Rede von JG zum Weltwirtschaftsforum in Davos
»Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten!
Wer Waffenexporte stoppt, schafft die Voraussetzung
für einen gerechten Frieden!«
am 23.01.2016



Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten!
Wer Waffenexporte stoppt, schafft die Voraussetzung
für einen gerechten Frieden!

Redebeitrag von Jürgen Grässlin zum Weltwirtschaftsforum in Davos,
telefonische Liveschaltung am 23. Januar 2016, 14:30 Uhr

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Kultur des Friedens
beim Weltwirtschaftsforum in Davos,

ich grüße Sie und euch sehr herzlich aus Deutschland – einem Land, in dem sich weit mehr als 100 Organisationen der Friedens-, Entwicklungs- und Menschenrechtsbewegung, der beiden großen christlichen Kirchen, Globalisierungskritiker sowie humanitäre Hilfswerke zur Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« zusammengeschlossen haben.

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens, ihr trefft euch an diesem Wochenende in Davos unter dem ebenso wichtigen wie richtigen Motto »Fluchtursachen bekämpfen: Diese Wirtschaft tötet und produziert Flüchtlinge«. Denn allen voran tragen die politisch, wirtschaftlich und militärisch mächtigen Staaten auf der Nordhalbkugel eine massive Mitverantwortung an undemokratischen und ausbeuterischen Strukturen, an schwersten Menschenrechtsverletzungen, am Ausbruch und an der Eskalation von Kriegen und Bürgerkriegen in weiten Teilen der Welt.

Millionen von Menschen – maßgeblich in Lateinamerika, im Maghreb, der Subsahara und am Horn von Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten – müssen in dieser Zeit aus ihrer Heimat fliehen.

Der – gemessen an den Opferzahlen – tödlichste Beitrag zur Gewalteskalation und zur Destabilisierung wird geleistet von den reichen Staaten der Nordhemisphäre: Sie liefern hemmungslos Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete. Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – sind die Global Player des Handels mit Kriegswaffen. Gemeinsam mit Deutschland, der Nummer vier der Weltwaffenexporteure, verantworten diese sechs Staaten nahezu drei Viertel aller Rüstungsexporte. Was für eine Schande!

Hemmungslos genehmigte und genehmigt auch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland Waffentransfers an Staaten, in denen Kriege toben und Menschenrechte verletzt werden – selbst an Diktaturen wie Saudi-Arabien, selbst ins Kriegsland Irak.

Pars pro toto nenne ich einige wichtige Empfängerländer deutscher Kriegswaffen: In der Gegenwart sind das u.a. Ägypten, der Irak und die Türkei. In der Vergangenheit erhielten auch Afghanistan, der Iran, Somalia und Syrien Kriegswaffen aus Deutschland. Welches sind die Herkunftsländer von Flüchtlingen, die Deutschland erreichen: In der Gegenwart fliehen u.a. Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und Somalia zu uns. In der Vergangenheit waren dies vielfach Menschen aus Ägypten, Libyen, dem Iran und der Türkei, vor allem Kurdinnen und Kurden aus Türkisch-Kurdistan.

Die entscheidende Erkenntnis ist offenbar: Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten. Waffenhandel ist ein maßgeblicher Fluchtgrund. Die gelieferten Waffen werden eingesetzt gegen die Demokratiebewegung, gegen Oppositionelle, gegen vermeintliche Feinde im eigenen Land und in Nachbarländern.

Leider ist auch die Bundesregierung massiv beteiligt am Geschäft mit dem Tod: Unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wurden Rüstungsexporte in den vergangenen beiden Jahren exorbitant gesteigert. Mehr als 60 Prozent aller Kriegswaffenlieferungen gehen an sogenannte »Drittländer«, die nicht der Nato oder der EU angehören. Vielfach landen die Waffen in Händen der Militärs in Scheindemokratien und Diktaturen.

Das – gemessen an der Opferzahl – tödlichste Unternehmen Europas ist der deutsche Kleinwaffenproduzent Heckler & Koch. Allein der Einsatz von H&K-Waffen hat bis heute den Tod von mehr als zwei Millionen Menschen zur Folge, weitaus mehr Menschen wurden und werden zeitlebens verkrüppelt und traumatisiert.

Wer Fluchtursachen bekämpfen will, der muss Waffenexporte stoppen und zugleich eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und eine gerechte Weltfriedensordnung schaffen. Wer verhindern will, dass Menschen ihre Heimat verlassen und fliehen müssen, der muss für ökologisch intakte Lebensbedingungen, für die Achtung der Bürger- und Menschenrechte, für gerechte und faire Arbeitsbedingungen, für Bildung und Gesundheit und für eine Gesellschaft der Toleranz und des Friedens sorgen.

Ein zentrales Motto der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« lautet: »Grenzen öffnen für Menschen, Grenzen schließen für Waffen!« Bitte reicht dieses Motto weiter an die 40 Staatschefs und die rund 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in Davos. Notwendig ist ein umfassendes Waffenembargo der Vereinten Nationen für den Export von atomaren, biologischen, chemischen und konventionellen Waffen in den Nahen und Mittleren Osten. Folgen muss eine Ära der Abrüstung und Entmilitarisierung. Diese Friedenspolitik wäre ein dauerhafter Beitrag, die Kriege in Syrien, im Irak und dem Jemen und anderswo zu stoppen, Gewaltstrukturen dauerhaft zu überwinden und den Menschen eine lebenswerte Heimat zurückzugeben.

Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten!
Wer Waffenexporte stoppt, schafft die Voraussetzung für einen gerechten Frieden!

Vielen Dank!

Jürgen Grässlin ist Buchautor (»Schwarzbuch Waffenhandel«, »Netzwerk des Todes« u.v.a.m.), Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), der Kritischen AktionärInnen Daimler und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.)

Kontakt: graesslin@dfg-vk.de
Tel.: 0049-(0)761-7678208
Mob.: 0170-6113759
Web: www.juergengraesslin.com