Zu Artikel zu Jürgen E. Schrempp
Durchsuchungen bei Daimler
Auch Kritische Aktionäre des
Konzerns von Strafverfolgung betroffen
Von Martin Kröger
Die Ermittlungen der Justizbehörden gegen DaimlerChrysler weiten sich aus. Mitarbeiter des Konzerns sollen im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Konzernchef Jürgen Schrempp mit Aktien verbotene Insidergeschäfte betrieben haben.
Nach der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am Donnerstag auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen gegen DaimerChrysler eingeleitet. Mitarbeitern des Konzerns wird vorgeworfen, den Aktienkurs manipuliert und illegale Insidergeschäfte mit Wertpapieren getätigt zu haben, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Strafverfolger aus Stuttgart wurden aktiv, nachdem die BaFin bereits Mitte August eine förmliche Untersuchung nach einem Anfangsverdacht eingeleitet hatte. Die Börsenaufsicht vermutet, dass Mitarbeiter des Konzerns vor der Ankündigung des Rücktritts des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp Aktien über Strohmänner erworben hätten. Diese Wertpapiere sollen sie dann nach der öffentlichen Bekanntgabe des Rücktritts mit großem Gewinn wieder verkauft haben: Die DaimlerChrysler-Aktie hatte am 28. Juli, als Schrempp seinen Rücktritt bekannt gab, je nach Börsenhandelsort zwischen neun und zehn Prozent kräftig zugelegt. DaimlerChrysler werde mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten, erklärte inzwischen ein Firmensprecher. Konkrete Angaben zu den Beschuldigten und den Vorwürfen machte der Konzern jedoch nicht. Nach Informationen der »Bild-Zeitung« handelt es sich bei den Verdächtigen um die engen Schrempp-Vertrauten Rüdiger Grube, der im Daimler-Vorstand für Strategie zuständig ist, und Kommunikationschef Hartmut Schick. Beide gingen unterdessen mit eidesstattlichen Versicherungen gegen die Vorhaltungen der Boulevardzeitung vor.
Neben den Razzien in der Daimler-Zentrale durchsuchte die Ermittlungsbehörde allerdings auch die Geschäftsstelle des gemeinnützigen Vereins »Ohne Rüstung Leben«, in der auch die Kritischen Aktionäre des Automobilriesen untergebracht sind, sowie die Privatwohnungen der Sprecher Jürgen Grässlin und Paul Russmann. Die Ermittler waren auf der Suche nach dem Sekundärinformanten Grässlin, erläuterte Paul Russmann dem ND. Grässlin hatte kurz nach dem Rücktritt von Jürgen Schrempp erklärt, schon zwölf Tage vorher von den wohl gehüteten Rücktrittsabsichten erfahren zu haben. Sollte dies zutreffen, ist es wahrscheinlich, dass andere ebenfalls über die nötigen Informationen verfügt haben, um Insiderhandel zu betreiben.
»Zweck der Durchsuchung war die undichte Stelle im DaimlerChrysler-Konzern«, bestätigt der Anwalt der Kritischen Aktionäre, Holger Rothbauer. Er begrüßte die Durchsuchung der Konzernzentrale, kritisierte aber die Durchsuchung bei seinen Mandanten als »völlig überzogen« und »rechtswidrig«. »Hier wird ein Aufklärer zum Täter gemacht«, sagte Roth-bauer. Schließlich hätten Grässlins Aussagen den Anfangsverdacht für die Ermittlungen gegen die Konzern-Mitarbeiter geliefert. Gegen die Durchsuchungen legte Rothbauer Rechtmittel ein.
Indes waren die Ermittler offenbar erfolgreich. Der Informant, der Grässlin angeblich über den Abgang Schrempps informiert hatte, soll der ehemalige Vertriebsleiter und Spediteur Gerhard Schweinle gewesen sein. Bei ihm soll die Staatsanwaltschaft inzwischen ebenfalls eine Hausdurchsuchung vorgenommen haben. Schweinle ist kein Unbekannter. In einem weiteren schwebenden Verfahren gegen ihn geht es darum, ob im familiären Umfeld Schrempps so genannte Graumarkt-Geschäfte vorgenommen wurden. Dabei sollen Mercedes-Händler mit hohem Rabatt Fahrzeuge an Händler im Ausland verkauft haben, die wiederum die dort ansässigen Mercedes-Vertragshändler unterboten, was nach EU-Recht strafbar wäre. Kritiker mutmaßen, dass der vorzeitige Rücktritt Schrempps mit diesen illegalen Geschäftspraktiken zusammenhängt.