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ARTE-Gastautor Jürgen Grässlin: »Kein Terror gegen Terrorkrieger«
Ja, man kann es sich leicht machen: Die größte Militärmacht, Amerika, will die Weltherrschaft! Der Westen will den Zugriff auf unser Erdöl! Die Christen wollen den Islam ausrotten! Behaupten islamische Fundamentalisten der AI-Qaida und leiten daraus das Recht ab, die Ungläubigen rund um den Globus zu verfolgen. Ihre Mittel sind die der Mindermächtigen, von Selbstmordattentaten bis hin zu Flugzeugattacken.
Ja, man kann es sich leicht machen: Die irakische Regierung beherbergt Terroristen des AI-Qaida-Netzwerks und besitzt Massenvernichtungswaffen! In Afghanistan und im Irak ausgebildete Islamisten bedrohen die »zivilisierte Welt«! Behauptet die Regierung Bush und leitet daraus das Recht ab, so genannte Schurkenstaaten rund um den Globus zu bekriegen. Ihre Mittel sind die der Übermächtigen, vom Militärgefängnis Guantanamo auf Kuba über Wirtschaftssanktionen gegen den Iran oder Nordkorea bis hin zu Angriffskriegen gegen Afghanistan und den Irak.
Auch in Deutschland kann man es sich leicht machen: Terroristen der AI-Qaida bedrohen unsere Zivilisation! Sie planen Anschläge gegen öffentliche und staatliche Einrichtungen! Behauptet die Bundesregierung und leitet daraus das Recht ab, innen- wie außenpolitisch Maßnahmen in die Wege zu leiten, die vor wenigen Jahren noch heftige Proteststürme ausgelöst hätten.
Der 11. September 2001 lieferte Bundesverteidigungsminister Peter Struck die argumentative Basis, die Bundeswehr von einer Verteidigungstruppe in eine Anti- Terror- und damit in eine Angriffsarmee umzustrukturieren. Mit den neuen »Verteidigungspolitischen Richtlinien« verabschiedete die Bundesregierung im Mai 2003 das aggressivste Bundeswehrprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die weltweite Kriegsbeteiligung der Bundeswehr unter dem Deckmantel so genannter »humanitärer Interventionen« wird wieder zum Mittel der Politik.
Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK). Als Buchautor veröffentlichte er u.a. Werke zu Fragen der Friedens- und Militärpolitik. Jüngst erschien »Versteck dich, wenn sie schießen« über die Opfer der Kleinwaffen-Industrie weltweit.
ARTE TV Magazin, Februar 2004, S. 14, anlässlich des Themenabends »Der Kampf gegen den Terror« am 10. Februar 2004