FREIBURG (bkr). Der Daimler-Chrysler-Kritiker Jürgen Grässlin attackiert die Deutsche Bank: Er wirft dem Geldhaus vor, unmittelbar vor der Bekanntgabe des Rücktritts des früheren Daimler-Chefs Jürgen Schrempp Aktien des Autokonzerns gekauft zu haben. Nach der Rücktrittsankündigung am 28. Juli hatte die Deutsche Bank Daimler-Anteile verkauft und einen hohen Gewinn erzielt. Grässlin kritisiert auch die Aufsichtsbehörde Bafin: Während auf Betreiben der Bafin gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Insiderhandels eingeleitet worden sei, habe man die Deutsche Bank mit »Samthandschuhen angefasst«. Die Deutsche Bank sagt, die Aktienkäufe habe es nicht gegeben. Auch die Bafin weist die Vorwürfe zurück.
(Badische Zeitung vom 29.03.2006, Titelseite)Von unserem Redakteur Bernd Kramer
FREIBURG. Daimler-Chrysler-Kritiker Nummer eins, Jürgen Grässlin, hat einen juristischen Erfolg erzielt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Freiburger nicht mehr wegen des Verdachts auf Insiderhandel. Jetzt greift er die Deutsche Bank an. In einer Pressemitteilung verweist der Buchautor auf angebliche Aktienkäufe des früheren Daimler-Großaktionärs unmittelbar vor der Ankündigung des Rücktritts des früheren Daimler-Chefs Jürgen Schrempp am 28. Juli. Kommentar der Deutschen Bank: »Diese Käufe von Daimler-Aktien gab es nicht.« Die Deutsche Bank hatte nach Bekanntgabe des Schrempp-Rücktritts Aktien des Autokonzerns im großen Stil verkauft und einen hohen Gewinn erzielt. Für Grässlin stellt sich die Frage, warum die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gegen ihn so hart vorgegangen sei, während die »Deutsche Bank augenscheinlich mit Samthandschuhen angefasst wurde.« Nach Angaben des Freiburgers hat die Staatsanwaltschaft auf Betreiben der Bafin das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Bafin prüft, ob bei Börsengeschäften Insiderhandel vorliegt - also Personen nur ihnen zugängliche Unternehmensinfos nutzen, um sich mit Aktiengeschäften zu bereichern. Grässlin hatte nach der Rücktrittsankündigung von Schrempp gesagt, dass die entsprechenden Informationen schon vorher bekannt gewesen seien. So habe er bereits am 16. Juli gewusst, dass der Daimler-Boss am 28. Juli seinen Rücktritt verkünden werde. Diese Behauptung brachte ihm eine Unterlassungserklärung des Daimler-Konzerns ein, die Grässlin aber bis heute nicht unterschrieben hat. Wenig später erhielten er und weitere Mitglieder der Gruppe Kritischer Daimler-Aktionäre Besuch von den Behörden. Sie durchsuchten Wohn - und Arbeitsräume - wegen des Verdachts auf Insiderhandel. Dieses Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft jetzt eingestellt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Grässlin aus seinem Insiderwissen Kapital geschlagen habe. Sein Rechtsanwalt Holger Rothbauer zu der Entscheidung: »So unsinnig dieses Vorgehen gegen den Aufklärer Grässlin gewesen ist, so logisch war die Verfahrenseinstellung.« Vor einem möglichen Bußgeld der Bafin fürchtet sich der Buchautor nicht. Die Haltung der Bafin kann Jürgen Grässlin nicht nachvollziehen. Es lägen ihm Informationen vor, dass die Deutsche Bank vor Schrempps Rücktrittsankündigung Daimler-Chrysler-Aktien gekauft habe. Detailliert führt er diese Käufe auf: Unter anderem habe die Deutsche Bank um 9.18 Uhr - also mehr als eine Stunde vor der Rücktrittsverkündung um 10.32 Uhr - eine Million Aktien des Autokonzerns erworben. Der Bafin seien diese »verdächtigen Aktiengeschäfte« bekannt, sagt Grässlin. »Offensichtlich jagt man hier zu Lande lieber friedliche Delfine als gefräßige Haifische.« Die Sprecherin des Bafin, Anja Neukötter, reagiert gelassen: »Das alles ist nicht neu.« Die Aufsicht habe geprüft. Sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Anhaltspunkte für Insiderhandel gebe. Die aufgeführten Transaktionen hätten nie stattgefunden«, sagte ein Sprecher der Deutschen Bank. Die Bank habe nur ein größeres Daimler-Aktienpaket am Spätnachmittag des 28. Juli verkauft - also nach der Rücktrittsankündigung. (Badische Zeitung vom 29.03.2006, Wirtschaftsseite)