Bericht »Spediteur legt Quelle zu
Insidervorwürfen nicht offen«
in Handelsblatt vom 06.09.2005


Zu Artikel zu Jürgen E. Schrempp



Spediteur legt Quelle zu
Insidervorwürfen nicht offen

Daimler-Manager setzen sich juristisch zur Wehr

In der Affäre um möglichen Insiderhandel bei Daimler-Chrysler fällt es der Staatsanwaltschaft offenbar schwer, die Anschuldigungen gegen Konzernvorstand Rüdiger Grube und Kommunikationschef Hartmut Schick zu untermauern.

hz/mm HB FRANKFURT/M. Spediteur Gerhard Schweinle, auf dessen Informationen die Vorwürfe beruhen, weigert sich, seine Quelle offen zu legen. Das sagte dessen Anwalt dem Handelsblatt: „Als Beschuldigter hat Schweinle das Recht zu schweigen, und das wird er tun.“ Bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft hieß es lediglich, jetzt würden die bei Durchsuchungen sichergestellten Unterlagen ausgewertet.

Bei der Untersuchung geht es um möglichem Insiderhandel vor der überraschenden Rücktrittsankündigung von Konzernchef Jürgen Schrempp Ende Juli. Die Bekanntgabe hatte den Daimler-Aktienkurs binnen Minuten um zehn Prozent in die Höhe getrieben.

Ausgelöst hatte die Ermittlungen der Sprecher des Verbandes kritischer Daimler-Aktionäre, Jürgen Grässlin. Grässlin versichert, er habe bereits zwölf Tage vor der offiziellen Meldung über den Führungswechsel Informationen über den Rückzug Schrempps erhalten. Außerdem hätten ein Daimler-Vorstand und eine Führungskraft mit verbotenen Wertpapiergeschäften von dem massiven Kursanstieg profitiert.

Daraufhin durchsuchte die Stuttgarter Strafverfolger in der vergangenen Woche Wohnung und Büros der Daimler-Manager Grube und Schick, aber auch die Privaträume von Grässlin. Von dem Konzernkritiker wollten die Staatsanwälte vor allem wissen, woher er seine Informationen hat. Grässlin nannte den Staatsanwälten den Namen Schweinle. Der wiederum will die brisanten Aussagen von einem hochrangigen Daimler-Mitarbeiter erhalten haben.

Die zwei beschuldigten Daimler-Manager Grube und Schick kündigten weitere rechtliche Schritte gegen die Insider-Vorwürfe an. Beide hatten bereits Anzeige gegen Unbekannt wegen der Verbreitung von Falschaussagen erstattet und eidesstattlich ihre Unschuld versichert. Grässlin und Schweinle wollen gegen die Durchsuchungen ihrer Wohnungen juristisch vorgehen.

Schweinle ist bei Daimler kein unbekannter. Lange war der 44-Jährige einer der größten Spediteure für den Autokonzern. Außerdem hatte er über 1  000 Neuwagen mit Rabatt gekauft und ins Ausland weiterverkauft. Wegen dieser Graumarkt-Geschäfte war er 2003 wegen Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

Seitdem führt der Spediteur einen juristischen Feldzug gegen Daimler. Das Urteil hatte der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings kassiert: Im Hauptanklagepunkt Betrug wurde Schweinle freigesprochen, der Punkt Steuerhinterziehung wurde an das Landgericht zurückverwiesen.

Im März 2005 wurde der Spediteur, der zwei Jahre und sieben Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte, wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahre und acht Monaten Haft verurteilt. Auch dieses Urteil hat der BGH aufgehoben: Weil von der ursprünglichen Anklage der gravierendere Vorwurf des Betrugs weggefallen und nur noch die Steuerhinterziehung übrig geblieben ist, sei nicht erkennbar, wie das Landgericht auf die relativ hohe Strafe von zwei Jahren und acht Monaten komme.

Spekulationen, wonach auch die Deutsche Bank ins Visier der Insider-Ermittler geraten sei, bestätigten sich nicht. Eine Sprecherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sagte, es gebe keine konkrete Untersuchung gegen die Deutsche Bank. Die Behörde schaue sich alle in Frage kommenden Geschäfte an, dazu gehörten auch die der Deutschen Bank. Das Geldhaus bis dato größer Einzelaktionär des Autokonzerns, hatte sich unmittelbar nach dem Schrempp-Rücktritt von 35 Mill. Aktien des Autoherstellers getrennt.