Berichte von den gemeinsamen Protestaktionen der
Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD), der DFG-VK
und der BUNDjugend anlässlich der
1. ordentlichen Hauptversammlung der Daimler AG
am 09.04.2008 in der Messe Berlin




Die 1. ordentliche Hauptversammlung der Daimler AG am 09.04.2008 in der Messe Berlin war begleitet von gemeinsamen Protestaktionen der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD), der Deutschen Friedensgesellschaft ­ Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUNDjugend) sowie einer Vielzahl kritischer Redebeiträge. In zwei Pressekonferenzen sowie in vielzähligen Fernseh- und Radiointerviews (ARD, ZDF, RBB, SWR, Deutschlandfunk u.v.a.m.) haben wir auf die Verwicklung von Daimler/EADS in grausame Waffengeschäfte (allen voran die Streumunitionsbeteiligung), Graumarktexporte bei Mercedes, die erhöhten Krankheitsstände und die firmeninterne Überwachung von Mitabeitern im Werk Untertürkheim sowie die unzureichende Ökologisierung der Fahrzeugflotte aufmerksam gemacht.


Anbei eine Textauswahl:

junge welt vom 09.04.2008, Seite 3, Schwerpunkt

Koffer für Zetsche

Zur heutigen Daimler-Hauptversammlung tischen kritische Aktionäre
Sündenregister des Konzernvorstands auf. Waffengeschäfte am Pranger

Von Ralf Wurzbacher

Wehrminister Franz Josef Jung auf Probefahrt mit dem Mehrfachraketenwerfer (MLRS) Foto: AP

Wer denkt bei schwarzen Koffern nicht sofort an krumme Geschäfte? Weil die spätestens seit der CDU-Parteispendenaffäre im kollektiven Gedächtnis als Corpus delicti verrufen sind, wechseln sie den Besitzer nur noch abseits von Zeugen, geschweige denn Kameras. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat es deshalb heute doppelt schwer: Erstens wird er einen schwarzen Koffer auf ganz großer Bühne entgegennehmen und zweitens auch noch gute Miene zum bösen Spiel machen müssen.

Schauplatz der Übergabe ist die Jahreshauptversammlung der Daimler AG im Berliner Kongreßzentrum (ICC). Überbringer sind die Kritischen Daimler-Aktionäre (KAD). Und im Koffer befinden sich 2538 Unterschriften, mit denen gegen die Verwicklung des Konzerns in die Herstellung von todbringenden Waffen protestiert wird.

Die Kampagne »Wir kaufen keinen Mercedes« hat KAD-Sprecher Jürgen Grässlin vor einem Jahr zur damaligen Aktionärsversammlung mit Unterstützung von Friedensinitiativen ins Leben gerufen. Solange Daimler über seine 15prozentige Beteiligung am europäischen Rüstungskonzern EADS unter anderem mit der Herstellung von Raketenwerfern für Streumunition Geld verdiene, wollen die Unterzeichner sich keine Karosse mit Stern mehr zulegen. Begleitend stellen die Kritischen Aktionäre einen Gegenantrag, der für die Nichtentlastung des Vorstands plädiert, sollte das Unternehmen nicht aus dem Geschäft mit dem Tod aussteigen.

Darin wird exemplarisch auf sogenannte MLRS-Raketenwerfer eingegangen, die EADS in »immenser Stückzahl« fertigen will. Mit nur einer Salve können damit rund 8000 Sprengkörper auf einem Gebiet von einem Quadratkilometer zerstreut werden. Die auch von der israelischen Armee im letzten Libanon-Krieg eingesetzte Munition besitzt eine den Landminen vergleichbare Wirkung. Wegen der zahllosen Blindgänger werden ganze Landstriche verseucht. Noch Jahrzehnte später können diese Sprengfallen Tod und Verstümmelung bringen.

Tatsächlich hat die Vorstellung ihrer Unterschriftenaktion den Kritischen Aktionären im vergangenen Jahr »beachtlichen Beifall« unter den 9000 Versammelten beschert. Für KAD-Vorstandsmitglied Paul Russmann sind solche Erfolge auch Ausdruck einer gewandelten Haltung unter den Anteilseignern. In den 1980er wären Aktionärstagungen »noch völlig geräuschlos über die Bühne gegangen«. Heute hätten die Konzernführer mehr Interesse an einer »sauberen Unternehmenskultur, weil sie aus Sicht vieler Konsumenten eine gesellschaftspolitische Verantwortung tragen«.

Daimler geht mit diesem Anspruch allerdings nur zu Werbezwecken hausieren. Noch im Geschäftsbericht 2007 gelobte das Unternehmen unter dem Stichwort »Verantwortung« einen »offenen Dialog« mit ihren Kritikern und die Orientierung an »höchsten ethischen Grundsätzen«. Die Erklärung sei aber »das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist«, heißt es im KAD-Antrag. Mit Daimler-Waffen werde weiterhin in »vielzähligen Kriegen und Bürgerkriegen geschossen und getötet«, und Opfer seien vornehmlich Kinder, Frauen und alte Menschen. Trotzdem habe der Vorstand keinerlei Anstrengungen unternommen, die Geschäftemacherei mit dem Krieg zu beenden. Im Gegenteil unterstütze die Führungsetage ausdrücklich die erklärte Absicht der EADS, die Rüstungssparte massiv ausbauen zu wollen.

Auch in puncto Umwelt- und Klimaschutz verbreitet der Stuttgarter Weltkonzern vor allem heiße Luft. Statt des punktuellen Einsatzes der Bluetech- und Hybridtechnologie bedürfe es einer Gesamtstrategie zur nachhaltigen Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs für die gesamte Modellpalette, mahnen die Kritischen Aktionäre. Sie fordern eine »Umweltagenda 2020« mit dem Ziel der Halbierung des Spritbedarfs aller Daimler-Fahrzeuge innerhalb von zwölf Jahren.

Ein weiterer KAD-Gegenantrag betrifft die »fehlende Kontrolle bei Graumarktgeschäften durch den Aufsichtsrat«. Demnach soll Daimler ausgerechnet während Zetsches Wirken als Vertriebsvorstand von 1995 bis 1999 in großem Stil abseits des offiziellen Händlernetzes in Verletzung von EU-Recht Autos zu Billigpreisen im In- und Ausland losgeschlagen haben, um die Absatzzahlen in die Höhe zu treiben. In dieser Angelegenheit läuft gegen Zetsche seit über einem Jahr ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Im Gegenzug wird der lauteste Kritiker, KAD-Sprecher und Publizist Grässlin ­ der sich in mehreren Büchern den dunklen Kapiteln von Daimler gewidmet hat ­, seit bald drei Jahren mit Rechtsstreitigkeiten überzogen (siehe www.daimler-prozesse.net).

Die Vorgänge sollen Grässlin inzwischen sogar in »finanzielle Bedrängnis« gebracht haben, auch wenn Zetsche mit einer Schadenersatzklage von 50000 Euro zunächst in erster Instanz scheiterte. Für den Daimler-Lenker sind solche Summen freilich nur Peanuts. Mit 10,7 Millionen Euro Jahressalär 2007 war er hierzulande die Nummer zwei der Topverdiener. Soviel ließe sich mit einem schwarzen Koffer gar nicht überbringen. Warum auch? Ist doch alles sauber verdientes Geld.


junge welt vom 09.04.2008, Seite 3, Schwerpunkt

Lesetip: Daimler-Desaster

Ein einziges Desaster ­ so stellt sich die Entwicklung des Daimler-Konzerns aus Sicht seines rührigsten Kritikers, des Sprechers der »Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler« und der »Deutschen Friedensgesellschaft ­ Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen« (DFG-VK), Jürgen Grässlin, dar. Und diese These belegt er anschaulich an den diversen Aktivitäten des Konzerns. Ob die als »Hochzeit im Himmel« gefeierte und letztlich gescheiterte Übernahme von Chrysler, die Allianz mit Mitsubishi oder die unter Zetsche-Vorgänger Jürgen Schrempp betriebene Markenpolitik ­ konsequent mißt Grässlin die erzielten Ergebnisse an den zumeist hochtrabend verkündeten Zielen. Vor allem aber ist es eine ethisch-moralische Abrechnung mit den Daimler-Bossen, die Gewinne mit Kriegsgütern aller Art erzielen und auf Kosten von Mensch und Umwelt wirtschaften.

Zum Beispiel das »Arbeitsplatzdesaster«: Allein in den ersten sechs Jahren des neuen Jahrhunderts habe der Konzern netto 84 214 Jobs vernichtet, rechnet Grässlin vor. Besonders drastisch der Abbau bei Chrysler: Bei dem US-Autobauer wurden unter der Ägide von Jürgen Schrempp und Dieter Zetsche sechs Fabriken geschlossen und 30000 Stellen gestrichen.

Das Buch enthält viele Fakten und »Munition« gegen einen Konzern, dessen Stern das deutsche Großkapital repräsentiert. Stellenweise liest sich Grässlins Buch allerdings wie eine persönliche Abrechnung mit Ex-Daimler-Chef Schrempp (Foto). Verwunderlich ist das nicht, mußte sich Grässlin wegen seiner publizistischen Tätigkeit doch bereits mehrfach Versuchen erwehren, in auf juristischem Wege zum Schweigen zu bringen. (dab)

Jürgen Grässlin: Abgewirtschaftet?! Das Daimler-Desaster geht weiter. München: Knaur 2007, 363 Seiten, 9,95 Euro. ISBN: 978-3-426-77977-4


Südwest Presse vom 10.04.2008

»Fast ein wenig fremd hier«

Daimler-Hauptversammlung in Harmonie, bis Ekkehard Wenger kam

Durfte sich über viel Lob bei der Hauptversammlung in Berlin freuen: Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche.

Foto: Getty Images

Daimler sieht sich trotz weltweiter Finanzkrise auf dem richtigen Weg und erwartet für 2008 bessere Ergebnisse als im Vorjahr. Auf der Hauptversammlung in Berlin gab es viel Lob, aber auch deftige Kritik.

SIEGFRIED BAUER

Berlin Es schien, als würde die Hauptversammlung der Daimler AG ausnahmsweise einmal in völliger Harmonie verlaufen. Selbst ansonsten kritische Redner wie Lars Labryga, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, fühlten sich gestern im Berliner Congress-Centrum »fast ein wenig fremd hier«. Denn früher habe man auf dieser Art Veranstaltungen nur kritisieren müssen, heute lobe man fast nur noch. Lob für den Verkauf von Chrysler, Lob für die Eigenkapitalrendite von 14,8 Prozent, Lob für die von 1,50 EUR auf 2 EUR gestiegene Dividende, auch wenn manche Redner angesichts des guten Ergebnisses deutlich mehr sehen wollten.

Doch dann kam Ekkehard Wenger - und die Stimmung unter den zeitweise bis zu 6100 Aktionären kippte. Der Würzburger Betriebswirtschaftsprofessor, der zu früheren Zeiten auch schon einmal bei einem Daimler-Aktionärstreffen aus dem Saal getragen wurde, nahm Vorstand und Aufsichtsrat heftig unter Beschuss und sprach von einem »Kartell der Hochfinanz«, das sich »ohne Rücksicht auf Aktionäre scham- und maßlos bereichere«. Wenger sprach damit die auf 29 Mio. EUR gestiegenen Gehälter für die fünf Vorstandsmitglieder und die Abfindungen für frühere Vorstände an und verstieg sich zu der Behauptung, es handele sich bei Teilen der Managerkaste weltweit um ein »internationales Verbrechersyndikat«.

Während Wenger ausreden durfte, wurde Daimler-Dauerkritiker Jürgen Grässlin das Mikrofon abgedreht, weil er die auf fünf Minuten verkürzte Redezeit überschritten hatte. Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Bischoff zeigte sich gegenüber dem Freiburger, der sich in einigen Rechtsstreitigkeiten mit Daimler und Vorstandschef Dieter Zetsche befindet, unbarmherzig.

Zetsche hatte zuvor die Aktionäre mit der Aussage milde gestimmt, dass die Aussichten für den Autobauer trotz der Finanzkrise unverändert gut seien. Die Strategie stimme ebenso wie die Qualität, bis 2010 werden nahezu 14 Mrd. EUR investiert, die Produkte seien gefragt und die Ergebnisse werden nach seiner Überzeugung, wie angekündigt, auch in den nächsten Jahren besser.

Für ein Abrücken von den mittelfristigen Zielen sieht er keinen Grund. Gegen Währungsrisiken ist der Konzern für 2008 zu 80 Prozent und für 2009 zu 40 Prozent abgesichert. Sein Ergebnis soll »deutlich über dem Vorjahresniveau« liegen und die Autosparte von 2010 an eine Umsatzrendite von mehr als 9 Prozent erwirtschaften. Zetsche stellte auch klar, dass Daimler seine Beteiligung am Flugzeug- und Raumfahrtkonzern EADS halten werde, auch wenn es eine Option zur Verringerung des Anteils auf 15 Prozent gibt. Entschieden wies er Vorwürfe zurück, Daimler hätte Insidergeschäfte beim Verkauf von EADS-Aktien betrieben, wie es die französische Börsenaufsicht wissen will.

Am Rande der Veranstaltung bestätigte ein Daimler-Sprecher Überlegungen, gegen den Konkurrenten Audi eine Patentschutzklage einzureichen. Hintergrund ist die Vermutung, Audi könnte die Bluetec-Dieseltechnologie kopieren. Eine Klage, so der Sprecher, könne aber nur eingereicht werden, wenn ein Serienfahrzeug mit der entsprechenden Technologie ausgerüstet sei. Daimler bietet die Bluetec-Technologie anderen Unternehmen in Lizenz an; Audi ist eine solche Verbindung nicht eingegangen.

Im künftigen Aufsichtsrat von Daimler sitzt mit Sari Maritta Baldauf erstmals auch wieder eine Frau. Mit ihr nimmt auch BASF-Chef Jürgen Hambrecht im Gremium Platz, dessen Mitglieder künftig eine Tantieme von je 100 000 EUR erhalten (der Aufsichtsratschef das Dreifache). Und auch künftig sollen die Hauptversammlungen in Berlin stattfinden. Auf mehrfache Aktionärsfrage bezeichnete Bischoff entsprechende Kapazitäten in Stuttgart als zu klein. Auch die neue Messe sei nicht tauglich für Veranstaltungen in dieser Größe.


Stuttgarter Nachrichten vom 10.04.2008

Daimler-Aktionäre machen sich weniger Sorgen

Anteileigner: Konzern soll Technologieführer werden. Heftige Kritik an Zetsches Gehalt

(Textauszug)

Heftige Kritik musste vor allem Zetsche für seine Vergütung einstecken, auch wenn die unter seiner Führung vollzogene Abspaltung Chryslers ausgesprochen gewürdigt wurde. Die extrem gestiegenen Millionengehälter stünden in keinem Verhältnis zur allgemeinen Lohnstruktur des Unternehmens. Die Kritiker Prof. Ekkehard Wenger und Jürgen Grässlin sprachen bei einer Steigerung von 70 Prozent von schamloser Bereicherung, die mit der »miserablen« Leistung der vergangenen Jahre nichts zu tun habe und zulasten der Aktionäre gehe. Aufsichtsratschef Manfred Bischoff nahm Zetsche in Schutz, angesichts der vielen Abwerbeversuche sei er froh, dass Zetsche Daimler erhalten bleibe. Die Mitglieder des Kontrollgremiums erhalten trotz Kritik auch eine höhere Vergütung. Die Hauptversammlung genehmigte die Steigerung von 75 000 auf 100 000 Euro. Der Vorsitzende soll das Dreifache des Betrags und sein Stellvertreter das Zweifache bekommen.


Anlässlich der Daimler-HV erneut publizierter Artikel bei
wirtschaftwoche.de / AP vom 09.04.2008 und 26.11.2007

Hat Daimler-Chef Zetsche falsch ausgesagt?

Der Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche ist wegen des Verdachts der [Maulkorb Zetsche!] im Prozess gegen einen Spediteur ins Visier der Ermittler geraten ist. Außerdem wurden zwei Strafbefehle gegen den ehemaligen Vertriebschef Eckhard Panka beantragt.

Foto: Gegen Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von DaimlerChrysler, wird ermittelt, Foto: dpa

Es bestehe der Verdacht, dass Zetsche als Zeuge in einem Prozess gegen einen Spediteur und Graumarkthändler im Jahr 2002 die [Maulkorb Zetsche!] gesagt habe, hatte eine Sprecherin der Anklagebehörde bestätigt.

Zetsche soll einem Bericht zufolge 2002 vor dem Landgericht Stuttgart bestritten haben, dass der Konzern in seiner Zeit als Vertriebsvorstand in den Jahren 1995 bis 1998 Graumarktgeschäfte systematisch [Maulkorb Zetsche!] habe.

Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin habe nun der Staatsanwaltschaft neue Unterlagen vorgelegt, die den gegenteiligen [Maulkorb Zetsche!] nahelegten. Bei Graumarktgeschäften werden die Autos am offiziellen Vertrieb vorbei oftmals billiger verkauft. Damit kann der Vertrieb seine Verkaufszahlen leicht in die Höhe treiben.

[...]

u.v.a.m.