Zeitungsbericht
»'Killerspiele' am PC als Thema im Schulunterricht.
Der Freiburger Lehrer und Autor Jürgen Grässlin
entwickelt gemeinsam mit seinen Schülern
ein Lehr- und Lernkonzept«
in Badische Zeitung vom 24.02.2007



»Killerspiele« am PC als Thema im Schulunterricht.

Der Freiburger Lehrer und Autor Jürgen Grässlin entwickelt gemeinsam mit seinen Schülern ein Lehr- und Lernkonzept

Von unserem Mitarbeiter Steve Przybilla


Ob Robert Steinhäuser in Erfurt, Sebastian B. in Emsdetten oder die Attentäter an der amerikanischen Columbine High School: Sie alle waren nicht nur Amokläufer, sondern auch leidenschaftliche Fans von Computerspielen - »Killerspiele«, wie sie zuweilen von Kritikern genannt werden. Um die Zielgruppe für das Thema zu sensibilisieren, entwickelte der Freiburger Lehrer und Autor Jürgen Grässlin zusammen mit Schülern eine eigene Unterrichtsreihe über Gewaltspiele.

Der erste von insgesamt acht Stundenblöcken beginnt mit einer Erklärung: Was macht eigentlich ein »Killerspiel« aus? »Leichen werden detailgetreu dargestellt, Menschen winseln am Boden und werden durch alle möglichen Waffen ermordet«, fasst Stephan Möhrle die Indikatoren eines Gewalt verherrlichenden PC-Spiels zusammen. Der 16-Jährige besucht die 9. Klasse der Lessingschule, in der das Unterrichtskonzept in einer freiwilligen Projektgruppe entwickelt wurde. Mit zwei Mitschülern stellte er die Idee am Donnerstagabend im Freiburger Friedenszentrum vor.

»Zum Einstieg lesen wir verschiedene Zeitungsartikel, die sich mit dem Thema befassen«, so Stephan Möhrle. »Wichtig ist, dass wir uns kritisch damit auseinander setzen und uns klarmachen, dass viel Manipulation stattfindet.« Gemeint sind pauschalisierende Berichte ebenso wie verharmlosende Studien, die von der PC-Spiele-Industrie in Auftrag gegeben und in gängigen Computerzeitschriften gerne zitiert würden. »Dabei werden wir vor allem auf das bekannte Spiel Counterstrike eingehen, das besonders verbreitet ist und bisher von allen jugendlichen Amokläufern gespielt wurde.«

Das bloße Vortragen von Fakten oder Mahnungen ist jedoch nicht das Ziel der Projektgruppe. »Es soll eine Diskussion aufkommen«, sagt der Schüler, der sich dafür eine Einteilung in Pro- und Kontra überlegt hat. »Dann reden wir auch über das geplante Verbot solcher Spiele und zeigen mögliche Alternativen auf.«

Auch weitergehenden Problem wie Vereinsamung, Langeweile oder die Schattenseiten von LAN-Partys, bei denen sich Computerspieler nächtelang am PC duellieren, sollen in der Klasse angesprochen werden.

Die Unterrichtseinheit richte sich hauptsächlich an Realschüler und Gymnasiasten. Auf die Frage eines Friedensforum-Mitglieds, warum gerade Hauptschüler nicht einbezogen würden, weiß Stephan Möhrle noch keine konkrete Antwort. Fakt sei jedoch: »Alle Amokläufe in Deutschland fanden bisher an Gymnasien statt.«

Das ausgearbeitete Konzept der Unterrichtseinheit wollen Jürgen Grässlin und seine Schüler im Juni ans baden-württembergische Kultusministerium und an die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft übergeben. Im Anschluss wird es auch ins Internet gestellt, um Lehrern als Anregung zu dienen. »Man muss unsere Ideen natürlich nicht 100-prozentig übernehmen«, sagt Stephan Möhrle. »Lehrer können sich auch Teilaspekte rauspicken und unsere Vorschläge nutzen, um sich dem Dauerthema zu widmen.«