Zeitungsbericht »Universal, aber längst nicht zivil« in Badisches Tagblatt vom 13.02.2010



Universal, aber längst nicht nur zivil

Von Thomas Senger

Gaggenau - »Der Unimog bei den Streitkräften« heißt das neue Schwerpunktthema des Unimog-Museums für 2010. Im Blickpunkt: Schweizer Armee und Bundeswehr. Am 25. April soll die Ausstellung eröffnet werden. Damit nehmen sich die rührigen Mitglieder des Museumsvereins eines Themas an, das bislang in der öffentlichen Wahrnehmung wenig zur Geltung kommt.

[Foto Bundeswehr-Unimog]

»Landwirtschaftsgrün, Feuerwehrrot und Kommunal-Orange« - das sind die Farben des Museums-Signets, das wiederum »auf den typischen Unimog-Fahrzeugfarben basiert«, heißt es auf der Museums-Homepage. Doch ist dies nur ein Teil von Historie und Gegenwart des Universal-Motorgeräts. »Olivgrün«, »Saharagelb« und »Flecktarn« fehlen im Signet - also der bedeutende militärische Anteil an der Produktion von bislang rund 330000 Fahrzeugen.

Am Anfang war das Militär: Die Herkunft der Vorläufermodelle bei Boehringer hat erst unlängst Michael Wessel, der langjährige ehemalige Vorsitzende des Unimog-Clubs, erforscht: Die Ur-Typen wurden nicht, wie lange geglaubt, für die Landwirtschaft konzipiert. Konstruktionsleiter Heinrich Rößler hatte bereits im Zweiten Weltkrieg Pläne zum Bau eines Zugfahrzeugs für Feldflughäfen entwickelt. »Seine Lösungsansätze für das Schleppen der Flugzeuge im Gelände sowie den Transport von Ladung, Treibstoff und Personen konnte Rößler dann direkt beim Unimog umsetzen.« Auch, aber eben längst nicht nur für Landwirtschaft, Feuerwehren oder Bauhöfe.

Insofern ist das neue Schwerpunktthema ein guter Anfang. Denn eines ist sicher: Die wirtschaftliche Bedeutung der Militärsparte für das Benzwerk Gaggenau, wo der Unimog über 50 Jahre lang vom Band lief, und für den Wohlstand im Murgtal war immens. Und geliefert wurde in alle Welt - Großaufträge und kleinere Bestellungen. Nicht nur in Ottenau erinnert man sich an Bundeswehr-Hubschrauber, die 1986 auf dem Sportplatz landeten. Aus einem von ihnen stieg der Verteidigungsminister eines bettelarmen afrikanischen Staats (Burkina Faso) aus - zur anschließenden Unimog-Vorführung auf dem Sauberg-Übungsgelände.

»60 Prozent waren Militärfahrzeuge«

Viele Benzler werden sich auch an 1990 erinnern: Ein Großauftrag der Bundeswehr war ausgelaufen; nach der Wiedervereinigung wurden viele Rüstungs-Etats zusammengestrichen. Ein schwerer Schlag, »denn 60 Prozent der Stückzahlen waren Militärfahrzeuge«, so ein Experte.

Doch darüber spricht man nicht gerne öffentlich. Auch Ausstellungsmacher Hans-Jürgen Wischhof nicht. Als jahrelanger »Gesamtleiter des Produktbereiches Unimog« kennt er die Fakten wie kaum ein anderer. Produktionszahlen - dies sei Sache seines früheren Arbeitsgebers. Die Daimler-Zentrale geht in Deckung. Nur so viel: »Öffentlicher Dienst 85000 Einheiten, Landwirtschaft 55000, Industrie 25000, Bau/Energie 45000, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Militär, Hilfsorganisation 120000 Fahrzeuge« (Stand Ende 2008). Warum Militär und Hilfsorganisationen in ein und derselben Kategorie auftauchen, bleibt vorerst Daimler-Geheimnis.

Es ist ja auch nicht ganz einfach. Wie sind beispielsweise jene Fahrgestelle zu kategorisieren, die der türkische Hersteller Otokar seit 2009 für sein gepanzertes Fahrzeug »Kaya« verwendet? Als reines Chassis ist der Unimog 5000 ja nicht zwingend ein Militärfahrzeug - mit den entsprechenden Aufbauten aber schon.

Einer, der sich mit dem Thema auseinandersetzt, ist Jürgen Grässlin aus Freiburg. Der Buchautor (unter anderem: »Das Daimler-Desaster«) ist Vorstand der »Kritischen AktionärInnen Daimler«. Ein Unimog könne Medikamente und Nahrungsmittel transportieren, räumt Grässlin ein - aber Militär-Unimogs seien eben auch in Bürgerkriegsländern wie Sudan eingesetzt worden. Und weiter: »Wir wissen, dass türkische Streitkräfte während des 15 Jahre dauernden Bürgerkriegs Mercedes- Militär-Unimogs (...) gegen Zivilbevölkerung in Türkisch-Kurdistan eingesetzt haben.«

http://www.bt-news.de/html/content_Murgtal_top/00_20100213000000_Universal_aber_laengst_nicht_nur_zivil.htm