Zeitungsbericht: »Die
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»Störenfriede« feiern Die »Deutsche
Friedensgesellschaft Gerhard M. Kirk Als »fünfte Kolonne Moskaus« wurden sie jahrzehntelang beschimpft. »Geh doch nach drüben!« wurde ihnen oft empfohlen. Als »Handlanger des Kommunismus« wurden sie verunglimpft. Und nun feiern sie den 100. Geburtstag in der guten Stube der Stadt, dem Historischen Kaufhaus: die Mitglieder der »Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen« (DFG-VK), Sektion Freiburg. Schon 1905 wurden die Friedensfreunde und -freundinnen in der Stadt misstrauisch beäugt. Die spärlichen Quellen sprechen von »langen Bemühungen und Verhandlungen mit den Behörden«, bevor am 19. November ein Saal für einen öffentlichen Vortrag zur Verfügung gestellt wurde. Was vor allem der Hartnäckigkeit Adinda Flemmichs zu verdanken war. Die damals 37-jährige Tochter des flämischen Schriftstellers Heinrich Flemmich aus Antwerpen wurde so zur Gründerin der Freiburger Sektion der DFG. Diese älteste deutsche Friedensorganisation war am 9. November 1892 in Berlin von den Österreichern Alfred Herrmann Fried und Bertha von Suttner gegründet worden, die 1905 den Friedensnobelpreis erhielt. An Adinda Flemmich, die am 15. Oktober 1942 im Evangelischen Stift starb, erinnert heute eine nach ihr benannte Straße im Stadtteil Vauban. »Die Freiburger Ortsgruppe war aber nie der Mittelpunkt der deutschen Friedensbewegung«, sagt Udo Hegar, der als junger Medizin-Student 1960 DFG-Vorsitzender wurde. Er war erst zwei Jahre zuvor in die DFG eingetreten so sehr hatte ihn ein Vortrag des Pastors und bundesdeutschen DFG-Präsidenten Martin Niemöller im Paulussaal beeindruckt. Damals, drei Jahre nach Einführung der Bundeswehr, bot die Friedensorganisation schon eine Beratung für Kriegsdienstverweigerer an »das war jahrzehntelang unsere Hauptaufgabe«. 1962 organisierte Udo Hegar mit anderen den ersten Ostermarsch gegen Atomwaffen in Freiburg. Und im Rückblick ist es für den Arzt im Ruhestand keine Frage: »Die DFG war das große Rückgrat der achtundsechziger Bewegung.« 1968 war freilich auch das Jahr, in dem es zum Bruch innerhalb der Friedensbewegung kam: Am 21. August beendeten Truppen des Warschauer Pakts mit Waffengewalt den »Prager Frühling«. Und während für die einen, eher kommunistisch ausgerichteten, DFG-Mitglieder sowjetische Panzer gute Panzer waren, hielten die anderen, eher aus der christlichen Tradition kommenden, Frauen und Männer am Grundsatz des Pazifismus fest. Zu jener Zeit hatten die DFG-Mitglieder schon einiges an Diffamierungen über sich ergehen lassen müssen. »In der Adenauer-Zeit waren wir von Anfang an die Störenfriede«, sagt Udo Hegar. Bis in die 1990er Jahre hinein wurde der Friedensbewegung vorgeworfen, »links unterwandert« zu sein. Eine Art wohlfeile Instrumentalisierung. »Weil wir mit Kommunisten redeten und Aktionen machten, wurden so die Ängste vor dem Kommunismus ausgenutzt und um uns unglaubwürdig zu machen, damit uns niemand mehr ernst nimmt.« Was der gerade wiedergewählte Bundesvorsitzende und Freiburger Jürgen Grässlin noch immer nicht verstehen kann. Denn: »Wir definieren uns nicht über eine Ideologie, sondern allein über ein pazifistisches Denken.« Was die DFG, die sich 1973 mit dem Verband der Kriegsdienstverweigerer (VK) zusammenschloss, viele Mitglieder kostete von früher einmal 20000 schrumpfte deren Zahl auf heute 5000. Das ist der Preis für diese Grundhaltung: »Wir betreiben eine pazifistische, antimilitaristische und parteiunabhängige Politik.« Einen solchen pazifistischen Verband hält Jürgen Grässlin heute für zunehmend nötiger »angesichts einer militaristischen Entwicklung in Deutschland«. Notwendig scheint ihm in Zeiten der Globalisierung allerdings auch eine weltweit vernetzte Zusammenarbeit von Friedensorganisationen. Schließlich: »Kriege, die Verbreitung von Waffen und Militär kennen keine Grenzen.« Deshalb sei auch die DFG-VK Teil der weltweiten Pazifisten. Und jedes Mitglied hat die Grundsatzerklärung der »War Resisters International« unterschrieben: »Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.« Entsprechend definiert Jürgen Grässlin als Ziel der DFG-VK: eine Bundesrepublik ohne Armee und Rüstungsproduktion. Dem soll die Kampagne »Schritte zur Abrüstung« dienen, die fordert, den deutschen Rüstungshaushalt Jahr für Jahr um fünf Prozent zu senken. Dass dies vielen nicht gefällt, stört den Kritiker »der deutschen Waffenproduzenten Heckler & Koch sowie Daimler-Chrysler« wenig. »Weil unsere Glaubwürdigkeit so wichtig ist, sind wir keine Schmuse-Organisation wir gehen in die Konfrontation.« Natürlich pazifistisch pur. 100 Jahre DFG-VK: Jubiläumsfeier am 4. November um 19 Uhr im Historischen Kaufhaus am Münsterplatz, wo unter anderem auch Dietrich Kittner mit »Bürger, hört die Skandale!« zu hören sein wird; Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 5 Euro, ALG2-Empfänger 2 Euro, Flüchtlinge frei. |