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Daimler-Aktionär Grässlin empfiehlt Toyota
Kritischer Autor spricht beim SPD-Remstalforum über die
Fehlentscheidungen im DaimlerChrysler-Management
Von unserer Mitarbeiterin Susanne Haag
Fellbach. »DaimlerChrysler hätte sich an die Spitze setzen können. Aber das ist nicht passiert.« Jürgen Grässlin, Sprecher der
Kritischen Aktionäre bei DaimlerChrysler und Friedensaktivist, weiß auch warum: Das Unternehmen engagiert sich in der Rüstungsindustrie,
statt ein ökologisches Auto zu entwickeln, und hat zu viele Arbeitsplätze abgebaut. Die Schuld an den Fehlentwicklungen gibt Grässlin
dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp und dem Aufsichtsratschef Hilmar Kopper. Mit der Lesung aus seinem Buch »Das
Daimler-Desaster. Vom Vorzeigekonzern zum Sanierungsfall« begab sich Jürgen Grässlin in unmittelbarer
Nachbarschaft zum Firmensitz des Konzerns auf ein schwieriges Parkett. Unter den gut 100 Zuhörern im Rathaus-Saal waren einige
Daimler-Mitarbeiter, die den Vorwurf zurückwiesen, der Konzern habe es versäumt, ökologischer Vorreiter zu werden.
Auf Unverständnis stieß auch die Empfehlung des 48-jährigen Lehrers und Autors, aus ökologischen Gründen ein Hybridfahrzeug von
Toyota zu kaufen - zum jetzigen Zeitpunkt. Denn für die Zukunft setzt er auf Veränderungen in dem Konzern, in dem »so viel Know-how«
steckt. »Ich hoffe, dass ich in zwei bis drei Jahren, wenn unsere Aufklärungsarbeit Erfolg hat, wieder einen Mercedes kaufen kann.«
Ein Beitrag zu Aufklärung und Veränderung soll sein Buch sein, in dem er die Geschichte des Image- und Wertverlustes des Stuttgarter
Konzerns in der Ära Jürgen Schrempp beschreibt. Viele Versprechen habe Jürgen Schrempp den Aktionären gegeben. In seinem Buch hat
Grässlin diese Ankündigungen zusammengetragen und festgestellt: versprochen, gebrochen.
Zum Beispiel das »Mitsubishi-Versprechen«. Schrempp prognostizierte 2004 einen Anteil von 25 Prozent am asiatischen Markt. Heute sind
es gerade mal acht Prozent. DaimlerChrysler hat mittlerweile keine Anteile mehr an der japanischen Automarke.
Statt »Qualität vor Quantität« größte Rückrufaktion in der Geschichte.
Zum Beispiel das »Qualitäts-Versprechen«.
»Qualität geht vor Quantität«, hieß es bei der Fusion von Daimler und Chrysler. Die Realität: In den USA wurde die Qualität von 28
Automarken getestet. Der Autokonzern landete auf dem letzten Platz. Und der Konzern erlebte mit 1,3 Millionen Fahrzeugen die größte
Rückrufaktion in seiner Geschichte.
Zum Beispiel das »Arbeitsplätze-Versprechen«. Bei der Fusion sollten keine Arbeitsplätze abgebaut und keine Werke geschlossen werden.
Mittlerweile wurden in den USA sechs Werke geschlossen, die Mitarbeiterzahl hat sich von 466 000 im Jahr 1998 auf heute 382 000 verringert.
Die DaimlerChrysler-Aktie ist heute nur noch ein Drittel ihres Ursprungspreises wert und viele Aktionäre haben große Summen verloren.
Gleichzeitig bereicherten sich die Vorstände. »Der Manager soll spüren, wenn das Geschäft nicht so gut geht«, habe Schrempp einmal gesagt.
Dann habe er jedoch einen Unternehmenswert von 40 Milliarden Euro vernichtet und dafür 50 Millionen verdient, wirft der engagierte Aktionär
dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden vor. »Das nenne ich soziale Marktwirtschaft«, meinte Grässlin zynisch.
Und sieht schon die nächsten Probleme: In den Sparten Chrysler und Nutzfahrzeuge kündigt sich ein Rückgang der Verkaufszahlen an. Dabei
produziert DaimlerChrysler jetzt schon über den Bedarf, geschätzte 100 000 Fahrzeuge sollen auf Halde stehen. Möglich waren die
unternehmenspolitischen Fehlentscheidungen, weil der Aufsichtsrat unter dem noch amtierenden Vorsitzenden Hilmar Kopper versagt hat. Einen
Hinweis darauf, warum ein Kontrollgremium möglicherweise seine Rolle nicht ausfüllen kann, gab Autor Grässlin in der Antwort auf eine Frage
aus dem Publikum: »Wenn Aufsichtsräte drin sind, die stolz sind, dass sie da drinsitzen dürfen, und alles abnicken, dann sind sie fehl am
Platz.«