Der langjährige libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi hat offenbar große Lieferungen von Waffen aus Baden-Württemberg bekommen. Libysche Rebellen erbeuteten deutsche G36-Gewehre und setzen diese nun selbst ein. Der Waffenhersteller hat Strafanzeige gegen unbekannt erstattet.
[Foto: Bundeswehrsoldat mit einer G36]
Die in Libyen eingesetzten Waffen sollen bei Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar hergestellt worden sein, berichten die »Stuttgarter Nachrichten« und das ARD-Magazin »Kontraste«. Der Herstellerstempel und die so genannte Beschussmarke sollen auf den Waffenhersteller aus Baden-Württemberg hinweisen. Die Sturmgewehre seien den Rebellen nach Augenzeugenberichten beim Sturm auf die Residenz des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi in Tripolis vergangene Woche in großer Anzahl in die Hände gefallen.
Die Firma teilte dem SWR nun mit: »Es gab zu keinem Zeitpunkt Lieferungen des Gewehrs G36 oder anderer HK-Produkte durch die Heckler & Koch GmbH oder ihr verbundene Unternehmen oder Organisationen nach Libyen.« Die dort aufgetauchten Waffen seien »unrechtmäßig über einen Heckler & Koch nicht bekannten Weg beschafft worden«, so die Firma. Das Unternehmen sei selbst an der Aufklärung der Vorgänge sehr interessiert.
Unklar, wie die Waffen nach Libyen kamen
Das G36 ist das Standardgewehr der Bundeswehr. Die in Libyen aufgetauchten Sturmgewehre sind den Recherchen zufolge vom Typ G36 KV, ein für Spezialeinheiten hergestelltes Modell mit verkürztem Lauf. Unklar sei, wie viele Waffen wann, von wem und auf welchem Weg nach Libyen geliefert wurden. Hinweise darauf, dass Waffen von Heckler & Koch in der Amtszeit von Angela Merkel (CDU) nach Libyen geliefert wurden, hatte der SWR bereits im März.
Bundesregierung: »noch keine gesicherten Erkenntnisse«
Auf Anfrage von »Kontraste« und »Stuttgarter Nachrichten« habe das Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilt, »dass der Bundesregierung derzeit noch keine gesicherten Erkenntnisse über einen möglichen Einsatz von G36-Gewehren in Libyen vorliegen«. Sie habe auch keine Genehmigung erteilt, diese Waffen nach Libyen zu liefern.
Für den Freiburger Rüstungsgegner Jürgen Grässlin »besteht der begründete Verdacht, dass Heckler & Koch oder Zwischenhändler G36 in großen Mengen illegal an das Gaddafi-Regime geliefert haben«. Deswegen lasse er eine Strafanzeige prüfen, sagte er den »Stuttgarter Nachrichten«. Der Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel« erhält am Donnerstag den Aachener Friedenspreis.
Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele »stinkt die ganze Sache zum Himmel. Da müssen Leute was gemacht haben, was mit deutschen Gesetzen nicht vereinbar ist«, sagte er der Zeitung.
Waffenhersteller soll illegal nach Mexiko geliefert haben
Zuvor war der Waffenhersteller Heckler & Koch im Januar wegen illegaler Waffenlieferungen nach Mexiko ins Visier der Stuttgarter Staatsanwaltschaft geraten. Das Unternehmen war bereits im Dezember durchsucht worden und darf inzwischen keine Waffen mehr nach Mexiko liefern.
Zu den Hauptkunden des Waffenherstellers zählen die Bundeswehr, die deutsche Polizei sowie die Streitkräfte aus mehreren NATO-Staaten.
http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=6781072/iyd37f/index.html