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N24: »Jetzt hat aber Peter Hartz in der
Süddeutschen Zeitung diese Vorwürfe zurückgewiesen. Ist es Ihrer Meinung nach
glaubhaft, dass er als Personalvorstand von diesen Vorgängen tatsächlich nichts
gewünscht hat?«
Grässlin: »Das würde wahrscheinlich
vielen Menschen so gehen, dass sie erst einmal reagieren und sagen: Nein, das geht mich
nicht an, mein Name ist Hase, ich weiß von nichts, oder mein Name ist Hartz. In
Wirklichkeit muss er davon gewusst davon, das geht nicht anders, denn er ist Personalchef.
Bei VW haben wir ein >System Volkswagen<, das eine enge Verbindung von Betriebsrat,
und damit natürlich auch von Aufsichtsräten, und dem Vorstand über Jahre hinweg
praktiziert hat, wie das bei keinem anderen Großkonzern haben. Meines Erachtens hat Herr
Hartz gewusst, was Sache ist. Meines Erachtens hat auch Herr Piëch gewusst, was Sache
ist. Aber natürlich muss man das beweisen, und bis dahin ist das noch ein weiter Weg.«
N24: »Hat da aber nicht auch der
Aufsichtsrat als Kontrollgremium versagt in diesem Fall?«
Grässlin: »Im Aufsichtsrat ist der
größte Anteilseigener das Land Niedersachen mit 18 Prozent der Anteile. Da sitzt Herr
Wulff im Aufsichtsrat als Ministerpräsident von Niedersachen, CDU, und Herr Hirche,
Wirtschaftsminister Niedersachsens, FDP. Herr Hirche hat gesagt: Ich weiß von alledem
nichts. Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn er wirklich nicht gewusst haben sollte,
denn es sind ja solch eklatante Vorwürfe im Raum stehend, dann muss man sagen: Das
eigentliche Kontrollgremium bei Volkswagen funktioniert überhaupt nicht, da ist ein
Totalversagen feststellbar. Sie können nicht vom Arbeitnehmer am Band, erwarten, dass er
die Chefs - sowohl im Management als auch im Aufsichtsrat und im Betriebsrat -
kontrolliert. Das muss der Aufsichtsrat machen. Und wenn jetzt der Aufsichtsrat sagt »Ich
weiß von nichts«, dann haben wir ein so genanntes »Kontrollgremium«, das de facto viel
Geld kassiert und gleichzeitig nicht in der Lage ist, die Kontrollfunktion wahrzunehmen.«
N24: »Welche Auswirkungen des Skandals
erwarten Sie jetzt auf den Wahlkampf. Sie haben ja schon die engen Verbindungen von Peter
Hartz zum Bundeskanzler beschrieben?«
Grässlin: »Mich erinnert die ganze
Geschichte an den Fall von Herrn Pfahls, der wird in Augsburg vor Gericht verhandelt. Im
einen Fall hat die SPD großes Interesse, dass Herr Kohl vor Gericht kommt. Im anderen
Fall hat nun die CDU, Herr Wulff in Person, großes Interesse, dass Herr Hartz und damit
auch Herr Schröder in den Schlagzeilen steht in den nächsten Monaten. Hinter diesem
VW-Skandal steht natürlich auch ein enormer Politskandal, der sich hier abzeichnet. Wir
werden wohl im Wahlkampf damit rechnen müssen, dass die Schlammschlacht jetzt eröffnet
wird.«
N24: »Jürgen Grässlin war das. Buchautor
und ein echter Kenner der Automobilbranche. Vielen Dank für diese Einschätzungen.«
Grässlin: »Sonnige Grüße nach Berlin.«
Hintergrundinformationen zu Ferdinand
Piëch, seiner Karriere, seinem Kontakt zum Aufsichtsrat und dem Betriebsrat siehe:
www.juergengraesslincom/buchautor.htm
»Ferdinand Piëch. Techniker der Macht«
Droemer Verlag und Knaur-Verlag, München