Spekulationen über
Gründe für Abschied von
DaimlerChrysler-Chef Schrempp nehmen zu
Von Marco Dalan
Die wahren Gründe für den
spektakulären Abgang von DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp liegen auch am Tag drei
nach der Ankündigung noch immer im dunkeln. Der Aufsichtsrat schweigt beharrlich.
Angeblich war der Rücktritt schon lange geplant.
Düsseldorf - Der
Großaktionär Deutsche Bank nutzte die Gunst der Stunde und das Kursfeuerwerk nach dem
angekündigten Abschied, um sich von einem Aktienpaket im Wert von 1,4 Mrd. Euro zu
trennen. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« wiederum berichtete, als Erklärung für
Schrempps Abgang werde vor allem der Druck institutioneller Investoren herangezogen. Seit
April hätten Hedge-Fonds verstärkt DaimlerChrysler-Aktien gekauft, um Druck auszuüben.
Es ist die Stunde der
Gerüchte. Plötzlich ist in der »Süddeutschen Zeitung« von Tarnfirmen in Südafrika
die Rede, an denen Schrempp beteiligt sein soll. Die »Bild« spekuliert über Schrempps
mögliche Rolle im Skandal um Graumarktgeschäfte des Konzerns. Schließlich ermittelt die
Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen 17 Vertriebschefs des deutsch-amerikanischen Autobauers
und Mercedes-Händler. Im »Deutschlandfunk« erhebt der Sprecher der »Kritischen
Aktionäre bei DaimlerChrysler« und Schrempp-Biograph Jürgen Grässlin schwere
Vorwürfe: »Ich glaube nicht, daß dieser Rücktritt freiwillig ist. Ich bin mir ziemlich
sicher, daß im Herbst noch die dicke Bombe platzt.« Beweise für seine Andeutungen
bleibt er schuldig.
Dafür reagiert
DaimlerChrysler. Nachdrücklich weisen die Stuttgarter alle Vorwürfe aufs schärfste
zurück. Der Konzern kündigt rechtliche Schritte gegen Grässlin sowie den Würzburger
Betriebswirtschaftsprofessor Ekkehard Wenger wegen der Verbreitung von Falschaussagen an.
Zu den Tarnfirmen-Vorwürfen in Südafrika sagte ein Sprecher in Stuttgart: »Das ist
alles erlogen. Herr Schrempp ist an keiner Zulieferfirma beteiligt.«
EU-Industriekommissar Günter Verheugen verlangte allerdings von DaimlerChrysler, die
Hintergründe des Ausscheidens von Schrempp offenzulegen. »Große Unternehmen kommen
heute nicht mehr ohne Transparenz aus. Ich würde immer dazu raten, Entscheidungen dieser
Art gründlich zu erklären, um zu vermeiden, daß wilden Spekulationen Tür und Tor
geöffnet werden«, sagte Verheugen der »Bild am Sonntag«. Der Vizepräsident der
EU-Kommission nannte die Skandale »in ihrer Häufung besorgniserregend«.
Jürgen Schrempp selbst
sieht die Dinge viel gelassener. »Ich habe darüber schon seit einiger Zeit mit dem
Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper gesprochen«, sagte Schrempp dem »Focus«. Dabei
hätten sie dann festgestellt, daß Ende des Jahres der günstigste Zeitpunkt für einen
Führungswechsel sei. Wie das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« unter Berufung auf
Aufsichtsratschef Kopper berichtete, fanden erste Gespräche zwischen Schrempp, Kopper und
dem Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm bereits im Mai statt. Er selbst habe gespürt, daß
Schrempp nicht mehr wolle, nachdem er sich auf der Hauptversammlung auch heftige Kritik am
Job seiner Ehefrau bei DaimlerChrysler habe anhören müssen, zitierte das Blatt Kopper.
Daß in der
Pressemitteilung zum Ausscheiden Schrempps kein Wort des Dankes für dessen Arbeit
enthalten sei, beruht offenbar auf einer Panne. Demnach hatte Schrempp die Erklärung
mitformuliert und wollte den Dank nicht selbst reinschreiben. Darüber sei er
»todunglücklich«, erklärte Kopper. »Das hat Schrempp nicht verdient.« Natürlich
werde der DaimlerChrysler-Chef bei seinem Ausscheiden am 31. Dezember gewürdigt, so
Kopper, »und wie«.
Mercedes-Chef Eckhard Cordes hat
unterdessen angeblich um die Auflösung seines Vertrags gebeten, als bekannt wurde, daß
Chrysler-Präsident Dieter Zetsche Nachfolger von Schrempp wird. Der Aufsichtsrat hüllt
sich in Schweigen, bemüht sich jedoch offenbar hinter den Kulissen, Cordes doch noch zu
halten. Immerhin hat dieser ein Sanierungsprogramm für Mercedes-Benz eingeleitet. Die
Wahrscheinlichkeit, daß Cordes im Konzern bleibt, ist nach Informationen der Berliner
Morgenpost allerdings gering.