Bericht » Jürgen Grässlin - der unterschätzte
David aus Freiburg«
in Stuttgarter Nachrichten vom 02.09.2005
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Jürgen Grässlin - der unterschätzte David aus Freiburg
Der hartnäckige
Schrempp-Kritiker brachte die
Razzia gegen den Konzern ins Rollen
An diese Hochzeitsfeier
wird sich Jürgen Grässlin noch lange erinnern: Der Sprecher der Kritischen
Aktionär/innen DaimlerChrysler war dabei, als ein Mitglied seines Verbands im
rheinhessischen Eckelsheim das Jawort sprach. Danach stieß man mit einem Gläschen Sekt
an und war sich einig: Auf die Zeit nach Schrempp.
Dieser Trinkspruch deutet
nach Ansicht der Stuttgarter Staatsanwaltschaft möglicherweise auf den Tatbestand der
unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen nach Paragraf 14 und 38 des
Wertpapierhandelsgesetzes hin. Denn das Sätzchen, das den Schrempp-Kritikern um Grässlin
leicht über die Lippen geht, war nicht einfach so dahingesagt. Am gleichen Tag - dem 16.
Juli - hatte Grässlin von einem Informanten aus dem Daimler-Konzern erfahren, dass
Schrempps Tage bei Daimler gezählt sind. Zwar wusste Grässlin da noch nicht, dass
Schrempp genau zwölf Tage später seinen Rücktritt ankündigen würde - doch dass es
dazu kommen würde, dessen war Grässlin sich nun sicher. Rechtlich gesehen wurde er damit
möglicherweise zum Sekundärinsider. Denn er besaß nun vielleicht eine »konkrete
Information über nicht öffentlich bekannte Umstände (...), die geeignet sind, im Falle
ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere
erheblich zu beeinflussen«. Wenn dem flotten Trinkspruch genauere Erläuterungen gefolgt
sein sollten, hat Grässlin damit nach Ansicht von Börsenaufsicht und Staatsanwaltschaft
womöglich unzulässig Insider-Informationen weitergegeben.
Doch soll die
Wertpapieraufsicht nicht vor allem verhindern, dass Insider ihr Wissen zu Geld machen?
Dass Grässlin selbst Aktien gekauft hat, halten die Ermittler aber für derart
ausgeschlossen, dass sie dies noch nicht einmal als Vermutung äußern. In der Tat: Wenn
Grässlin seine Informationen zu Geld hätte machen wollen, hätte er sein Wissen wohl
kaum an die große Glocke gehängt.
Grässlin, der einmal eine
Biografie über Schrempp, wie er ein Freiburger, geschrieben hatte, ist einer der
schärfsten Kritiker des Konzernchefs. Bei Daimler wurde er teils belächelt, teils als
Ärgernis empfunden. Doch die Informationen, die er der Börsenaufsicht zur Verfügung
stellte, wurden von dieser offenbar als derart fundiert bewertet, dass sie diese zum
Anlass für eine große Razzia nahm. Möglicherweise hat der große Goliath aus Stuttgart
den widerspenstigen David aus dem Badischen gewaltig unterschätzt.
Klaus Köster
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