Zeitungsbericht von JG
»Krieg ist gut fürs Geschäft. Geschäfte von Daimler/EADS und Heckler & Koch laufen wie geschmiert«
in Zeitung gegen den Krieg Nr. 31



»Krieg ist gut fürs Geschäft. Geschäfte von Daimler/EADS und Heckler & Koch laufen wie geschmiert«

Von Jürgen Grässlin

Kaum besser als in diesen Tagen politischer Instabilität und kriegerischer Auseinandersetzungen im Norden Afrikas, im Nahen und Mittleren Osten lässt sich belegen, wie sich rüstungsproduzierende Unternehmen in Deutschland als Kriegsprofiteure bereichern. Dank der hemmungslosen Waffenexportpolitik der Bundesregierung vermelden die EADS, mit ihrem größten Anteilseigner Daimler AG, und die Heckler&Koch GmbH (H&K) weiter steigende Profite. Im Fall des Libyen-Kriegs profitiert die EADS von Waffentransfers beiderseits der Front.

Gebetsmühlenartig betont die Bundesregierung seit Wochen ihre uneingeschränkte Solidarität mit den Demokratiebewegungen in repressiven Staaten. Dabei überschlagen sich Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle in blumigen Bekundungen: »Wir können bei der Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen keinen Kompromiss machen«, verkündete Merkel im Februar 2011. Laut Westerwelle führt der Weg zur Stabilität in Ägypten und auch Libyen einzig »über die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte«.

Berichte der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass gerade Libyen zu den Staaten gezählt werden muss, in denen Menschen- und Bürgerrechte massiv verletzt wurden und werden: »Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit blieben stark eingeschränkt«, bilanzierte ai. Menschen, die verdächtigt wurden, »sich illegal im Land aufzuhalten, wurden festgenommen und misshandelt«. Hunderte von Fällen des Verschwindenlassens sowie weiterer schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen vergangener Jahrzehnte »wurden weiterhin nicht aufgeklärt«. Zahlen aus dem Jahr 2009 belegen das Festhalten Libyens an der Todesstrafe, mindestens vier Männer wurden in dem Jahr hingerichtet – die tatsächlich erfolgte Zahl von Hinrichtungen dürfte laut amnesty international höher liegen. Die Todesurteile wurden »für eine große Anzahl von Vergehen« verkündet, zu denen unter anderem »die friedliche Ausübung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit« zählten.

Waffentransfers in Länder wie Libyen dürften gemäß Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) und Außenwirtschaftsgesetz (AWG) keinesfalls genehmigt werden. In den »Politischen Grundsätzen zum Rüstungsexport« spielt die Menschenrechtsfrage eine zentrale Rolle als Verbotsgrund. Doch wer den Mantel der Menschenrechtsrhetorik der CDU/CSU-FDP-geführten Bundesregierung lüftet, muss maßlos erschrecken. Denn die leuchtende Medaille einer vermeintlich menschenrechtsorientierten Außenpolitik besitzt eine rabenschwarze Schattenseite: die der seit Jahren währenden und permanent gesteigerten – ganz legal erfolgenden – Waffentransfers nach Libyen und in eine Vielzahl weiterer menschenrechtsverletzender Staaten. Waffen gegen Öl lautet die Devise bei Rüstungsgeschäften mit Saudi-Arabien und eben Libyen. Auch die Mithilfe bei der Abschottung der Festung Europa gegen Flüchtlinge war und ist ein Grund, Waffentransfers zu genehmigen.

Die Ausnahme: Illegale G36-Gewehrlieferung an Libyen

Deutlich sichtbar reckte Saif Gaddafi, zweitältester Sohn des Diktators Muammar al-Gaddafi, eines der treffsichersten und damit tödlichsten Gewehre in die Luft, das gegenwärtig auf dem Weltwaffenmarkt zu ergattern ist: das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch. Die Oberndorfer Waffenschmiede ist angesichts der Opferzahlen Europas tödlichstes Unternehmen. Der G36-Bautyp lässt keine Zweifel aufkommen: Auch diese Waffe stammt aus der Produktion des Oberndorfer Stammwerkes und nicht aus der spanischen Lizenzfertigung bei Santa Bárbara Sistemas. Während Saif Gaddafi seine Mitstreiter und Söldner zum Kampf gegen die Kreuzritter aus dem Abendland einpeitscht, hat die Münchener Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingestellt. Dabei spricht vieles dafür, dass der Gaddafi-Sohn das gezeigte G36-Gewehr über Paris und nach Libyen geschmuggelt hat.

Der Regelfall: Legale Rüstungsexporte und Lizenzvergaben
selbst an Diktaturen

In der Regel müssen Waffenlieferanten aus Deutschland widerrechtliche Wege erst gar nicht beschreiten. Denn das Bundesausfuhramt BAFA in Eschborn und der unter Kanzlerin Merkel tagende Bundessicherheitsrat genehmigen selbst dann Exportanträge, wenn der Transfer für Waffen und Rüstungsgüter an kriegsführende Staaten oder menschenrechtsverletzende Regime beantragt wird.

So erklärt sich auch die Tatsache, dass seit Aufhebung des Waffenembargos 2004 militärische Geländewagen, Störsender, Hubschrauber und Panzerabwehrraketen nach Libyen geliefert wurden. Das Genehmigungsvolumen deutscher Waffentransfers an das Regime Gaddafi wurde von 2008 auf 2009 auf 53 Millionen Euro verdreizehnfacht.

Profiteure des Libyen-Kriegs

Einer der maßgeblichen Profiteure ist die Daimler AG, führender Produzent und Exporteur von Militärfahrzeugen in Europa, und zugleich größter Stimmrechtseigner des Rüstungsriesen European Aeronautic Defence and Space Company (EADS N.V.). Im weltweiten Ranking liegt die EADS auf Platz 7 der rüstungsexportierenden Großkonzerne. Wie eng die Geschäftsbeziehungen mit dem diktatorischen Regime von Muammar al-Gaddafi bereits vor Ausbruch des Kriegs gewesen sind, belegt die Tatsache, dass die EADS in der libyschen Hauptstadt Tripolis eigens eine Repräsentanz eingerichtet hat. Dem Waffenhandel mit dem Diktator waren damit Tür und Tor geöffnet.

In den Jahren 2009 und 2010 lieferte die EADS für rund 168 Millionen Euro Panzerabwehrraketen vom Typ MILAN 3 an das libysche Militär. Gefertigt wurden die Missile d'Infanterie Léger ANti-char (MILAN) bei der MBDA-Systems. Mit 37,5 Prozent ist Daimler/EADS führender Anteilseigner der MBDA. In ihrer Waffenwerbung bezeichnet die EADS die Anti-Panzerrakete als eine besonders präzise schießende Waffe, gekennzeichnet durch ein »verbessertes Tötungspotenzial«.

Gefertigt wurden die Abschussanlagen der Panzerabwehrraketen von der ebenfalls zum EADS-Konzern gehörenden Firma LFK (Lenkflugkörper) im bayerischen Schrobenhausen. Auch mit Militärfahrzeugen profitiert Daimler vom Libyen-Krieg. So zeigen Filmaufnahmen auf www.youtube.com Militär-Lkws vom Typ ACTROS 4860, die Panzer der libyschen Streitkräfte ins Kriegsgebiet Richtung Bengazi transportieren.

Saubermann-Image

Um eine imageschädigende Diskussion in Deutschland zu vermeiden, sollte der Export der Panzerabwehrraketen Milan – geschätzter Wert dieses Waffendeals 168 Millionen Euro – seitens der EADS-Tochter MBDA über Frankreich erfolgen. Desgleichen sollte der Deal der EADS-Kommunikationssysteme für 128 Millionen Euro über den Vertragspartner Frankreich abgewickelt werden. Geschickt gemacht, denn das vermeintliche Saubermann-Image konnte die EADS hierzulande wahren.

Krieg ist gut fürs Konzerngeschäft, vor allem dann, wenn verfeindete Konfliktparteien gegeneinander Krieg mit Waffen und Rüstungsgütern aus derselben Unternehmensgruppe bzw. deren Beteiligungsgesellschaften führen. In diesem Sinn kann sich die Unternehmensführung darüber freuen, dass auch der NATO-Partner Großbritannien im Frühjahr 2011 EADS-Kampfflugzeuge der Typen Tornado und Eurofighter gegen Flugbasen und Stellungen der libyschen Armee einsetzt. Der Eurofighter/Typhoon ist das »modernste und leistungsfähigste marktverfügbare Mehrzweck-Kampfflugzeug der neuen Generation«, brüstet sich die Herstellerfirma. In Deutschland fertigt die EADS in Varel das Eurofighter-Rumpfmittelteil, die Montage erfolgt beim EADS-Unternehmensbereich CASSIDIAN in Manching – auch die Eurofighterkampfflieger, die über Großbritannien nach Saudi-Arabien exportiert werden.

Deutsche Waffen für Diktatur in Saudi-Arabien

Der seit 2005 regierende König Abdullah Bin 'Abdul 'Aziz al-Saud, in Persona Premierminister und militärischer Oberbefehlshaber Saudi-Arabiens, hat bislang erfolgreich den Aufbau einer demokratischen Opposition unterbunden. »Die Behörden unterdrückten weiterhin das Recht auf freie Meinungsäußerung und andere Grundrechte«, bilanziert die Menschenrechtsorganisation amnesty international in ihrem aktuellen Jahresreport 2010. Tausende Personen, unter ihnen gewaltlose politische Gefangene, wurden »aus Sicherheitsgründen« festgenommen. Die Haftbedingungen gelten als katastrophal, Misshandlungen und Folter werden systematisch angewandt. Mindestens 69 Menschen wurden im Jahr 2009 hingerichtet – darunter selbst Jugendliche. Dem Mitte Januar 2011 aus Tunesien geflohenen Diktator Ben Ali gewährt König Abdullah Asyl.

Verglichen mit den Waffentransfers nach Ägypten und Libyen befindet sich das Empfängerland Saudi-Arabien auf dem Weg zur regionalen Supermacht. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung listet bei Einzelgenehmigungen in Drittländer auf, welche Kleinwaffenexporte genehmigt worden sind: Demnach durften im Jahr 2007 ganz legal 5135 Gewehre im Wert von 7,3 Millionen Euro nach Saudi-Arabien exportiert werden. Insgesamt betrug die Summe der Ausfuhren kommerzieller Kriegswaffen nach Riad allein in jenem Jahr 10,1 Millionen Euro. Wobei neben dem Transfer von Sturmgewehren auch der von Maschinenpistolen genehmigt wurde. Zurzeit wird in Saudi-Arabien in Lizenz von Heckler & Koch ein Produktionswerk für das Sturmgewehr G36 errichtet. Laut Aussagen eines Mitarbeiters soll die Oberndorfer Waffenschmiede allein durch dieses Projekt einen Umsatz von mindestens 220 Millionen Euro verbuchen können – fast der Jahresumsatz der Heckler & Koch GmbH.

Seit 2008 wird Saudi-Arabien sogar in den Top Ten der Empfängerländer deutscher Waffen geführt – Tendenz stetig steigend. Dabei genehmigte die Bundesregierung unter Merkels Führung unter anderem den Export von Teilen für Feuerleiteinrichtungen, Bodenüberwachungsradar, Teile für Kampfflugzeuge, Tankflugzeuge, Teile für Raketen und Granaten, elektronische Kampfführung und Grenzsicherungssysteme. Für das saudi-arabische Grenzsicherungsprogramm erhielt die Division »Verteidigung und Sicherheit« (heute CASSIDIAN) der EADS im Sommer 2009 den Zuschlag. »Es handelt sich um das weltweit größte Projekt dieser Art«, brüstet sich die EADS-Führung. Mit der EADS-Technik könne »das gesamte Grenzgebiet des Königreichs« gesichert werden.

Der Transfer von Waffen und Rüstungsgütern für Saudi-Arabien umfasste 2009 den Genehmigungswert von 167,9 Millionen Euro – das ist rund das zweieinhalbfache Volumen für Ägypten und sogar mehr als das dreifache für Libyen. Damit rangiert das diktatorische Königshaus in Saudi-Arabien offiziell auf Platz 6 der deutschen Empfängerländer. Der reale Wert der Waffentransfers an Saudi-Arabien ist de facto noch höher. Denn der Export von Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter (EF), in seiner Exportversion Typhoon genannt, erfolgt über Großbritannien. Die zweite Tranche, die im Oktober 2008 anlief, umfasste auch die 72 Kampfjets für Saudi-Arabien.

Mit Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter/Typhoon lassen sich Kritiker innerhalb und außerhalb des Landes abschrecken und kriegerische Auseinandersetzungen gewinnen. Mit aus Deutschland gelieferten oder in Eigenproduktion gefertigten G36-Sturmgewehren von Heckler & Koch lässt sich die kritische Opposition unterdrücken. Mit dem EADS-Grenzsicherungsprogramm lassen sich zukünftig Fluchtversuche aus dem Land überwachen und gegebenenfalls unterbinden. Dabei dürfte die 9000 Kilometer langen Grenzzäune, die längsten weltweit, zukünftig beispielsweise auch in Osteuropa Interessenten finden – zur Abwehr missliebiger Flüchtlingsströme.

Deutsche Kriegsprofiteure

Nach einer zwischenzeitlichen Durststrecke macht sich zurzeit bei der EADS wieder Euphorie breit – auch dank bestens florierender Waffengeschäfte. Konzernchef Louis Gallois und Finanzchef Hans Peter Ring präsentierten auf der Bilanzpressekonferenz im März 2011 die aus Konzernsicht äußerst erfreulichen Zahlen des Vorjahres. Hatte beispielsweise die Militärsparte Airbus Military 2009 noch einen Verlust beim EBIT (die operative Ergebnisgröße vor Steuern) von immerhin 1,754 Mrd. Euro verzeichnet, so lag dieser 2010 mit 21 Mio. Euro wieder im Plus. Desgleichen stiegen im Militärbereich CASSIDIAN Umsatz und EBIT.

Und auch bei Heckler & Koch in Oberndorf können die Champagnerkorken knallen: Seit Jahren präsentiert sich H&K als äußerst erfolgreicher Waffenproduzent und -exporteur. Die topaktuellen Bilanzzahlen für 2010 sprechen die Sprache der Kriegsprofite: Der Umsatz konnte um knapp sechs Prozent auf 247,2 Millionen Euro gesteigert, der Gewinn von 17 auf 30,4 Mio fast verdoppelt werden. Aus dem Management kommt die vage Begründung, wonach das aus Firmensicht äußerst profitable Waffengeschäft »vor allem mit Verkäufen für ein großes Projekt« erzielt worden sei – wohl aus Imagegründen wird der G36-Lizenzdeal mit dem diktatorischen Königshaus in Riad nicht genannt.

Mitmachen bei »Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!«

Die hier beispielhaft genannten Rüstungstransfers nach Libyen und Saudi-Arabien stellen keinesfalls singuläre Fälle dar. Vielmehr genehmigten die Bundesregierungen in den vergangenen Jahrzehnten in einer stillschweigend geschlossenen Allparteienkoalition von CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNEN vielzählig den Export von Waffen und Rüstungsgütern an Scheindemokraten und Diktatoren in aller Welt. Wer als Oppositionspartei Waffenhandel kritisierte, legalisierte und legitimierte diesen in Regierungsverantwortung – eine Situation, die bis heute trägt. Bis heute bleibt die Frage fortwährender Waffentransfers an menschenrechtsverletzende Staaten vakant. Zu ihnen zählen Brasilien, Indonesien, Israel, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Nigeria, Oman, Pakistan, Singapur, Thailand, Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate und weitere.

Alle Waffenlieferungen und Lizenzvergaben an diktatorische und scheindemokratische Regime müssen sofort gestoppt werden. In einem zweiten Schritt muss Artikel 26 (2) des Grundgesetzes ergänzt, in seiner Neufassung der Export von Waffen und Rüstungsgütern grundsätzlich verboten werden. Mit diesem Ziel werden die AGDF, DFG-VK, Franziskaner, IPPNW, Pax Christi deutsche Sektion, Ohne Rüstung Leben und das RüstungsInformationsBüro sowie viele weitere Friedensorganisationen im Mai 2011 die Informations- und Druckkampagne »Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel« starten. Unterstützerinnen und Unterstützer sind herzlich willkommen.

Informationen über Rüstungsexporte siehe www.rib-ev.de (Rüstungsexportberichte der Bundesregierung, der GKKE und SIPRI), www.aufschrei-waffenhandel.de, www.dfg-vk.de und www.juergengraesslin.com.

Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungs-, Militär- und Wirtschaftspolitik.