Zeitschriftenartikel »Heckler & Koch.
’Das tödlichste Unternehmen Deutschlands‘«
in der Wirtschaftswoche (wiwo.de) vom 22.06.2009



Heckler & Koch

»Das tödlichste Unternehmen Deutschlands«

Rüdiger Kiani-Kress

Von der Bundeswehr bis zum Iran sind die Waffen von Heckler & Koch beliebt. In den letzten Jahren erlebte das Traditionsunternehmen einige Besitzerwechsel, doch mit Ausdauer und Qualität überstand es noch alle Änderungen und Skandale.

Ob Schwarzwälder Zwerg oder Stierius-Fahrrad: Auf Produkte aus seiner Heimatstadt Oberndorf ist Bürgermeister Hermann Acker stolz. Nur bei dem bekanntesten Unternehmen der baden-württembergischen Kleinstadt wird er einsilbig. »Die Firma Heckler & Koch tritt unauffällig in Erscheinung«, mehr mag der Politiker zum Waffenfabrikanten nicht sagen.

Kein Wunder. Kaum ein deutsches Unternehmen ist umstrittener als der Schwarzwälder Schusswaffenstar. Einerseits sind das Gewehr G3 oder die Maschinenpistole MP5 bei Waffennarren, Soldaten und Polizisten beliebt und sorgen für rund 150 Millionen Euro Jahresumsatz. »Heckler & Koch ist eine Premiummarke«, sagt selbst Pieter Wezeman vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri.

Bei Gegnern ist HK – wie Insider die Waffenschmiede nennen – das Symbol für gewissenlose Geschäfte. »Angesichts von gut 1,5 Millionen Menschen, die durch HK-Waffen ihr Leben verloren haben, kann man durchaus von Deutschlands tödlichstem Unternehmen sprechen«, sagt der Rüstungskritiker Jürgen Grässlin. Denn trotz aller Ausfuhrverbote landen HK-Gewehre immer wieder in den falschen Händen, etwa bei marodierenden Milizen in der sudanesischen Bürgerkriegsprovinz Darfur.

Unternehmen gibt sich bedeckt

Warum Heckler & Koch trotzdem seit 60 Jahren überlebt, ist für Außenstehende nicht leicht zu erkennen. Das Unternehmen gibt sich extrem zugeknöpft, auch bei eigentlich positiven Aspekten wie Auszeichnungen für den hohen Anteil von Schwerbehinderten im Betrieb.

Einfachste Erklärung für den Erfolg sind der Fokus auf Qualität, die hohe Ausdauer bei der Verbesserung der Waffen sowie die im Ländle übliche Tüftlermentalität auch bei einfachen Beschäftigten, glaubt Grässlin, einer der wenigen mit HK-Insiderkontakten. »Viele Mitarbeiter wollen Deutschland und den Westen sicherer machen und zeigen sich immer wieder geschockt, wenn sie erfahren, dass ihre Waffen in den Händen diktatorischer Regime oder Terroristen zum tödlichen Einsatz kommen«, weiß Grässlin.

Missbrauchte Lizenzen schädigen den Ruf von Heckler & Koch

Die Wurzeln liegen schon vor dem Gründungsjahr 1949. »HK ist quasi ein illegitimes Kind der Firma Mauser«, sagt Michael Brzoska, Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Bei der Gewehrfabrik arbeiten im Zweiten Weltkrieg Edmund Heckler, Theodor Koch und Alex Seidel an einem neuen Gewehrverschluss, der aber noch nicht serienreif ist.

Als die Mauserwerke nach Kriegsende demontiert werden, beginnen die drei als Heckler & Koch mit Feinmechanik wie Fahrrad- und Nähmaschinenteilen. Als Ex-Mauser-Kollegen Spaniens Diktator Francisco Franco für ein neues Gewehr begeistern, nehmen sie Kontakt zu HK auf, die die Waffe als G3 fertig entwickeln und produzieren.

Es wird Standard bei der Bundeswehr und legal in 80 Staaten geliefert. Das ist HK nicht genug: »Sie haben ungewöhnlich viele Produktionslizenzen vergeben«, sagt Rüstungsexperte Brzoska. Dazu zählten auch Diktaturen wie Iran und Myanmar, die jetzt ohne Lizenz weiter bauen und den HK-Ruf schädigen.

HK boomt und will auch in die USA expandieren, ohne großen Erfolg. Als 1990 die Bundeswehr überraschend das von HK weitgehend auf eigene Rechnung entwickelte G11 nicht haben will, rettet das Unternehmen nur die Übernahme durch British Aerospace – heute als BAE Europas größter Rüstungskonzern.

Doch die vernachlässigen die Tochter. Und als Ende der Neunzigerjahre in den USA Angehörige von Opfern die Schusswaffenhersteller verklagen, will BAE aussteigen, findet aber keinen Käufer.

Kurz vor einer Liquidierung greift 2002 der Privatinvestor Andreas Heeschen zu. Der Investor hat zunächst Pech, als Großaufträge wie der über ein Gewehr für die US-Streitkräfte platzen. Doch nach eigenen Angaben hat Heeschen das Unternehmen nun saniert. Schrieb HKs offizielle Bilanz 2007 noch 15 Millionen Euro Verlust, sind es 2008 nun 13 Millionen Gewinn.

Ob das nachhaltig ist, bezweifeln viele Beschäftigte. »Die erwarten eher, dass Heeschen erneut verkauft«, sagt Grässlin. Die Arbeit von HK dürfte das kaum ändern, glaubt Wezeman. »Bis jetzt war noch jeder Eigentümerwechsel ohne sichtbaren Einfluss.«

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