 05.11.1999