Artikel »Schatten auf dem Stern:
Atomwaffen - Die
Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) Schatten auf dem Stern: Atomwaffen - Landminen - Arbeitsplatzvernichtung von Dr. Wolfgang Menzel Milliardenverluste und Massenentlassungen bei Chrysler in den USA, ein dramatisch gesunkener Aktienkurs, trotz gegenteiliger Beteuerungen weiterhin Landminen im Programm, über die EADS Beteiligung an der Entwicklung von Atomwaffen, keine nennenswerten Verbesserungen bei den Verbrauchswerten der Fahrzeugflotte, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen der Beteiligung leitender Mitarbeiter an schwersten Menschenrechtsverletzungen in Argentinien - die Hauptversammlung von DaimlerChrysler am 11. April 2001 im ICC Berlin hatte es in sich. Eine Stunde vor Mitternacht war die kleine Sensation perfekt: Der vom Dachverband der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler als Alternativkandidat für einen Sitz im Aufsichtsrat vorgeschlagene Berliner Konversions-Experte Prof. Dr. Ulrich Albrecht erhielt bei den Wahlen zum Aufsichtsrat erstaunliche 27 Millionen Stimmen. Die Kandidaten der Verwaltung, der Amerikaner Earl G. Graves und der Holländer Victor Halberstadt, erhielten zwar mit je 361 Millionen Stimmen erwartungsgemäß den Löwenanteil, doch sind die 3,6 Prozent der abgegebenen Stimmen für Albrecht mehr als nur ein Achtungserfolg. Sie sind als eindeutiges Misstrauensvotum der vielen Kleinaktionäre gegenüber der Konzernführung zu werten. Nimmt man die übrigen Abstimmungsergebnisse hinzu, wird das Ausmaß des Vertrauensverlustes deutlich. Statt mit den üblichen 99,x Prozent wurde der Vorstand nur noch von 94,03 Prozent der abgegebenen Stimmen (22 Millionen Nein-Stimmen), der Aufsichtsrat gar nur mit 88,43 Prozent (fast 43 Millionen Nein-Stimmen) entlastet. Fast 6 bzw. fast 12 Prozent Gegenstimmen - das hört sich bescheiden an. Ist es aber nicht. Denn alle rund 1,9 Millionen Kleinanleger halten nur ca. 24 Prozent des Grundkapitals (und damit der Stimmrechte). Die absolute Mehrheit haben die Großaktionäre Deutsche Bank (11,7%) das Scheichtum Kuwait (7,3%) und so genannte »institutionelle Anleger« wie Großbanken, Investment und Pensionsfonds (ca. 55%) - und die verfügen über den direkten Draht zum Vorstand und Aufsichtsrat, legen schon im Vorfeld die Marschrichtung fest. Wenn also fast die Hälfte aller Kleinaktionäre dem Aufsichtsrat die Entlastung verweigert, dann will das schon etwas heißen. Denn viele haben ihr Stimmrecht gar nicht ausgeübt und sind zu Hause geblieben. Grund hierfür ist vor allem die für Anteilseigner und Beschäftigte desaströse Konzernbilanz und erst in zweiter Linie die Tatsache, dass der Konzern auf internationalen Rüstungsmessen weiterhin Landminen feilbietet und durch seine Anteile am internationalen Luft-, Raumfahrt und Rüstungskonzern EADS kräftig im Rüstungsgeschäft mitmischt. Doch bekommen ethische Fragen eine zunehmende Bedeutung, zumal dann, wenn sie medienwirksam diskutiert werden und das Konzernprestige beeinträchtigen können wie beispielsweise die Landminenproduktion oder die Entschädigung von Zwangsarbeitern. Das Gros der anwesenden Anteilseigner empörte sich über die Verluste bei Chrysler und den drastisch gesunkenen Unternehmenswert des Gesamtkonzerns. Da trotzdem eine Dividende gezahlt wurde, hielt sich der Unmut jedoch in Grenzen. Die in der Presse angekündigten Tumulte blieben aus. Wenn die Firmenleitung eine Strategie der Konfliktminimierung verfolgte nach der Devise: Aktionäre nicht unnötig provozieren und ansonsten auflaufen lassen, hatte sie damit Erfolg. Ein müde und lustlos wirkender Vorstandsvorsitzender Schrempp stellte Zerknirschung zur Schau, gestand pauschal Fehler des Managements und gelobte in seiner mit Hilfe der Phrasendreschmaschine geschriebenen Rede Besserung, raunte Worthülsen wie »Herausforderungen«, »Weichenstellungen« oder »Meilensteine« ins Mikrofon. Für Schrempp und Versammlungsleiter Hilmar Kopper, seit vielen Jahren Vorsitzender des Aufsichtsrates, war diese routiniert moderierte Veranstaltung erkennbar eine lästige Pflichtübung. Die ausschließlich Herren von Vorstand und Aufsichtsrat ließen geduldig alles über sich ergehen: vereinzeltes Lob und die viele Kritik ebenso wie Beschimpfungen, Schmähungen, Beleidigungen, ja den größten Quatsch. Sogar offensichtlich geistig verwirrte Anteilseigner, eitle Selbstdarsteller, Komiker (gewollte wie ungewollte) und bekiffte Möchtegern-Spontis ließ Kopper ausreden, solange sie die verordnete Redezeit nicht überschritten. Die Veranstaltung wurde zeitweilig zur Groteske. »Einige Aktionäre haben etwas Wichtiges zu sagen, aber bei weitem nicht alle«, rügte Versammlungsleiter Kopper. Denn der hält deutsche Aktionärsversammlungen - und insbesondere diejenigen, denen er vorsitzt - für absurdes Theater. Als Mitglied einer von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für die Reform des Aktiengesetzes und entschiedener Gegner der Aktionärsdemokratie plädierte er kürzlich in einem Zeitungsinterview dafür, nur noch ausgewählten Aktionären ein Rede- und Fragerecht einzuräumen. »Es gibt keine Demokratie in dem Sinne: 'Ein Aktionär - eine Stimme', es heißt vielmehr: 'Eine Aktie - eine Stimme'. Und deswegen gibt es unterschiedliche Aktionäre.« Zu den Aktionären, die tatsächlich etwas Wichtiges zu sagen hatten, gehörten die Sprecherinnen und Sprecher des Dachverbandes der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC): In einem weitgehend entweder nur auf Profitinteressen oder aber auf Blödelei ausgerichteten Umfeld stießen ihre Beiträge auf gute Resonanz. Bereits im Eingangsbereich hatte der KADC mit einem Transparent gegen die Landminenproduktion von Daimler-Chrysler und dem acht Seiten starken alternativen Geschäftsbericht »Schatten auf dem Stern« eindeutig Flagge gezeigt. Die Massenentlassungen bei Chrysler, der Stellenabbau in der Hauptverwaltung in Stuttgart, die Vernachlässigung des Klimaschutzes, Versäumnisse beim Umweltschutz, hohe Kraftstoffverbräuche der Fahrzeugflotten, Atomwaffen- und Landminenproduktion werden darin ebenso angesprochen wie die Mitverantwortung des Konzerns an Menschenrechtsverletzungen in Argentinien während der Militärdiktatur. »Größter Kapitalvernichter der Republik«Jürgen Grässlin wies als erster Redner der Gruppe darauf hin, dass der Dachverband 1998 als einzige Aktionärsvereinigung gegen die gegen die Fusion mit Chrysler gestimmt und schon damals vor Massenentlassungen gewarnt hatte. »Herr Schrempp, macht es ihnen wirklich nichts aus, 35.000 Menschen in die Arbeitslosigkeit zu schicken? Menschen, von denen einige vielleicht nie wieder in ein festes Arbeitsverhältnis kommen werden? Sind Sie der eiskalte Manager, den so etwas gar nicht berührt?«, fragte der Schrempp-Biograph den Vorstandsvorsitzenden ganz persönlich. Und er rechnete diesem das Ausmaß der im Zuge der Fusion und aufgrund zahlreicher Managementfehler akkumulierten Kapitalvernichtung vor: 70 Milliarden Mark. Eine verfehlte Geschäftspolitik, deren Konsequenzen in erster Linie die Beschäftigten und Zulieferer des Konzerns zu tragen haben. Das für die unternehmerischen Fehlentscheidungen verantwortliche Top-Management sichert sich derweil weiterhin exorbitante Gehaltszuwächse. Als Grässlin Schrempp den »größten Kapitalvernichter der Republik« nannte und seinen Rücktritt forderte, hatte er - dem Applaus nach zu urteilen - die Mehrheit der anwesenden Anteilseigner hinter sich. Zuvor hatte bereits der für sein aufbrausendes Wesen und seine giftige Polemik bekannte Würzburger Wirtschaftsprofessor Ekkehart Wenger für eine geschliffene Rede so viel Beifall wie noch nie auf einer Daimler-Hauptversammlung erhalten. Doch der stört sich überhaupt nicht daran, dass DaimlerChrysler weiterhin kräftig im Rüstungsgeschäft mitmischt. Vor fast einem Jahr, im Juli 2000, ging die
Daimler-Benz Aerospace (DASA) in Bohrende Fragen - keine AntwortenIm Zentrum der Kritik stand jedoch einmal
mehr die Landminenproduktion. KADC-Sprecher Paul Russmann konfrontierte Jürgen Schrempp
mit der skandalösen Tatsache, dass ein Tochterunternehmen des Konzerns (RTG Euromunition
in Unterhaching) auf internationalen Rüstungsmessen immer noch für die Minen MIFF und
MUSPA wirbt. Die nennt der Konzern jetzt zwar nicht mehr Minen, sondern »Submunitionen«.
Doch für internationale Hilfsorganisationen und den deutschen Die Unternehmensleitung reagierte mit Gesprächsverweigerung. Keine Antwort auf die konkrete und doch leicht zu recherchierende Frage, ob die RTG gegenwärtig noch für die Produkte MIFF und MUSPA werbe und diese vertreibe - auch nicht auf eine entsprechende Nachfrage. Stattdessen der Hinweis, dass der Konzern weiterhin zum Ottawa-Abkommen stehe, »bestimmte Gruppen« jedoch durch das Verbreiten »falscher Behauptungen« Stimmung gegen den Konzern machten. Auf die Frage, ob der Konzern zu diesen, die Unwahrheit verbreitenden Gruppen auch das US-Verteidigungsministerium, den Nato-Partner Italien, internationale Hilfsorganisationen wie Misereor und Brot für die Welt, den mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten bundesdeutschen Initiativkreis für das Verbot von Landminen und den Leiter des Minendokumentationszentrums der Bundeswehr in München, Bertram Hacker, zähle, schwieg Jürgen Schrempp beredt. Oberstleutnant Hacker hatte in einem Interview mit dem Fernsehmagazin »Report« gesagt, man könne heute nicht mehr zwischen Anti-Personen-Minen und Anti-Fahrzeug-Minen unterscheiden. Auch eine Anti-Fahrzeug- oder Panzermine werde gegen Zivilisten wirken, wenn diese mit einem Fahrzeug auf die Mine fahren. Folterknechte auf den GehaltslistenRichtig spannend wurde es dann wieder beim Thema Menschenrechtsverletzungen in Argentinien. Bereits im Vorfeld der Hauptversammlung hatte Dachverbandssprecher Holger Rothbauer zahlreiche Anfragen vor allem ausländischer Medien hierzu beantworten müssen. Auf der Versammlung fragten er und die Fernsehjournalistin Gaby Weber, die das staatanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen den Konzern mit ihren Recherchen in Südamerika ins Rollen gebracht hat, nach der Mitverantwortung des Konzerns. Zum Hintergrund: Ein leitender Mitarbeiter
des argentinischen Mercedes-Werks, Krebserregende RußpartikelAuf sehr präzise gestellte Fragen gab es meist nur nichtssagende Floskeln zur Antwort. Auch Alexander Dauensteiner, der sich mit seinem energischen Auftreten die Aufmerksamkeit des demonstrativ weghörenden Jürgen Schrempp erkämpfte, erfuhr nichts wirklich Neues über Ökostandards, Flottenverbräuche und das ökologische Mogelpaket Brennstoffzelle. Vor allem mit seiner Forderung nach Einführung eines Partikelfilters für Dieselmotoren wie ihn der französische Hersteller Peugeot bereits serienmäßig anbietet, traf der Diplom-Ingenieur Dauensteiner einen wunden Punkt. Denn Daimler-Chrysler Dieselfahrzeuge stoßen weiterhin Krebs erregende Rußpartikel aus. Peugeot-Motoren dagegen sind jetzt schon 100 Prozent rußfrei. Der werbe- wirksam aufgebaute Mythos, DaimlerChrysler baue die besten Autos der Welt, wurde demontiert - vor rund 12.000 angereisten Anteilseignern. Eine sehr konkrete Antwort erhielt dagegen
KADC-Sprecherin Beate Weber. Die Schwerbehindertenquote bei den Mitarbeiterzahlen sei im
letzten Jahr von 0,2 auf Für den Kölner Dachverband der Kritischen
Aktionärinnen und Aktionäre sprach Ist Schrempp ein Lügner?Gebetsmühlenartig wiederholt Jürgen Schrempp seit über fünf Jahren die Behauptung: »Wir produzieren keine Landminen und haben noch nie Landminen produziert.« Durch die Kampagne Daimler-Minen Stoppen unter Druck gesetzt, schränkte er dann ein, dass er unter Landminen nur herkömmliche Anti-Personen-Minen verstehe, während der Konzern nur Anti-Fahrzeug-Minen und so genannte »Submunitionen« herstelle. Schrempp versprach auf der Aktionärsversammlung 1999, die Produktion der Panzerabwehrrichtmine PARM 1 einzustellen, sobald der Beschaffungsauftrag für die Bundeswehr erfüllt sei und die PARM 2 nicht mehr weiter zu entwickeln. Nun, da Beweise aufgetaucht sind, dass der Konzern weiterhin aktiv für die Minen MIFF und MUSPA wirbt, von denen zumindest die MUSPA als Anti-Personen-Mine angesehen werden muss, verlegt sich Schrempp darauf, das Problem zu ignorieren und auszusitzen. Er wird wenig Freude mit dieser Taktik haben. Denn schon laufen Vorbereitungen, die Kampagne »Daimler-Minen Stoppen« fortzusetzen. Wenn Schrempp, wie er es auch diesmal bekräftigte, »voll und ganz hinter dem Ottawa-Abkommen steht« und es »nach Kräften unterstützt«, dann muss er dafür sorgen, dass die Anti-Personen-Mine MUSPA sofort vom internationalen Rüstungsmarkt verschwindet. Auch hier steht seine Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Ob Schrempp, der Anteilseigner und Öffentlichkeit bei der Fusion von Daimler-Benz mit Chrysler bereits über seine Absichten und Motive getäuscht hat, ein Lügner ist, mag jeder für sich selbst beantworten.
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