Zeitungsbericht
»Engagierter Kämpfer gegen den Waffenhandel.
Bergsträßer Forum hatte Jürgen Grässlin in Lorsch zu Gast«
in Morgenweb. Das Nachrichtenportal Rhein-Neckar
vom 09.10.2013:



RÜSTUNGSEXPORTE: Bergsträßer Forum hatte Jürgen Grässlin in Lorsch zu Gast

Profiliertester deutscher Rüstungsgegner

Engagierter Kämpfer gegen den Waffenhandel

LORSCH/BERGSTRASSE Jürgen Grässlin gilt seit als profiliertester deutscher Rüstungsgegner. Er will nicht nur den Opfern eine Stimme, sondern auch den »Tätern und Profiteuren beim Mord mit deutschen Waffen« ein Gesicht geben. Er übt Kritik an einer am Gewinn orientierten Rüstungsmaschinerie, die auf die Rückendeckung durch die Politik bauen könne.

In Lorsch legte er jetzt auf Einladung des Bergsträßer Forums gegen Rüstungsexporte die Fakten vor, die er auf der Basis grundlegender Recherchen in seinem im Mai erschienen Sachbuch »Schwarzbuch Waffenhandel« auf knapp 600 Seiten zusammengefasst hatte. Dass sich die Publikation trotz der niederschmetternden Thematik zu einem Renner auf dem Buchmarkt entwickeln konnte, zeigt nicht zuletzt der Nachdruck in zweiter Auflage. So stieß der Freiburger Autor und Pädagoge auch in seiner 50. Lesung im Back- und Brauhaus Drayß auf eine von den Initiatoren nicht erwartete große Resonanz.

Europameister Deutschland

Jürgen Grässlins Kritik an der Politik wiegt schwer: Deutschland ist Europameister im Waffenexport und steht hinter den USA und Russland weit oben auf der Weltrangliste. Der »todbringende Wirtschaftszweig« mache selbst vor Krisengebieten nicht Halt. Atomwaffenfähige U-Boote lieferte die Kieler Thyssen-Krupp-Tochter an Israel und mit Waffen aus der Oberndorfer Kleinwaffenschmiede Heckler & Koch kämpften die Taliban in Afghanistan. Türkische Soldaten richteten die Waffen dieser Baureihe auf Kurden und hinterließen ein Blutbad. Sattelzugmaschinen - gebaut von Daimler - rollten mit Panzern beladen durch Libyen, als der »arabische Frühling« erwachte. »Verlogener kann Politik nicht sein«, kommentierte Grässlin den Aufruf von Kanzlerin Merkel an die Nordafrikaner, für die Demokratie zu kämpfen.

Die Problematik um die in Lampedusa strandenden Flüchtlinge vom afrikanischen Kontinent werde es bald nicht mehr geben, prognostizierte Grässlin. Mit Hilfe der EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) solle in Afrika eine undurchdringliche, 8000 Kilometer lange Grenzlinie gezogen werden - mit Eurofightern und Drohnen bewacht.

Der Autor lieferte mit diversen derartigen Beispielen eine schwere Kost. Er hatte Hinterbliebene und Überlebende der Schlachtfelder aufgesucht und sah sich immer wieder mit derselben Frage konfrontiert: »Warum macht ihr Deutschen das?«

Der Waffenhandel hat selbst in den zurückliegenden Jahren nach einem exorbitanten Anstieg nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center 2001 weiterhin zugelegt. Kanzlerin Merkel schloss mit Algerien einen Liefervertrag, und Kanzler Schröder war »gut Freund« mit Libyens Diktator Al-Gaddafi nach dem Motto »Öl gegen Waffen«.

78 Prozent gegen Rüstungsexporte

Mit wem der Handel mit den hoch technisierten Rüstungsgütern getrieben werden darf, entscheidet ein Gremium - der Bundessicherheitsrat - hinter verschlossenen Türen. Darüber findet auch keine Abstimmung im Parlament statt.

Das Grundgesetz legt in Artikel 26, Absatz 2, zwar fest: »Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden.« Wie landen dann aber deutsche Waffen in Krisengebieten, wie zum Beispiel die Maschinengewehre Typ G36 von Heckler & Koch, die man jüngst in Händen der mexikanischen Militärs fand? Einerseits gelte das Kriegswaffenkontrollgesetz, doch andererseits das Außenwirtschaftsgesetz, das der deutschen Rüstungsindustrie das Tor zur Welt öffne. Technologien und Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, ließen sich einfach außer Landes schaffen.

Zum Schluss stellte Jürgen Grässlin ein Ranking der Verantwortung für den Waffenhandel auf. Als Top eins in der Politik setzte er Kanzlerin Angela Merkel. Sie ebne gerade mit ihrer Doktrin, die »Partner« vor Ort zu befähigen, sich für Sicherheit und Ordnung im eigenen Lande einzusetzen, dem Sektor den Weg. Als Rüstungsmanager von Heckler & Koch rückt er Andreas Heeschen in den Vordergrund, der sich öffentlich bei dem CDU-Politiker Volker Kauder für die Unterstützung der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien bedankt habe - einem Land, in dem selbst die Hatz gegen Christen mit deutschen Waffen forciert werde. Als Financier der »Geschäfte mit dem Tod« stellte er die Banken an den Pranger, in vorderer Front die Deutsche Bank, die allein mit Krediten in Höhe von sechs Milliarden Euro in diesem Jahr dem Wachstum in der Waffenproduktion Vorschub geleistet habe.

Jürgen Grässlin machte seinen zahlreichen Zuhörern aber auch einen Funken Hoffnung: Laut einer Emnid-Umfrage sollen sich 78 Prozent der Deutschen gegen Rüstungsexporte ausgesprochen haben. Er hofft, viele zu Mitstreitern bewegen zu können. Mit der Initiative »Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel« zeitigte die Unterschriftenaktion bereits Früchte.

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