November 2000:
Auch der Friedensnobelpreisträger |
ZivilCourage: Von der deutschen Friedensbewegung wurde die Initiative FÜNF für Frieden begonnen. Damit wird internationale Abrüstung und die Reduzierung aller Rüstungs- und Verteidigungsetats um jährlich mindestens fünf Prozent gefordert. Das frei werdende Geld, die FÜNF-Dividende, soll zur Lösung der zentralen Menschheitsprobleme - Ungerechtigkeit, Armut, Hunger, unzureichende Bildung etc. - und für die Konversion von Rüstungsindustrien und Armeen verwendet werden. Was halten Sie von dieser Initiative?
José Ramos-Horta: Ich unterstütze FÜNF.
Diese Initiative deckt sich voll und ganz mit meiner Vorstellung, dass eine umfassende
Demilitarisierung weltweit stattfinden sollte. In jedem Land müssen die Reduzierung des
Militärbudgets, die Konversion von militärischen zu zivilen Technologien, mehr
Investitionen in Gesundheit, Bildung, sauberes Wasser und Lebensmittel anstatt der
Verschwendung von Geldern für Waffen vorangebracht werden. Insofern stimmt die
FÜNF-Initiative mit meiner eigenen Arbeit überein.
Die größte Bedrohung für den Frieden in der Welt entsteht durch die Armut. Ich glaube
beispielsweise nicht, dass Indien die größte Bedrohung für Pakistan darstellt, die
kommt vielmehr durch die Armut. Und die größte Bedrohung für Indien ist nicht China,
sondern die Armut - es ist überall das Gleiche. Wenn wir wirklich eine Welt in Frieden
und Stabilität wollen, dann durch einen Prozess, der Armut und Waffengewalt immer weiter
vermindert.
ZivilCourage: In welchen Ländern sollte die FÜNF-Initiative zuerst vorangebracht werden?
José Ramos-Horta: Ich denke, wir sollten hauptsächlich in den Ländern anfangen, wo es Armut gibt. Und auch in den Ländern, die Waffen herstellen oder importieren. In gewissem Sinne ist das vergleichbar mit dem Kampf gegen Drogen. Man kann den Drogenhandel nicht nur dadurch bekämpfen, dass man die Opiumfelder in Kolumbien oder Peru zerstört. Zugleich muss man auch die Bevölkerung aufklären und die Menschen vom Drogenkonsum abbringen. Außerdem muss man die Drogenproduktion eliminieren, indem man den Leuten, die die Drogen in den armen Ländern herstellen, eine bessere Alternative zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ermöglicht - denn sie leben davon.
ZivilCourage: Und was ist mit den reichen Industrienationen?
José Ramos-Horta: Die Waffenindustrie ist eine der am meisten entwickelten High-Tech-Industrien. Einige der besten Denker in aller Welt entwickeln Waffensysteme. Dabei beschäftigt die Rüstungsindustrie nur sehr wenige Menschen. Sie ist längst nicht so arbeitsintensiv wie eine Textilienfabrik in Indonesien. Wenn man die Waffenindustrie reduziert, so sind im Westen nicht sehr viele Menschen davon betroffen. Mit den Geldern der FÜNF-Initiative könnten die Menschen neue sinnvolle Jobs erhalten.
ZivilCourage: Welche konkreten Maßnahmen empfehlen Sie?
José Ramos-Horta: In der sich entwickelnden Welt müsste es Anreize für Regierungspolitiker geben, damit sie ihr Geld nicht in die Produktion von Waffen investieren. Jedes Land, das sein Verteidigungsbudget drastisch reduziert, muss Kompensationen erhalten. Dazu brauchen wir einen internationalen Finanzplan der Weltbank, um die Investitionen in Bildung, Gesundheitsfürsorge und Wasserversorgung zu stärken. Wir müssen die Sache also strategisch angehen - ein Zusammenwirken von führenden Menschen und Ingenieuren des Nordens und des Südens. Ohne dieses Zusammenwirken wird es nicht funktionieren.
ZivilCourage: Der Weltbankpräsident James Wolfensohn hat sich kritisch zu Rüstungsexporten geäußert. Könnte die Weltbank eine Rolle bei der FÜNF-Initiative spielen, wäre sie die richtige Organisation zur Verwaltung der FÜNF-Dividende?
José Ramos-Horta: Sie ist wohl eine der Organisationen, die diese Arbeit leisten könnten. Aber die Institution, die die Leitungsaufgabe übernehmen sollte, sind die Vereinten Nationen. Genau genommen meine ich den UN Generalsekretär: Er ist derjenige, der die Aufgabe hat, für den Frieden in der Welt zu arbeiten. Er hat die große moralische Autorität und ist derjenige, der die verschiedenen Gremien wie die Weltbank, die Regierungen und die Europäische Union mobilisiert. Kofi Annan, der ja aus einem afrikanischen Land stammt, ist von seinem Lebenslauf her sehr sensibel für die Zusammenhänge zwischen Armut und der Verschwendung von Geldern für Waffen.
ZivilCourage: Glauben Sie, dass Kofi Annan die FÜNF-Idee unterstützen würde?
José Ramos-Horta: Ja, ich denke schon. Er ist seit langem der beste UN-Generalsekretär.
ZivilCourage: Halten Sie eine mindestens fünfprozentige Reduzierung überhaupt für realistisch? Ist dieses Volumen zu hoch oder zu niedrig?
José Ramos-Horta: Ich glaube, dass fünf Prozent sehr realistisch sind. Wenn jemand mit 0,5 oder einem Prozent anfängt, dann ist das symbolisch. Fünf Prozent können sich die Menschen leicht einprägen - und die Richtung stimmt.
ZivilCourage: Wenn es gelingt, die Ausgaben für Rüstung und Militär Jahr für Jahr degressiv um mindestens fünf Prozent zu reduzieren, werden immense Beträge frei. Welche Projekte sollten mit diesem Geld unterstützt werden?
José Ramos-Horta: Die Zustände auf der Welt sind skandalös. Allein in Afrika sterben Millionen Menschen an Aids. 30 Prozent der Bevölkerung von Zimbabwe haben Aids, ganze Dörfer sind dort ausgestorben. Das ist skandalös und da liegen auch die Aufgaben. Wir sollten zum Beispiel verstärkt Geld in den Kampf gegen Malaria, in die Überwindung des Analphabetentums, in die Versorgung der ärmsten Länder der Welt mit sauberem Wasser investieren. Millionen von Menschenweltweit haben keinen Zugang zu sauberem Wasser.
ZivilCourage: Wäre das die erste Aktivität, in die Sie die FÜNF-Dividende investieren würden?
José Ramos-Horta: Ja, ich würde sauberes Wasser zur Verfügung stellen. Wasser ist ein Erbe der Menschheit, und ohne Wasser kann man nicht leben. Trotzdem haben Millionen von Menschen keinen Zugang zu dem, was Gott uns gegeben hat. So viele Infektionskrankheiten, Cholera, Durchfall, können durch Hygiene, durch sauberes Wasser ausgerottet werden. Ich bin so ärgerlich auf viele Führer in den Dritte Welt Ländern. Natürlich kann man den Waffenproduzenten die Schuld geben, aber wir müssen auch unsere Führer beschuldigen: Diese Idioten in den Entwicklungsländern glauben, man müsste eine Armee mit schönen Uniformen, schönen Waffen als Zeichen des nationalen Stolzes oder was auch immer haben. Und die Armee müsste zum Angeben mindestens einmal im Jahr herummarschieren, und der Soldat so viele Sterne wie möglich auf den Schultern tragen. Man sollte kein Geld für Waffen verschwenden - eines Tages werden diese gegen einen selbst verwendet.
ZivilCourage: Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der fünfprozentigen Verminderung der Militärausgaben und der Befreiung der Bevölkerung von Armut?
José Ramos-Horta: Ja, den gibt es. Ich bin nicht so naiv zu behaupten, dass gleich alle Probleme gelöst wären. Wenn man das Geld für die Waffen spart, muss man zugleich eine angemessene Entwicklungsstrategie praktizieren. Der Vorgang muss integriert und differenziert umgesetzt werden. Es muss ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftswachstum und sozialer Gerechtigkeit geben - nur die Rüstung zu reduzieren und gleichzeitig eine neoliberale Marktwirtschaft zu verfolgen, das passt nicht zusammen. Das Geld, das man einspart, sollte an diejenigen gehen, die es am meisten brauchen, an die Armen.
ZivilCourage: Sollte der Rüstungsetat in Deutschland reduziert werden?
José Ramos-Horta: Sie sollten den Anfang machen. Auch dadurch, dass der Verkauf von Waffen an Diktaturen, an korrupte Regierungen der Dritten Welt unterbunden wird - das wäre schon ein guter Anfang.
ZivilCourage: Und in den so genannten Entwicklungsländern?
José Ramos-Horta: Die Perspektive in den
Entwicklungsländern und in Osttimor heißt: Demokratie und Menschenrechte unterstützen.
Die Nicht Regierungsorganisationen, die NGOs, die im Bereich von Menschenrechten,
Beschäftigung und Umweltschutz arbeiten, brauchen Unterstützung. Das bedeutet viel, denn
in Ländern wie Indonesien sind es die NGOs, die abgelegene Dörfer erreichen und die
Menschen in diesen Gegenden ausbilden.
Und: Deutschland sollte seinen finanziellen Beitrag zum Menschenrechtssystem der Vereinten
Nationen verstärken, denn die UN haben ein sehr begrenztes Budget. Als die UN sich
entschlossen hatten, eine Arbeitsgruppe nach Osttimor zu entsenden, war diese wegen
Geldmangels in Gefahr. Deutschland ist das reichste Land in Europa. Und gerade die neue
Regierung, die doch mehr von Moral geprägt und sensibel für diese Fragen ist, sollte
dies beweisen, indem sie Waffenverkäufe unterbindet, die Beiträge für die NGOs in den
Entwicklungsländern erhöht, demokratische Bewegungen unterstützt. Letztlich ist das
auch im deutschen Interesse: Die beste Sicherheit für Deutschlands Interessen sind
demokratische Verhältnisse in den Entwicklungsländern.
ZivilCourage: Trotz aller Schwierigkeiten - was ist Ihre Vision, wovon träumen Sie?
José Ramos-Horta: Ich träume davon, kleine Dinge zu tun, und das eins nach dem anderen. Eine solche Sache, die ich gemacht habe, war, eine kleine Gruppe von Kindern in Kolumbien für den Friedensnobelpreis zu nominieren. Die Gruppe heißt »Los Ninos por la Paz«, das sind Kinder und Jugendliche, die mitten in der kulturellen Gewalt von Kolumbien leben. Dort, wo 40.000 Menschen jedes Jahr einen gewaltsamen Tod sterben, müssen wir eine mühsame Arbeit in den Schulen für die Gewaltfreiheit leisten.
ZivilCourage: Eine ungewöhnliche Idee, Kinder für den Friedensnobelpreis zu nominieren.
José Ramos-Horta: Ja. Ich war vor einigen Jahren in Kolumbien und war von diesen Kindern überwältigt. Vor drei Jahren wurden sie nominiert. Niemand hatte jemals etwas davon gehört, Kinder zu wählen, sie kamen bisher immer zu kurz. Im vorletzten Jahr habe ich sie noch einmal nominiert. Diese Nachricht stand sofort überall in den Medien, und alle wollten über diese Gruppe Bescheid wissen, es gab eine richtige Kettenreaktion. Es hat sich dann eine Gruppe namens »Mandat des Bürgers« zusammengefunden, und zwölf Millionen Erwachsene haben sich für Frieden in Kolumbien eingesetzt, das ist fast die Hälfte der Bevölkerung. Um Demokratie zu erreichen, müssen Millionen und Millionen von Menschen auf die Straße gehen und danach verlangen.
ZivilCourage: Es hat auch andere Ideen gegeben - zum Beispiel, die NATO für den Friedensnobelpreis zu nominieren.
José Ramos-Horta: Was für eine dumme Idee. Es wäre verrückt, den Friedensnobelpreis einer militärischen Organisation zu verleihen. Wenn das Komitee so etwas machen würde, hätte es sich selbst diskreditiert.
Das Interview mit José Ramos-Horta für die ZivilCourage führte Jürgen Grässlin.
Erschienen in ZivilCourage Nr.6/2000 (November 2000)
Januar 1997:
Frieden und Gerechtigkeit, ausreichende Ernährung, Schulbildung und soziale Sicherheit - noch immer ist die Verwirklichung dieser Menschenrechte nicht für alle auf der Welt gesichert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat die Menschheit selbst ihre grundlegendsten Probleme nicht gelöst - noch immer gehören Hunger und Kriege zur täglichen Realität.
Wir wollen dieser Fehlsteuerung nicht weiter tatenlos zusehen. Wir wollen handeln und die globale Abrüstungsinitiative FÜNF FÜR FRIEDEN verwirklichen. Hierzu benötigen wir IHRE Unterstützung.
Doch wie können wir das scheinbar
Unerreichbare erreichen?
Wie können wir Regierungen und Militärs die Angst vor der Abrüstung nehmen?
Wie können wir Abrüstung in aller Welt organisieren und finanzieren?
Und wie könnte eine weltweit erfolgreiche Abrüstungsinitiative konkret aussehen?
Zur Beantwortung dieser Fragen stellen wir Ihnen in diesem Faltblatt die Grundzüge der
Initiative FÜNF FÜR FRIEDEN vor. Mit FÜNF verbinden wir die Hoffnung, einen
entscheidenden Anstoß zu geben - zur Gestaltung und zur Umsetzung globaler Abrüstung.
Am 10. Dezember 1948 verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte«. Demnach verfügen alle Menschen »über die gleichen und unveräußerlichen Rechte«. Diese bilden »die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt«.
Fünfzig Jahre später sieht die Realität
ganz anders aus: Tag für Tag investieren die Regierungen weltweit die unvorstellbare
Summe von 5.000.000.000. DM (fünf Milliarden DM) in Militär und Rüstung, Armeen und
Kasernen, Maschinengewehre und Panzer, Kampfflugzeuge und Raketen. Das entspricht dem
Dreihundertfachen des Betrags, den sie insgesamt den Vereinten Nationen für humanitäre
Aufgaben zubilligen. Mit dieser verfehlten Prioritätensetzung werden Kriegsangst und
Kriegsgefahr geschürt, nicht aber Frieden gesichert.
Jeden Tag sterben über 40.000 Menschen an den Folgen von Kriegen, Hunger und globaler
Ungleichverteilung. Rüstung tötet - mit oder ohne Krieg. Es ist so, als würden wir
jeden dritten Tag eine Atombombe vom Hiroshima-Typ auf eine Großstadt in einem
Entwicklungsland werfen.
Deshalb fordern Menschen in aller Welt: Die Finanzzuwendungen für Militär und Rüstung müssen weltweit abgebaut werden um Frieden und Gerechtigkeit zu erreichen.
Statt überdimensionierte Militärapparate aufrechtzuerhalten und kostspielige Waffensysteme zu beschaffen, müssen Milliardenbeträge für sinnvolle Zwecke investiert werden: für den Ausbau der Organisationen, die helfen Kriege zu verhindern oder Konflikte gewaltfrei auszutragen, für die Ernährung aller Menschen, für ihre medizinische Betreuung und ihre Ausbildung.
Wer globalen Frieden fordert, muss ihn organisieren und finanzieren.
Die Bilanz Ende des 20. Jahrhunderts fällt negativ aus. Nach 1945 fanden insgesamt 187 Kriege statt, davon allein 175 in der sogenannten Dritten Welt. In den fünfziger Jahren tobten gerade mal durchschnittlich zwölf Kriege pro Jahr. Eine heute noch unvorstellbar niedrige Zahl angesichts der Vervierfachung in den folgenden Jahrzehnten. Es gibt immer mehr Bürgerkriege und ihre Intensität nimmt zu. So wurden bei Massakern in Ruanda seit Oktober 1990 mehr als eine halbe Million Menschen abgeschlachtet...
Doch mit dem Ende des Konflikts zwischen NATO und Warschauer Vertragsorganisation haben sich historisch einmalige Perspektiven eröffnet. Nach Jahrzehnten der Blockkonfrontation und von »Stellvertreterkriegen« in aller Welt bietet sich jetzt die Chance zu Abrüstung und Entmilitarisierung: Waffenarsenale können schrittweise immer weiter abgebaut, Rüstungsexporte drastisch vermindert und der Umfang von Streitkräften konsequent verringert werden.
Erste Schritte sind getan: Nach Jahrzehnten der Aufrüstung bilanzieren Friedensforscher für der Zeitraum Mitte der achtziger bis Mitte der neunziger Jahre erstmals ein »Jahrzehnt der Abrüstung«. Bei der Fortschreibung dieses Abrüstungsprozesses würde Ende des nächsten Jahrzehnts nur noch halb so viel Geld für Militär und Rüstung zur Verfügung stehen wie zu Zeiten der Blockkonfrontation.
Die Verschrottung und Vernichtung
überschüssiger Waffen ist kostenintensiv und verlangt ebenso viel Know-how wie ihre
Entwicklung und Produktion.
* Militärisches Personal muss umgeschult und in zivile Berufe integriert werden.
* Entwicklungslabors und Produktionsstätten von Rüstungsgütern müssen
an die neuen, zivilen Aufgaben angepasst werden.
* Vom Militär genutztes Gelände (Kasernen, Truppenübungsplätze) muss gereinigt und
einer zivilen Nutzung zugeführt bzw. renaturiert werden.
Das Bonn International Center for Conversion (BICC) schätzt allein die für das
Verschrotten und die Entsorgung überschüssiger nuklearer, chemischer und konventioneller
Waffen aufzubringenden Kosten auf 90-185 Milliarden US-Dollar in den nächsten 10-20
Jahren. Noch gar nicht einberechnet sind die enormen Kosten für Standort-Konversion,
Umschulungen, und Konversion der Rüstungsindustrie. Bislang wurden nur vergleichsweise
geringe Beträge für die ordnungsgemäße Entsorgung überschüssiger Waffen aufgewendet.
In Zukunft werden deutlich mehr Mittel erforderlich sein, um das Erbe des Wettrüstens zu
bewältigen.
Da die technischen Herausforderungen und die gesellschaftlichen Probleme von Abrüstung und Entmilitarisierung in den meisten Ländern ähnlich sind, wäre ein internationales Kooperationsprogramm zur Erforschung, Entwicklung von Technologien zur sicheren Vernichtung überschüssiger Rüstungsgüter und von Programmen zur Konversion von Militärstandorten, Rüstungsindustrien und Reintegration von Militär- und Rüstungspersonal in das zivile Berufs- und Arbeitsleben dringend geboten. FÜNF für Frieden könnte die hierfür notwendigen Mittel aufbringen und zur Verfügung stellen.
(1994 in Mio US-Dollar) (1994 in Mio
US-Dollar)
800.000 3.400 (= Verhältnis 235 zu 1)
Geschätzte Gesamtkosen für Verschrottung
von Waffen und für Abrüstung
(in Milliarden US-Dollar)
Atomwaffen
USA, Russland, Ukraine
(ohne die Beseitigung von Umweltschäden) 30 - 48 Mrd.
Chemische Waffen 44 - 82 Mrd.
Konventionelle Waffen 1,5 - 2,5 Mrd.
Munition 5 - 10 Mrd.
Minenräumung 30 - 80 Mrd.
Gesamtkosten für einen Zeitraum von 10-20 Jahren: 90 - 185 Mrd.
(Quelle: BICC, brief 6: Michael Renner, Cost of Disarmament: An Overview of the Economic Costs of the Dismantlement of Weapons and the Disposal of Military Surplus, März 1996)
Der dringend notwendige Friedensprozess hat erst begonnen. Angesichts der Realitäten Ende des 20. Jahrhunderts herrscht Ungewißheit: Verspielen wir unsere Chancen auf weitere Jahrzehnte der Abrüstung? Droht nach der Zeit der Blockkonfrontation die Phase weiterer heißer Militäreinsätze?
Um den begonnenen Abrüstungsprozess fortzusetzen muss der Widerstand von Politikern, Militärs und Rüstungslobbyisten überwunden werden: Viele von ihnen denken noch immer in den Kategorien der Blockkonfrontation. Sie beschaffen milliardenteure Waffensysteme und bereiten die Armeen auf kommende Kampfeinsätze vor.
Seit Jahren bzw. Jahrzehnten wüten Bürgerkriege, unter anderem in Sierra Leone, der Türkei, dem Sudan, Sri Lanka, Kambodscha und Myanmar (Birma). Diese Länder rangieren zudem auf der Skala der größten Zuwachsraten bei Militärausgaben ganz oben. Zudem verzeichnen verschiedene Staaten der Golfregion (Oman, Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien und Quatar) sowie der ASEAN-Staaten (Indonesien, Thailand, Malaysia und Süd-Korea) hohe Aufrüstungsquoten.
Die USA und ihre Verbündeten in der NATO geben auch nach Ende der Blockkonfrontation heute pro Jahr über 470 Milliarden US-Dollar für ihre Streitkräfte und deren Bewaffnung aus. Das ist immer noch dreimal so viel Geld, wie ihre früheren »Gegner« Russland, China, Kuba, Iran, Irak, Libyen, Nordkorea, Syrien und Vietnam zusammengerechnet in Militär und Rüstung investieren.
Das »Jahrzehnt der Abrüstung« droht von einer neuen Aufrüstungswelle überschwemmt zu werden. Ziel einer globalen Abrüstungsinitiative muss deshalb sein, den zaghaft begonnenen Prozess von Abrüstung und Entmilitarisierung zu verstetigen und letztlich unumkehrbar zu machen. Wir sind überzeugt, dass dieses Ziel von der großen Mehrheit der Menschen geteilt wird. Von der Hochrüstung profitieren nur wenige, von globaler Abrüstung die gesamte Menschheit.
Wir wollen, dass dem Jahrzehnt erster Abrüstungsschritte das »Jahrhundert der Abrüstung« folgt.
Ein erfolgversprechender Weg wäre eine
global angelegte Entmilitarisierungs- und Abrüstungsinitiative. Ziel ist die Schaffung
neuer bzw. der Ausbau bestehender Strukturen präventiver Konfliktvermeidung, zur
Deeskalation bzw. Beendigung von Krisen und Kriegen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen
drei grundlegende Voraussetzungen erfüllt werden:
* die Reduzierung der Militäretats in einem festgelegten Zeitraum und Umfang,
* die Stärkung ziviler Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) sowie
* die garantierte Verwendung der durch Verminderung der Rüstungsetats frei werdenden
Gelder (Friedensdividende) für sinnvolle zivile Zwecke.Wir wollen Abrüstung
verwirklichen. Deshalb müssen die politischen Rahmenbedingungen neu gestaltet werden.
Die Verwirklichung dieser Forderungen soll mit der Initiative FÜNF FÜR FRIEDEN organisiert werden. FÜNF will die in verschiedenen Regionen der Welt begonnene Abrüstung und Entmilitarisierung fortführen und als dauerhaften Prozess verankern.
FÜNF versteht sich als Aktion zur Vernetzung der Aktivitäten von Menschen und Organisationen, die den Vorrang des Militärischen als historisch überholt ansehen und den Beginn des neuen Jahrtausends zum Einstieg in das Primat des Zivilen nutzen wollen.
Ein lediglich nationaler Ansatz zur drastischen Verminderung und schließlich zur konstanten Verringerung der Streitkräfte und zur zivilen Umwandlung von Militärflächen und Rüstungsindustrie (Konversion) greift zu kurz. Dementsprechend setzt FÜNF von Anfang an auf die Mitarbeit von Menschen und Organisationen in allen Ländern und Erdteilen.
Zur Organisation der Umwandlung militärischer Liegenschaften und zur Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Fertigung soll ein neues Bundesministerium für Abrüstung, Konversion und zivile Friedensdienste eingerichtet werden. Dieses befindet sich im Wettstreit mit dem für militärische Verteidigung zuständigen Ministerium.
Am Tauziehen beider um Haushaltsmittel kann Jahr für Jahr der Stand der Umverteilung der Steuergelder von bisher militärgestützter auf künftig zivile Friedensgestaltung abgelesen werden. Im Laufe weniger Jahre verliert das Verteidigungsministerium an Bedeutung und vermindert seinen Apparat, das Konversionsministerium gewinnt massiv an Einfluss.
Im Kern geht es bei der FÜNF-Initiative darum, die Militär- und Rüstungshaushalte Jahr für Jahr durchschnittlich um fünf Prozent zu vermindern. Die durch die degressive Verringerung frei werdenden Finanzmittel sollen im Sinne einer wahrnehmbaren Friedensdividende verwendet werden.
Die Staaten vermindern Jahr für Jahr ihre bisherigen Verteidigungsausgaben. Diese fließen zum einen als nationale FÜNF-Dividende in den Abrüstungs- und Konversionsetat. Ein vertraglich festgelegter Verteilungsschlüssel garantiert, dass ein Großteil der frei werdenden Gelder zur Lösung landesspezifischer Probleme verwandt wird und den Menschen vor Ort zugute kommt.
Die an FÜNF beteiligten Staaten zahlen einen Teil der FÜNF-Dividende an den International FIVE-Fund for Disarmament, Conversion and Civil Development. Dieser wird von Vertreterinnen und Vertretern der Vereinten Nationen, regionaler Friedensorganisationen sowie friedensfördernder Nicht-Regierungs-Organisationen verwaltet.
Die Ausgangslage der beteiligten Länder ist in der Regel sehr verschieden. Aus diesem Grund sollen Industrieländer 15% und Entwicklungsländer 5% ihrer Friedensdividende an den International-FIVE-Fund entrichten. Diese Zuwendungen sollen Ländern und Regionen zugute kommen, die am dringendsten auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind.
Mit FÜNF wird der Umfang der Friedensdividende konstant und vorhersagbar erhöht. Bei einer fünfprozentigen Verminderung kehrt sich das Verhältnis im 14. Jahr um: Erstmals steht mehr Geld für Projekte ziviler Friedensgestaltung zur Verfügung als für Militär und Rüstung.
Die Finanzmittel des Konversionsetats werden auf nationaler Ebene im Sinne einer Friedensdividende genutzt, beispielsweise
* für die Umschulung von Soldaten und Beschäftigten der Rüstungsindustrie für Zivilberufe,
* für die zivile Umgestaltung bisher militärisch genutzter Liegenschaften,
* für die Umstellung der Rüstungsindustrie auf eine sinnvolle zivile Fertigung,
* für Friedensforschung, zivile Konfliktlösung, nationale und internationale zivile Friedensdienste (ZFD).
Damit werden gleichzeitig neue zivile Arbeitsplätze geschaffen. Obwohl bei einer Verringerung der Mannschaftsstärke der Armeen und einer Reduzierung der Rüstungsproduktion Arbeitskräfte freigesetzt werden und auf den Arbeitsmarkt drängen, wird insgesamt ein positiver Beschäftigungseffekt entstehen.
Die in den International-FIVE-Fund for Disarmament, Conversion and Civil Development eingezahlte FÜNF-Dividende soll der Schaffung und dem Erhalt sowie dem Ausbau effizienter Strukturen ziviler Konfliktprävention- und -lösung dienen. Sie wird zudem beispielsweise verwendet
* für die Förderung des Anbaus von Nahrungsmitteln vor Ort,
* für die Bildung von Kindern in neu errichteten Schulen,
* für die medizinische Betreuung in neu errichteten Krankenhäusern,
* für frauenspezifische Förderprogramme.
Wir wollen die Ursachen globaler Fehlsteuerungen beseitigen. Hierzu zählt insbesondere die Finanzierung von humanitären Hilfs- und Aufbauprogrammen in Krisengebieten.
FÜNF ist ein Aktionsprogramm. Wer mitmachen will, findet vielzählige Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung:
Bestellen Sie weitere FÜNF-FALTBLÄTTER sowie die FÜNF-BROSCHÜRE und geben Sie diese an Interessentinnen und Interessenten weiter. Bestellen Sie den FÜNF-APPELL und sammeln Sie Unterschriften. Wenden Sie sich an Mitmenschen und Organisationen mit der Bitte um FÜNF-UNTERSTÜTZUNG. Teilen Sie Ihre Anregungen und Erfahrungen dem Trägerkreis mit. Nehmen Sie an den geplanten FÜNF-KONGRESSEN und -SEMINAREN teil. Regen Sie öffentliche Informations- und Diskussionsabende mit FÜNF-Referentinnen und -Referenten vor Ort an.
Unterstützen Sie FÜNF finanziell. Allein zur Organisation der internationalen Abrüstungsinitiative fallen beträchtliche Kosten an. Ohne Spendengelder wird FÜNF nicht durchführbar sein. Bitte überweisen Sie Ihren Unterstützungsbeitrag auf das u.g. Konto: STICHWORT »FÜNF-FÖRDERUNG«
Machen Sie mit, mischen Sie sich ein.
Text FÜNF-Info Nr. 1 von Jürgen Grässlin, Freiburg
»The governements of the world spend 2,5 billion US-Dollars daily on military and armaments. At the same time over 40.000 peaple die each day as a consequence of wars, hunger and unjustly distributed global goods.
Since the end of the cold war the threat situation has changed radically. We have the historical chance to initiate a continuing and irreversible global disarmament process.
We appeal to the governments and parliaments in our country and in the world:
Reduce the expenditures for defense and armaments at the rate of 5 percent each year and divert the money thus made free into a civil conversion fund in accordance with the suggestions of the international initiative »FIVE FOR PEACE«.
The social and economic consequences of disarmament will be paid for by the yearly peace dividends, and civil jobs will be created, civil peace services will be organised and developmental aid increased.«
I support the FIVE-Appeal:
»Die Regierungen der Welt geben täglich 5.000 Millionen Mark für Militär und Rüstung aus. Zugleich sterben jeden Tag über 40.000 Menschen an den Folgen von Kriegen, Hunger und globaler Ungleichverteilung.
Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich die Bedrohungssituation radikal gewandelt. Es besteht die historische Chance, weltweit einen dauerhaften und unumkehrbaren Abrüstungsprozess einzuleiten.
Wir appellieren an die Regierungen und Parlamente in unserem Land und auf der ganzen Welt: Verringern Sie die Ausgaben für Verteidigung und Rüstung jährlich um mindestens 5 Prozent und lenken Sie die frei werdenden Gelder in einen zivilen Konversionsetat entsprechend den Vorschlägen der internationalen Initiative FÜNF FÜR FRIEDEN. Mit der jährlichen Friedensdividende sollen die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Abrüstung aufgefangen und zivile Arbeitsplätze geschaffen werden, es sollen Zivile Friedensdienste aufgebaut und die Entwicklungshilfe gesteigert werden.«
Ich schließe mich dem FÜNF-APPELL an...
13.04.1998:
Rede zum Ostermarsch am 13. April 1998 in Müllheim
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir haben uns heute zusammengefunden um auf die dramatischen Fehlsteuerungen in der Politik der Bundesregierung aufmerksam zu machen. Wir haben uns aber auch zusammengefunden, um unsere Utopien einer sozial gerechteren, einer ökologisch intakteren und vor allem einer friedlicheren Welt aufzuzeigen. Mehr noch: Unsere Utopien sind konkret geworden, wir haben sie in ein Konzept gegossen, das die Chance hat, Wirklichkeit zu werden. Abrüstung und Entmilitarisierung sind möglich: Seit der Beendigung des Ost-West-Konflikts wurden die globalen Ausgaben für Militär und Rüstung jährlich um durchschnittlich knapp fünf Prozent verringert.
Diese ersten Schritte in die richtige Richtung sind unser Ansatzpunkt für die neue Abrüstungsinitiative FÜNF FÜR FRIEDEN. Heute besteht die historische Chance und die dringende Notwendigkeit zur konsequenten Fortsetzung des Abrüstungsprozesses. Diese Chance darf nicht verspielt werden. Wir wollen die Chancen zur Zivilisierung der Außenpolitik nutzen!
Wie ist die Lage in Europa, Ende des 20. Jahrhunderts?
In den letzten Jahren hat die Zahl der in Europa mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikte stetig abgenommen. Dennoch: Der Balkan und die Türkei erscheinen nach wie vor als ein gefährliches Pulverfass. Die Waffen- und Munitionslieferungen Dritten haben nicht nur den vier Jahre währenden Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien mit rund 200.000 Toten und sinnlosen Zerstörungen gefördert. Sie haben auch in den beiden NATO-Staaten Türkei und Griechenland zu einer beispiellosen Aufrüstung geführt.
Noch immer stellen der Haß zwischen den Bürgerkriegsparteien im ehemaligen Jugoslawien und die zunehmenden militärischen Provokationen zwischen der Türkei und eine latente Kriegsgefahr dar. Auch ein Ende des Kriegs gegen die Menschen in Kurdistan ist weiterhin nicht absehbar.
Als sofortigen Beitrag zu Entschärfung dieser Konflikte fordern wir: Stoppt alle Waffenexporte!
Wie kann der begonnene Abrüstungsprozeß fortgesetzt werden?
Die Staaten in Nord-, West- und Mitteleuropa befinden sich heute in einem Zustand ohne konkrete Bedrohung. Aus ehemaligen Feinden sind Partner geworden. Historisch betrachtet stellt diese Tatsache einen Zivilisierungsfortschritt einmaligen Ausmaßes dar. In keinem anderen Staat hat der Entmilitarisierungs- und Abrüstungsprozess derart deutliche Spuren hinterlassen wie im vereinten Deutschland. Aus dem potentiellen Kriegsschauplatz Deutschland ist ein Land ohne Feinde geworden.
Dennoch ist die weitere Entwicklung derzeit völlig offen, denn es wird wieder aufgerüstet. Die EU-Staaten sollen auf eine neue, militärische »europäische Verteidigungsidentität« eingeschworen werden. Und die Bestrebungen für eine groß angelegte NATO-Erweiterung gehen weiter. Dieser Trend muss gestoppt, der Friedens- und Abrüstungsprozess konsequent fortgesetzt werden. Gerade die Sicherheitslage Deutschlands bietet die Chance für konsequente Abrüstung und Entmilitarisierung.
Wir brauchen in Europa nicht nur ein Jahrzehnt, wir fordern ein Jahrhundert der Entmilitarisierung und Abrüstung!
Wie sieht die NATO heute aus?
Bei ihrem Treffen im norwegischen Bergen
trafen die NATO-Verteidigungsminister im September 1996 folgenschwere Entscheidungen:
Frankreich kehrt in die militärischen Strukturen zurück. Der heute mächtigste
Militärpakt der Welt setzt seine Erweiterung nach Osteuropa durch. Zugleich gibt sich die
NATO flexiblere Kommandostrukturen für das erweiterte Aufgabenspektrum der
Out-of-Area-Einsätze. Das uns auch, in welche Richtung hier in Müllheim am
Stationierungsort der Deutsch-französischen Brigade gedacht wird.
Trotz fehlender Bedrohung wendet die NATO noch immer finanzielle Mittel auf, die dem
Volumen Anfang der achtziger Jahre - also zu Zeiten der Blockkonfrontation - entsprechen:
Deutschland 59,0 Mrd. DM
NATO Europa 291,0 Mrd. DM
USA 493,9 Mrd. DM
NATO gesamt 800,0 Mrd. DM
Und deshalb sagen wir heute, hier in
Müllheim dem Stationierungsort der Deutsch-französischen Brigade Nicht länger dürfen
Milliarden DM verschleudert werden
* für die Militarisierung der deutschen Außenpolitik
* für Kampfeinsätze der Bundeswehr oder multinationaler Einheiten - auch nicht unter dem
Deckmantel der »Humanität«
* für die fragwürdige Osterweiterung der NATO und
* für neue Waffensysteme.
Wir benötigen das Geld zur Lösung wirklichen Menschheitsfrage: die Beseitigung des Hungers, des Unfrieden, zur Schaffung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung und zur Finanzierung Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, die sich für zivile Konfliktprävention und -lösung einsetzen!
Hierfür zwei Beispiele:
1. Mit der »Charta von Paris für ein neues Europa« haben die Mitgliedsstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa«, der OSZE, 1990 die Vision einer kooperativen Sicherheitsgemeinschaft aller europäischen Staaten verabschiedet. Heute ist die OSZE das einzige kooperative Sicherheitsorgan des gesamteuropäischen Friedensprozesses. Im OSZE-Rahmen werden vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen durchgeführt, beispielsweise im Bereich der Rüstungskontrolle und Abrüstung, bei wirtschaftlichen Kooperationen und dem Minderheitenschutz.
Im OSZE-Rahmen können neben den atlantischen Partnern auch die Russische Föderation, die GUS-Staaten, die neutralen sowie die ostmitteleuropäischen Staaten als gleichberechtigte Partner mitarbeiten. Ziel ist die Ausgestaltung eines kooperativen europäischen Sicherheitssystems. Wer Frieden in Gesamteuropa schaffen will, muß die OSZE reformieren und damit ihre Handlungsfähigkeit erhöhen. Und vor allem: Wer Frieden in Gesamteuropa schaffen will, muß auch die finanziellen Zuwendungen deutlich erhöhen. Die Bundesregierung will das nicht! Mit ihrem OSZE-Jahresbeitrag in Höhe von rund 8 Millionen DM wendet Deutschland nur wenig mehr Geld auf, als die Ausrichtung einer einzigen NATO-Tagung kostet.
Wir fordern dagegen: Die Stärkung der OSZE und die nachhaltige Verbesserung ihrer Finanzausstattung!
2. Wer eine gesamteuropäische Friedensordnung schaffen will, muß Instrumentarien der zivilen Konfliktbearbeitung ausbauen. Nicht länger darf das vermeintlich »letzte Mittel« - gemeint ist der Einsatz militärischer Gewalt im Rahmen einer sogenannten »humanitären« Intervention - im Zentrum der Sicherheitspolitik stehen. Zu den neuen Trägern einer veränderten Kultur des Friedens zählt für uns auch das Konzept internationaler Ziviler Friedensdienste (ZFD). Beim ZFD handelt es sich um einen Fachdienst von lebens- und berufserfahrenen Frauen und Männern, die über eine zusätzliche Ausbildung Erfahrungen in Theorie und Praxis ziviler Konfliktbearbeitung und gewaltfreiem Handeln verfügen. Der ZFD wirkt im Falle nationaler und internationaler Konflikte gewaltvermeidend und -mindernd.
Die Aufgabe der ausgebildeten
Friedensarbeiterinnen und Friedensarbeiter besteht u.a. in
* der Beobachtung konfliktträchtiger Situationen und, falls möglich, ihrer frühzeitigen
Klärung
* der Hilfestellung bei der Bearbeitung von Konflikten
* der Unterstützung friedenswilliger Kräfte in Konfliktgebieten
* der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen
* der Vermittlung von Gespräche zwischen verfeindeten Gruppen
* der Stabilisierung von Frieden nach einem Konflikt
Wer Frieden dauerhaft organisieren will, muß zivile Friedenstrukturen aufbauen und zugleich militärische Strukturen abbauen!
Wer überdimensionierte Armeen unterhält und mit High-Tech-Waffen ausrüstet, dem fehlt das Geld für die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, für die Sicherung sozialstaatlicher Aufgaben oder den Erhalt und Ausbau von Bildungs- und Gesundheitssystemen.
Wir wollen mit der internationalen Abrüstungsinitiative FÜNF FÜR FRIEDEN genau die Gelder freisetzen, mit denen die zivilen Einflussmöglichkeiten der OSZE und der Vereinten Nationen sowie der Zivilen Friedensdienste zur Konfliktvermeidung, -deeskalation und -beendigung ausgebaut und optimiert werden können. FÜNF fordert die stufenweise Senkung der Militär- und Rüstungshaushalte um durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr.
Wofür müssen wir die freiwerdenden Milliardenbeträge einsetzen?
* Der Internationale Gerichtshof fordert
stetige Abrüstung im Atomwaffenbereich.
Mit der FÜNF-Dividende kann die atomare Abrüstung finanziert werden.
* In der europäischen Rüstungsindustrie arbeiteten etwa 4 Millionen Menschen.
Entgegen der derzeit praktizierten Politik schleichender Massenentlassungen
eröffnet
FÜNF die Möglichkeit, den Abbau- als Umbauprozeß zu gestalten. FÜNF setzt die
finanziellen Mittel für Umschulungen und die Schaffung sinnvoller ziviler
Arbeitsplätze frei.
* Fünf der zehn führenden Rüstungsexportnationen sind EU-Staaten
3. Deutschland
4. Großbritannien
5. Frankreich
7. Niederlande
8. Italien
Nach dem Rüstungsexportweltmeister USA rangiert Rußland auf dem unrühmlichen zweiten Platz. Mit FÜNF wird es möglich, Rüstungsindustrie zu konvertieren, auf eine sinnvolle zivile Fertigung umzustellen, anstatt Waffen zu exportieren. Mit den Geldern der FÜNF-Initiative können zudem Hunderttausende neuer Arbeitsplätze im Gesundheits-, Pflege- und Erziehungsbereich geschaffen werden. Die Organisation soll über ein Amt oder Ministerium für Abrüstung, Konversion und Zivile Friedensdienste erfolgen.
Wer Frieden fordert muß Frieden finanzieren. Hierzu werden insgesamt Finanzsummen in dreistelliger Milliardenhöhe benötigt. Deshalb fordern wir die Umsetzung der Abrüstungsinitiative FÜNF FÜR FRIEDEN. Gerade im Wahljahr 1998 besteht die Chance dem Themenbereich Frieden und Abrüstung den Stellenwert zu geben, den es verdient. Hilfreich sollen dabei unsere Wahlprüfsteine sein.
Trotz bedenklicher Fehlentwicklungen gibt es Grund zum Optimismus. Die Vision einer Welt mit immer weniger Militär und Rüstung kann wahr werden. Nutzen wir die historische Chance, die sich uns in Europa heute bietet. Wagen wir den Schritt in ein friedlicheres und gerechteres drittes Jahrtausend.
März 1998
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Kapitel: Außenpolitischer Aufbruch ins 21. Jahrhundert
Unterkapitel: Die Alternative: Aufbau einer Infrastruktur für zivile Konfliktbearbeitung
Zur Finanzierung von Abrüstungsmaßnahmen, Konversion, eines zivilen Peace-Keeping-Kontingents, des Einsatzes von Friedensfachkräften in Projekten ziviler Konfliktbearbeitung und der Friedensforschung setzen wir auf die Initiative »Fünf für den Frieden«: Der Verteidigungshaushalt soll jedes Jahr um mindestens fünf Prozent reduziert werden. Ein Teil des freiwerdenden Geldes wird einem eigens für diese Maßnahmen einzurichtenden Bundesamt für »Abrüstung, Konversion und zivile Konfliktbearbeitung« zur Verfügung gestellt.
Diese Passage zu FÜNF FÜR FRIEDEN wurde auf Anregung und unter Mitwirkung von JG, damals Bundestagskandidat und Mitglied der »Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden«, auf Seite 149 ins Bundestagswahlprogramm 1998 aufgenommen. Das Programm zur Bundestagswahl wurde im März 1998 auf der 10. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz in Magdeburg verabschiedet. De facto aber fand diese, wie viele andere, friedenspolitische Versprechung(en) an die Wählerinnen und Wähler keinen Niederschlag in der praktischen Politik der Rot-Grünen Bundesregierung.