Redebeitrag anlässlich der Demonstration gegen
den Besuch von US-Präsident Bush
»DIE WAFFEN NIEDER - WEITERHIN KRIEGS- ODER
ENDLICH FRIEDENSKANZLER?«
am 23. Februar 2005 in Mainz
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»DIE WAFFEN NIEDER - WEITERHIN
KRIEGS-
ODER ENDLICH FRIEDENSKANZLER?«
Redebeitrag zur Friedensdemonstration
anlässlich des Besuchs von US-Präsident Bush am 23.02.2005 in Mainz von Jürgen
Grässlin
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe
Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
wir haben uns heute in Mainz versammelt, um
gegen den Besuch des US-Präsidenten George W. Bush in der Domstadt zu demonstrieren. Als
Friedensbewegung haben wir vor einem Krieg gegen den Irak - dem dritten Golfkrieg -
gewarnt. Ich selbst habe in einem Beitrag zum Buch »NO WAR« im Dezember 2003, also
frühzeitig vor Kriegsbeginn, folgende Thesen formuliert:
- Der dritte Golfkrieg ist ein gewollter
Krieg der US-Regierung.
- Dieser Krieg stärkt die Macht der USA
und schwächt die der UNO.
- Dieser Krieg ist ein Krieg für Öl.
- Dieser Krieg führt zur humanitären
Katastrophe.
- Dieser Krieg lässt die deutsche
Regierung schwanken.
- Dieser Krieg stellt eine völkerrechts-
und grundgesetzwidrige Handlung dar.
- Der dritte Golfkrieg stärkt den
internationalen Terrorismus und bereitet den Nährboden für weitere Terroranschläge.
Was damals These war, ist heute blutige
Realität. Mit dem Krieg gegen den Irak hat sich der amtierende US-Präsident aus unserer
Sicht eines schweren Verbrechens schuldig gemacht. Doch das hat den deutschen
Bundeskanzler nicht daran gehindert, Herrn Bush zu dieser Stunde nach Mainz einzuladen.
Wir aber sagen in aller Deutlichkeit:
Herr Bush, Sie sind in Deutschland nicht
willkommen!
Herr Bush, verlassen Sie unser Land, denn
Sie sind verantwortlich für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak und die
dortige Besatzungspolitik durch die Armee der Vereinigten Staaten!
Herr Bush, verlassen Sie unser Land, denn
Sie sind verantwortlich für den Tod und die Verstümmelung Abertausender unschuldiger
Opfer im Irak und in anderen Staaten!
Herr Bush, verlassen Sie unser Land, denn
Sie sind verantwortlich für Kriegsverbrechen im Irak!
Begründet mit der so genannten
»Terrorbekämpfung« bedrohen Sie nunmehr den Iran und weitere Staaten, die Sie als die
»Achse des Bösen« bezeichnen. Die »wahre Achse des Bösen« umfasst die iranischen,
nordkoreanischen, israelischen, russischen, chinesischen, indischen, pakistanischen,
französischen, britischen und die US-amerikanischen Atomwaffen, die allesamt den
Weltfrieden bedrohen!
Die »wahre Achse des Bösen« reicht vom
Hunger über die Armut, die fehlende Bildung bis hin zur unzureichenden medikamentösen
Versorgung für Millionen von Menschen in aller Welt. UNICEF, das Kinderhilfswerk der
Vereinten Nationen, hat uns vor wenigen Tagen eindringlich vor Augen geführt, wo die
Wurzeln des Terrors zu suchen sind: In Uganda sterben jedes Jahr rund 184.000 Kinder, in
Äthiopien 506.000 Kinder, im Kongo gar 545.000 Kinder vor Erreichen des fünften
Lebensjahrs. Zu Recht hat Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul darauf
hingewiesen, dass täglich 30.000 Kinder an Krankheiten sterben, die geheilt werden
könnten, wenn genügend Ärzte und Medikamente vor Ort wären. Die Saat des Terrors
gedeiht in einer Weltwirtschaftsordnung, deren ungerechte Strukturen dafür sorgen, dass
die Schere von Armut und Reichtum immer weiter auseinander klafft.
Die »wahre Achse des Bösen« umfasst alle
kriegs- und bürgerkriegsführenden Armeen und diejenigen Staaten, die - wie die USA und
Deutschland - Waffen an menschenrechtsverletzende Regime exportieren. Zudem trägt die
hemmungslose Wirtschafts- und Umweltverschmutzungspolitik der USA massiv dazu bei, dass
die Klimakatastrophe wahrscheinlicher wird, dass verstärkt Kriege um Rohstoffe wie Erdöl
und Wasser geführt werden, dass riesige Landstriche unbewohnbar und noch mehr Menschen zu
Flüchtlingen gemacht werden.
Dass Sie, Herr Bush, bisher keinerlei
Interesse an der Lösung dieser Menschheitsprobleme gezeigt haben, offenbart sich in der
gesamten Ausrichtung Ihrer Außen- und Innenpolitik: von der unglaublichen
Ressourcenverschwendung zur Kriegsführung in aller Welt über den permanenten Bruch von
Menschrechten, der Folterungen in Abu Ghraib und Guantanamo bis hin zur weltweit
zweithöchsten Zahl von Hingerichteten im eigenen Land.
Die Opfer Ihrer Politik sind längst nicht
mehr zählbar. Aus meiner Sicht muss gegen Sie, Herr Bush, Anklage vor einem
internationalen Strafgericht erhoben werden - wegen der Anordnung schwerster
Menschenrechtsverletzungen und des Bruchs des Völkerrechts im Irak-Krieg!
Und aus diesem Grund sagen wir auch in
Ihrer Sprache:
Mr. Bush, you are not welcome in Germany!
Mr. Bush, leave our country, because you
are responsible for the break of international law in the war against Iraq and the
politics of occupation by the US-Army!
Mr. Bush, leave our country, because you
are responsible for the death and mutilation of many thousands of innocent victims in Iraq
and other countries!
Mr. Bush, leave our country, because you
are responsible for acts of war crimes!
Dass der deutsche Bundeskanzler diesem
US-Präsidenten in Mainz einen Empfang bereitet, verrät vieles über dessen Gesinnung.
Herr Schröder, »Null Toleranz!« darf nicht nur gegenüber Rechtsextremisten gelten, sie
muss auch gegenüber Menschenrechtsbrechern und Kriegsverbrechern ihre Gültigkeit haben!
Herr Schröder, Ihre Regierung hat in den
vergangenen Jahren häufig Frieden gepredigt, gleichzeitig jedoch Krieg in Afghanistan
geführt und zugleich den Krieg im Irak - zumindest indirekt - unterstützt:
Diese Regierung ermöglichte die Nutzung
der auf deutschem Territorium gelegenen Militärflughäfen, wie die Rhein-Main-Airbase,
Ramstein und Spangdahlem!
Diese Regierung erleichterte den
Kriegseinsatz der in Deutschland stationierten GIs, indem Bundeswehrsoldaten während des
völkerrechtswidrigen Krieges gegen den Irak US-Militäreinrichtungen in Deutschland
bewachten!
Diese Regierung leistet zurzeit
Ausbildungs- und Materialhilfe für irakische Truppen!
Diese Regierung hat die Zahl der
Auslandseinsätze der Bundeswehr verfünffacht!
Diese Regierung unterstützt eine
EU-Verfassung, in der Aufrüstung verpflichtend festgeschrieben werden soll!
Diese Regierung liefert Waffen an
kriegsführende und menschenrechtsverletzende Staaten!
Herr Schröder, die Politik Ihrer Regierung
ist keine Friedenspolitik, sondern aktive Kriegsunterstützungspolitik! Ihre so genannte
»Sicherheitspolitik« führt zum Gegenteil dessen, was Sie als Ziel vorgibt.
Mit der verstärkten Militär- und
Rüstungspräsenz auf der Weltbühne will die Bundesregierung Ihrem Anspruch nach einem
Ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat Geltung verschaffen. Wir aber fragen Sie, Herr
Schröder: Wie hoch ist der Preis, den Sie bezahlen wollen, um als Ständiges Mitglied im
UN-Sicherheitsrat über Krieg und Frieden mitentscheiden zu dürfen? Wie viele Menschen
müssen noch durch Kampfeinsätze des Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr
getötet werden? Wie viele weitere Opfer wollen Sie durch den Export deutscher Waffen in
Krisen- und Kriegesgebiete verantworten, Herr Schröder?
Als Friedens-, Frauen-, Menschenrechts-,
Dritte-Welt- und globalisierungskritische Bewegung haben wir uns das Ziel einer
friedlicheren, sozialeren und gerechteren Welt gesetzt. Den Weg hat uns Bertha von Suttner
aufgezeigt, die 1905 - also vor genau einhundert Jahren - als erste Frau den
Friedensnobelpreis erhalten hat. Ihre Friedensarbeit gipfelte in der Forderung: »Die
Waffen nieder!«
Herr Schröder, »Die Waffen nieder!«
stellt Sie am heutigen Tag vor eine klare Entscheidung: Wollen Sie weiterhin als
Kriegskanzler massiv aufrüsten oder als Friedenskanzler endlich den Prozess der
Abrüstung und Entmilitarisierung einleiten? Setzen Sie fortan die richtigen Signale:
- Überzeugen Sie Ihren Gast George W. Bush
davon, dass die Besatzung des Irak beendet werden muss!
- Vereinbaren Sie mit Herrn Bush den
sofortigen Abzug und die Verschrottung aller US-Atomwaffen, die bis heute in Deutschland
stationiert sind!
Für das Jahr 2005 bedeutet Bertha von
Suttners »Die Waffen nieder!« zudem:
- Setzen Sie sich für eine EU-Verfassung
mit dem festgeschriebenen Ziel der Abrüstung und Entmilitarisierung ein!
- Beenden Sie die Beteiligung der
Bundeswehr an allen NATO- und EU-Einsätzen im Nahen und Mittleren Osten!
- Senken Sie den Rüstungshaushalt um
mindestens fünf Prozent pro Jahr und verwenden Sie die eingesparten Gelder zum Erhalt und
Ausbau des Sozialstaats!
- Stoppen Sie sofort alle Rüstungsexporte!
Für uns Aktive in der sozialen Bewegung,
aber auch für PazifistInnen und AntimilitaristInnen verschiedener Glaubensgemeinschaften,
von Parteien und Gewerkschaften bedeutet dies, dass wir alle den Druck auf die
Bundesregierung erhöhen müssen, damit endlich konkrete »Schritte zur Abrüstung«
erfolgen. Für junge Männer und Frauen bedeutet das die massenhafte Verweigerung des
Kriegsdienstes.
Lassen Sie mich enden mit einer Aussage des
Pazifisten Albert Einstein aus dem Jahr 1955, der im Einstein-Jubiläumsjahr nicht fehlen
darf. Diese Aussage sollte als Mahnung und Zielvorgabe weithin sichtbar als Transparent am
Deutschen Bundestag angebracht werden. Albert Einstein erklärte: »Die schlimmste
Ausgeburt des Herdenwesens
das mir verhasste Militär
, diesen Schandfleck der
Zivilisation, sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen.« Ich schließe
in dieses Einstein-Zitat alle Armeen - ausdrücklich auch die US-Army und die Bundeswehr -
mit ein.
Vielen Dank
Jürgen Grässlin, Bundessprecher der
Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
(1) Einstein, Albert: »Mein Weltbild«,
Ullstein 1955, S. 8. Zitiert nach: Calaprice, Alice (Hrsg.): »Einstein sagt. Zitate,
Einfälle, Gedanken«, München 2003, S. 113
Es gilt das gesprochene Wort.
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