Bericht »Razzia in Daimler-Zentrale«
in Stuttgarter Nachrichten vom 02.09.2005


Zu Artikel zu Jürgen E. Schrempp





Razzia in der Daimler-Zentrale
 
40 Beamte ermitteln vor Ort wegen Verdachts auf
verbotene Aktiengeschäfte von Topmanagern

 
Stuttgart - Der Verdacht auf Insidergeschäfte bei Daimler scheint sich zu erhärten. 40 Beamte von Justiz, Polizei und Börsenaufsicht durchsuchten gestern Büros in der Konzernzentrale sowie eine Reihe von Privatwohnungen.

VON KLAUS KÖSTER


Während im Foyer in der Konzernzentrale in Stuttgart-Möhringen hunderte Journalisten aus ganz Europa dem Bericht über die Erfolge der Omnibus-Sparte lauschten, stellten im Haus nebenan Ermittlungsbeamte Büros auf den Kopf. Die Mitarbeiter der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, des Landeskriminalamts, des Polizeipräsidiums Stuttgart und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) suchten nach Belegen für den Vorwurf, die beiden Manager hätten ihre Kenntnis vom bevorstehenden Rücktritt von Konzernchef Jürgen Schrempp unzulässigerweise zu Geld gemacht.

Sie sollen sich - so jedenfalls der Anfangsverdacht der Ermittler - an den Börsen beizeiten mit Daimler-Aktien eingedeckt haben, weil sie wussten, dass Schrempp bald darauf seinen Rücktritt ankündigen würde. Diese Ankündigung ließ den Aktienkurs innerhalb kürzester Zeit stark ansteigen. Ein Verkauf der Aktien ermöglichte dann hohe und schnelle Gewinne. Die Nutzung solcher Insiderinformationen für Börsengeschäfte wird mit Geldstrafe oder Freiheitsentzug bis zu fünf Jahren geahndet.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erklärte, der Verdacht richte sich gegen vier Beschuldigte, darunter zwei Mitarbeiter von DaimlerChrysler. Außer den Arbeitsplätzen seien auch die Wohnräume der Beschuldigten durchsucht worden. Zu Berichten, bei den Daimler-Beschäftigten handle es sich um den für die Strategie und für China verantwortlichen Vorstand Rüdiger Grube und um Kommunikationschef Hartmut Schick, wollten weder die Staatsanwaltschaft noch der Daimler-Konzern Stellung nehmen. Als eine Boulevardzeitung erstmals diese beiden Namen nannte, erklärte ein Konzernsprecher, dies seien »diffamierende Falschaussagen, die jeglicher Grundlage entbehren«; Schick selbst sprach von »Verleumdung«. Grube und Schick gaben eidesstattliche Versicherungen ab, die Vorwürfe seien falsch.

Offensichtlich richteten sich die Durchsuchungen aber nicht nur gegen zwei Daimler-Manager, sondern auch gegen die Organisation KADC, in der sich Aktionäre zusammengeschlossen haben, die dem Kurs des Konzerns kritisch gegenüberstehen. Außer der KADC-Geschäftsstelle wurden auch die Privatwohnungen der beiden Sprecher Jürgen Grässlin und Paul Russmann durchsucht. Zumindest Grässlin wird in dem Verfahren als Beschuldigter geführt. Er hatte bereits kurz nach Schrempps Rücktrittsankündigung erklärt, schon zwölf Tage zuvor von der Absicht des Konzernchefs erfahren zu haben. Damit sei Insidergeschäften Tür und Tor geöffnet gewesen.

Die KADC zeigte sich empört über die Durchsuchungen bei ihren Sprechern. »Hier wird ein Aufklärer zum Täter gemacht«, erklärte KADC-Sprecher Holger Rothbauer. Nach Informationen unserer Zeitung war es in der Tat Grässlin selbst, der die Großaktion ins Rollen gebracht hatte, indem er die Namen der beiden Manager nannte.