Zeitungsinterview »Ich freue mich riesig.
Heute wird dem Freiburger Rüstungsgegner Jürgen Grässlin
der Aachener Friedenspreis verliehen«
in Badische Zeitung vom 01.09.2011



»Ich freue mich riesig«

Heute wird dem Freiburger Rüstungsgegner Jürgen Grässlin der Aachener Friedenspreis verliehen.

[Foto JG mit Portraitgemälde Jürgen Schrempp]

Der erste September ist Antikriegstag – an ihm wird der Aachener Friedenspreis verliehen. Mit ihm, der mit 1000 Euro dotiert ist, wird heute Abend in Aachen neben der Informationsstelle Militarisierung auch ein Freiburger ausgezeichnet: Jürgen Grässlin, den die Zeit »Deutschlands bekanntesten Rüstungsgegner« nennt. Der 54-jährige Lehrer bereitet gerade eine Strafanzeige gegen den Waffenproduzenten Heckler und Koch vor, dessen Sturmgewehr G 36 Gaddafi-Milizen gegen Aufständische einsetzten. Mit dem Preisträger sprach Gerhard M. Kirk.

BZ: Was bedeutet der Preis für Sie?

Grässlin: Über die Anerkennung meiner erfolgreichen Friedensarbeit und unserer national wie international intensiv wahrgenommenen Rüstungsexportrecherchen freue ich mich riesig. Noch mehr aber bringt der renommierte Aachener Friedenspreis Rückenwind für die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« Mit den Trägerorganisationen und den mehr als hundert Mitgliedsorganisationen sind wir die größte Kampagne, die jemals in Deutschland gegen Waffenhandel angetreten ist. Wir werden die Bundesregierungen in den kommenden Jahren massiv unter Druck setzen, endlich ihre inhumane und Menschen verachtende Rüstungsexportpolitik zu beenden. Waffenhandel muss per Grundgesetzergänzung verboten werden.

BZ: Sie werden oft als Friedensaktivist bezeichnet. Ist »Aktivist« für Sie ein Schimpfwort oder ein Ehrentitel?

Grässlin: Das kommt meines Erachtens darauf an, für welche Werte man aktiv eintritt. Wenn jemand ein Aktivist rechtsradikaler Parteien ist, empfinde ich dieses Handeln als äußerst verwerflich und unmoralisch. Ich trete seit fast drei Jahrzehnten aktiv für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt ein. Wer Waffen exportiert, der leistet Beihilfe zum Massenmord in Kriegen und Bürgerkriegen. Als Aktivist gegen Waffenhandel und für Abrüstung zu gelten, ist mir eine große Ehre. Dass viele Menschen diesen Weg – beispielsweise beim Rüstungsinformationsbüro und der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen – mit uns gehen, macht Mut.

BZ: Wie schaffen Sie es, obwohl Sie es ständig mit Krieg und mörderischen Waffen zu tun haben, ein fröhlicher Mensch zu bleiben?

Grässlin: Bei meinen Reisen in Gebiete mit Kriegen und Bürgerkriegen treffe ich mich ganz bewusst mit Überlebenden des Einsatzes deutscher Waffen. Diese Menschen führen mich auf Exekutionsplätze, in Behindertenheime und an Gräber ihrer Kinder, Ehepartner oder Eltern. Millionen von Menschen – ich sage ganz bewusst Millionen – wurden bisher Opfer deutscher Rüstungsexporte: Sie wurden erschossen oder sind als Überlebende tief traumatisiert. Ich möchte diesen Opfern eine Stimme geben, damit wir endlich aufwachen und nicht länger zulassen, dass Deutschland Europameister beim Waffenhandel bleibt. Ja, ich bin dennoch ein äußerst humorvoller und lebensfreudiger Mensch, dank meiner geliebten Familie und dem Freundeskreis. Und weil ich mir angesichts der vor allem in Afrika und Asien gesammelten Erfahrungen bewusst bin, wie gut es mir persönlich geht. Diese Lebensfreude teile ich nur allzu gerne mit anderen.

http://www.badische-zeitung.de/freiburg/ich-freue-mich-riesig--49160278.html