Alternativer Geschäftsbericht 2000
»Zeigen Sie endlich mehr, Herr Schrempp!«
zur 2. ordentlichen Hauptversammlung
der DaimlerChrysler AG in Berlin am 19.04.2000




Alternativer Geschäftsbericht 2000
»Zeigen Sie endlich mehr, Herr Schrempp!«
zur 2. ordentlichen Hauptversammlung
der DaimlerChrysler AG in Berlin am 19.04.2000

Dachverband Kritischer AktionärInnen DaimlerChrysler

mit Texten von Dr. Helmuth Bauer, Alexander Dauensteiner, Jürgen Grässlin, Gerd Rathgeb, Holger Rothbauer, Paul Russmann. Redaktion: Paul Russmann

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

bunte Bilder und strahlende Gesichter prägen den Geschäftsbericht von DaimlerChrysler. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt, auch nicht, wenn es sich um die DaimlerChrysler-Aktie dreht. Jede Medaille hat zwei Seiten. Wir, der Dachverband der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysIer (KADC), zeigen Ihnen die andere Seite. Fordern Sie mit uns von Jürgen Schrempp: Mut zum Zwei-Liter-Auto! Augenmaß bei den Gehältern! Ausstieg aus der Minenproduktion!

Damit Ihr Unternehmen der Zukunft dient...

Paul Russmann


AKTIENOPTIONSPLAN - MANAGEMENT KASSIERT AB.

Egal, ob Jürgen Schrempp im Bett liegt oder eine Vorstandssitzung leitet - jede Stunde hat der DairnlerChrysler-Chef 600 DM mehr in der Lohntüte. Mit 5,2 Millionen DM im Jahr ist Schrempp schon heute Deutschlands bestverdienender Manager - eine Summe, für die ein Durchschnittsverdiener 84 Jahre arbeiten müsste. Mit dem neuen Aktienoptionsplan sollen Führungskräften Optionsrechte auf 96 Millionen Aktien im Wert von 12,3 Milliarden DM angeboten werden. Allein 15 Prozent davon sind für Vorstände vorgesehen. Während mit Gewerkschaftsvertretern Beteiligungsmodelle für Beschäftigte im Rahmen einer 3.000-DM-Grenze diskutiert werden, plant der Vorstand eine Selbstbereicherung in Milliardenhöhe. Der Aktienoptionsplan garantiert den Bestverdienenden risikofrei zusätzliche Einnahmen. Sobald die Aktie ausreichend in die Gewinnzone zurückkehrt, kassieren Vorstände und Topmanagement auf Kosten der betrieblichen Allgemeinheit ab.

Wie können Sie eine solche Selbstbereicherung vertreten, Herr Schrempp?


HAUPTVERSAMMLUNG BALD IM AUSLAND?

Die Verlegung der Aktionärshauptversammlung von Stuttgart nach Berlin stellt einen Affront gegen eine Vielzahl von Klein- und BelegschaftsaktionärInnen dar. Viele von ihnen kommen aus Baden-Württemberg, dem Bundesland des Firmensitzes, und verfügen weder über das nötige Geld, noch über die Zeit für eine Reise mit Übernachtung in Berlin. Die Vorstandsstrategie, wonach die Zahl der teilnehmenden AktionärInnen bewusst begrenzt wird, ist ebenso aktionärsfeindlich wie die Planungen der Kapitalseite des Aufsichtsrates, Hauptversammlungen zukünftig sogar im Ausland abzuhalten. Die Verlegung ist auch deshalb ein Skandal, weil die letzten Hauptversammlungen mit 20.000 der weltweit 1,9 Millionen AktionärInnen vom Organisatorischen her reibungslos über die Bühne gingen. Im Berliner ICC finden lediglich 5.000, mit Nebenräumen ca. 9.000 Teilnehmer Platz. Um möglichst vielen Aktionärinnen die Teilnahme zu ermöglichen, fordern die Kritischen Aktionärinnen eine Onlineverbindung von Berlin nach Stuttgart. Diese soll den AktionärInnen in Stuttgart auch ermöglichen, von ihrem Frage- und Auskunftsrecht Gebrauch zu machen.

Warum grenzen Sie die eigenen KleinaktionärInnen aus, Herr Schrempp?


TATEN STATT WORTE, HERR SCHREMPP!

(...) Und im Kreis seiner Kollegen schlägt er [Jürgen Schrempp] zusehends nachdenkliche Töne an. (...) »Können die Interessen der Aktionäre wirklich das einzige Gestirn sein, nach dem wir unsere Unternehmen ausrichten?« Aufgabe der Manager (...) sei es, Werte zu schaffen, »aber nicht nur materielle, sondern auch geistige«. Er warnte seine Kollegen davor, sich über die Politik zu erheben: »Macht wird von den Menschen an die Parlamente delegiert, nicht an uns.« (aus: Stuttgarter Zeitung, 28. März 2000 )


PARTEISPENDEN.

Etwas mehr als eine Million DM ließ Daimler-Benz den Parteien von 1995 bis 1997 zukommen. Auffällig ist, dass der Konzern CSU und FDP bevorzugte. 1997 bekam die CSU 98.407 DM, die CDU und die SPD bekamen je 92.500 DM, die FDP 80.000 DM. Die DASA ließ 1996 der CDU 60.000 DM und 1997 der SPD 25.300 DM zukommen. 1998 - das Jahr des Regierungswechsels und das Jahr nach der Entscheidung zur Anschaffung des Eurofighters - spendete DaimlerChrysler der CDU und der SPD jeweils 185.000 DM, der CSU 130.000 DM und der FDP 110.000 DM. Von der DASA bekam die CDU 45.000 DM, die SPD 40.300 DM, die CSU 41.017 DM. Zudem spendete Eurocopter Deutschland 34.000 DM an die CSU.

Wieso gab es Extrazahlungen durch die DASA neben den Zuwendungen durch die Konzernzentrale? Warum gingen Bündnis 90/Die Grünen und die PDS leer aus? Wieso gibt es jährliche Abweichungen in den Zuwendungen - auch innerhalb der Zuwendungen an einzelne Parteien? Welche »Gegenleistungen« für die Parteispenden erwarten Sie, Herr Schrempp?


SCHMIERGELDER.

Die DaimlerChrysler Aerospace gehört zu den weltweiten Topten im Bereich Rüstungsproduktion. Nach der Bauwirtschaft wird in der Rüstungsindustrie am meisten geschmiert. Alle führenden Exporteure zahlen Bestechungsgelder. Deutschland liegt auf einem mittleren Platz auf dem Bestecher-Index der Organisation Transparency International. Es wird geschätzt, dass in den 90er Jahren die Schmiergeldzahlungen bei internationalen Wirtschaftsgeschäften auf 10 bis 20 Prozent des Auftragsvolumens gestiegen sind - gegenüber 5 bis 10 Prozent in den 80er Jahren. In 15 Prozent aller in der Schweiz aufgedeckten Fälle von Geldwäsche sind deutsche Staatsbürger verwickelt.

Wann legen Sie alle Zahlungen für Provisionen und Bestechungsgelder in Zusammenhang mit Rüstungstransfers auf den Tisch, Herr Schrempp?


GEBURTSTAGSGESCHENK AN DIE NATO.

Mit 300.000 US-Dollar hat DaimlerChrysler als einer der Hauptsponsoren den 50. Geburtstag der NATO finanziert. Damit wird ein Militärbündnis unterstützt, das in seiner neuen Doktrin Ersteinsatz und Erstschlag von Atomwaffen vorsieht. Atomwaffen sind aber nach dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes von 1996 grundsätzlich völkerrechtswidrig.

Wann verschaffen Sie dem Völkerrecht mehr Geltung, beispielsweise durch die Finanzierung von Friedensorganisationen wie der UNO oder der OSZE, Herr Schrempp?


ERFOLG - DAIMLERCHRYSLER VERLÄSST GLOBAL CLIMATE COALITION.

Die Initiative GERMANWATCH e.V. und der Dachverband der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler (KADC) haben auf einer Pressekonferenz in Stuttgart alle ökologisch orientierten Autokäufer aufgefordert, solange keine Fahrzeuge mehr aus dem Hause DaimlerChrysler zu kaufen, bis der Konzern den Ausstieg aus dem Antiklima-Lobbyverband Global Climate Coalition (GCC) erklärt hat. Danach reagierte der Konzernvorstand sofort.

Brauchen Sie immer Druck von außen, Herr Schrempp?


ÖKOBILANZ - SPAGAT ZWISCHEN VORBILD UND DESASTER.

Betrachtet man die Aktivitäten der DaimlerChrysler AG im Umweltschutzbereich, so fällt auf, dass hier ein kaum zu bewältigender Spagat praktiziert wird. Einerseits kann auf einen funktionierenden und in manchen Bereichen durchaus vorbildlichen produktionsintegrierten Umweltschutz verwiesen werden. Düster dagegen sieht es in Sachen Flottenverbrauch aus, denn der ist nach wie vor einer der höchsten unter Europas Autoherstellern. Von einer deutlichen Senkung des Flottenverbrauchs ist weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen präsentiert Jürgen Schrempp Feigenblätter, und die dann auch noch mit Verspätung: Erst Monate nach der Präsentation des Drei-Liter-Lupos der VW-Konkurrenz ist nun der Smart als CDI-Version mit einem Verbrauch von 3,4 l/100 km zu haben. Und anstatt wenigstens im Rennen um das Zwei-Liter-Auto die Nase vorn zu haben, verschwanden Machbarkeitsstudien zu diesem Thema im Panzerschrank,

Wir und unsere Kinder wollen mehr sehen, Herr Schrempp. Wann endlich kommt das Zwei-Liter-Auto. Herr Schrempp?


AUFSTAND AN DER ELBE GEGEN DASA-ERWEITERUNG.

29 Verbände und Vereine mit mehr als 30.000 Mitgliedern haben das Schutzbündnis für Hamburgs Elbregion gegründet. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Erweiterung des Dasa-Werkes in Finkenwerder zu verhindern. Das Planfeststellungsverfahren sieht eine Verlängerung der Start- und Landebahn des Dasa-Werkes auf 2.684 Meter vor. Außerdem soll eine Teilzuschüttung der ökologisch wertvollen Elbbucht Mühlenberger Loch erfolgen, die als Feuchtgebiet von internationalem Rang anerkannt ist. Rund 170 Hektar des größten europäischen Süßwasserwatts am südlichen Elbufer müssten dann zugeschüttet werden. Nach neuesten Forderungen von Airbus könnte sogar eine Verlängerung der Piste auf 3.500 Meter erforderlich sein. Dann wäre die Existenz von etwa 1.000 bäuerlichen Betrieben im größten Obstanbaugebiet Europas gefährdet. Weitere 4.160 direkte sowie etwa 6.000 indirekte Arbeitsplätze wären bedroht.

Sind Ihnen die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und der Umweltschutz an der Elbe egal, Herr Schrempp?


EINSTIEG BEI MITSUBISHI - KEIN ÜBERZEUGENDER DEAL.

»lch weiß nicht, ob der Einstieg von DaimlerChrysler bei Mitsubishi richtig durchdacht ist«, sagt Willi Diez, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen. »Mich überzeugt der Deal jedenfalls nicht.« Große Schwierigkeiten sieht Diez vor allem bei der Umsetzung der Partnerschaft. »Wenn eine Kooperation strategisch Sinn macht, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Rover und BMW sind das beste Beispiel. Nach Diez Ansicht sind Daimler-Benz und Chrysler nach der Fusion noch nicht stärker, als jeder es für sich alleine wäre. »Und jetzt kommt auch noch ein dritter Partner aus einem dritten Kulturkreis dazu, bevor die Integration von DaimlerChrysler richtig abgeschlossen ist.« Sein Fazit lautet: »Nach dieser Entscheidung würde ich mir keine Aktien von DaimlerChrysler mehr kaufen.« Auch die Kritischen AktionärInnen sehen den Einstieg bei Mitsubishi skeptisch: Wirtschaftliche Vernunft lässt sich nicht an der Umsatzgröße messen. Zudem bremst der Einstieg die unzureichenden Bemühungen um die Ökologisierung der Produktpalette. Statt die technisch machbare Halbierung des Kraftstoffverbrauchs umzusetzen, wird die Pkw-Palette um Fahrzeuge von gestern erweitert.

Wann erkennen Sie endlich, dass Größe an sich kein Ziel ist, Herr Schrempp?


SCHWERTER ZU PFLUGSCHAREN.

Während des Kirchentages 1999 in Stuttgart ließen die Kritischen AktionärInnen vor der Mercedes-Niederlassung ein Schwert in eine Pflugschar umschmieden. Mit dieser Aktion sollte die Forderung nach einem Ende der DaimlerChrysler- Rüstungsexporte als eine der Ursachen für die Verschuldung vieler Entwicklungsländer symbolisch unterstützt werden. Für mehr als 90 Prozent des internationalen Waffenhandels sind die Rüstungskonzerne der sieben bedeutendsten Wirtschaftsnationen der Welt (G 7) verantwortlich.

Wann nehmen Sie endlich Ihre Verantwortung wahr, Herr Schrempp?


ANGST UM PROFITE.

DaimlerChrysler-Manager kritisieren die neuen Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung: Das Berliner Kabinett hatte im Januar beschlossen, die Genehmigung von Rüstungsexporten an die Einhaltung der Menschenrechte in den Empfängerstaaten zu knüpfen. Gustav Humbert, Chef bei DaimlerChrysler Aerospace, sieht darin einen »Alleingang«, der die »europäische Kooperationsfähigkeit der deutschen Wehrindustrie« gefährdet. In internationalen Rüstungskooperationen wären hiesige Firmen jetzt allenfalls noch als Zulieferer gefragt. Damit widerspricht das DaimlerChrysler-Management früheren Behauptungen, nach denen die Konzernrichtlinien zum Rüstungsexport schärfer als die gesetzlichen Regelungen seien.

Wann stellen Sie die Menschenrechte über das Profitdenken, Herr Schrempp?


ABENTEUER MIT UNGEWISSEM AUSGANG.

Kontraproduktiv für das Image des Daimler-Sterns ist die Verschmelzung der DaimlerChrysler Aerospace (Dasa) mit der französischen Aerospatiale-Matra, denn erneut stürzt sich der Konzern in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Die aus der Elefantenhochzeit hervorgegangene Rüstungsschmiede European Aeronautic, Defence and Space Company (EADS) ist weltweit der drittgrößte Luft- und Raumfahrtkonzern mit einem Jahresumsatz von 60 Milliarden DM. EADS, mit dem Eurocopter der größte Hubschrauberhersteller der Welt, ist einer der führenden Anbieter bei Satelliten, Militärflugzeugen und Verteidigungstechnik. Die Kritischen Aktionärinnen befürchten, dass der geplante Börsengang der neuen Gesellschaft zu einer Zunahme der aggressiven Vermarktung von Rüstungsgütern in aller Welt führt - entgegen den Vorschriften des European Code of Conduct.

Können Sie garantieren, dass Rüstungsexporte in Zukunft restriktiv erfolgen, Herr Schrempp?


HAUPTSACHE PROFIT - MIT SCHEUKLAPPEN.

Russische Kampfflugzeuge vom Typ MiG bombardieren Tschetschenien. Und die DaimlerChrysler Aerospace verhandelt mit dem russischen Flugzeugbauer Mapo über die Modernisierung der MiG-29! Trotz der schwelenden Konflikte zwischen Griechenland und der Türkei will die Dasa an die Regierung in Athen 60 Eurofighter für 10 Milliarden DM liefern. Wann hören Sie auf, Öl ins Feuer zu gießen, Herr Schrempp? Die Dasa-Panzermine MIFF und die Dasa-Splitter-Flächensperrmine MUSPA werden bis heute auf der Webseite des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (http://www.bdli.de/katalog/tdw.htm) angeboten.

Der Initiativkreis für das Verbot von Landminen (Brot für die Welt, MISEREOR und andere mehr) klassifizierte am 11. November 1999 die »Submunitionsminen MUSPA eindeutig als Anti-Personen-Minen, weil sie Merkmale einer solchen Waffe erfüllen« (http://www.landmine.de). Auch das US-Verteidigungsministerium teilt diese Definition (http://www.demining.brtrc.com). Für die Klassifikation als Anti-Personen-Mine scheint vor allem die Tatsache entscheidend, dass durch die MUSPA 2.100 kleine Stahlkugeln verstreut werden, die sich eindeutig gegen Personen richten. Anti-Panzer- und Anti-Fahrzeug-Minen können von Personen/Zivilisten aktiviert werden, wenn sie über einen so genannten Aufhebeschutz verfügen. Als integrierter Bestandteil beispielsweise der Dasa-Mine MIFF kann ein Aufhebeschutz bei bloßer Berührung oder Annäherung durch eine Person wie eine Anti-Personen-Mine explodieren. Die Gefahren, die von MUSPA und MIFF ausgehen, steigen: Der Minenproduzent Dasa geht sogar selbst davon aus, dass bei zunehmender Verwendung fernverlegter Munition wie MUSPA und MIFF die Blindgängerquote noch erheblich steigen wird (TDA-Broschüre, 1996).

Wann streichen Sie MIFF und MUSPA aus dem Angebot, Herr Schrempp?


ZWANGSARBEITER-»ENTSCHÄDIGUNG«: FÜR LOHN UND WÜRDE.

Daimler-Benz habe 1944/45 »seine Haut auf den Knochen zigtausender Zwangsarbeiter in den Nachkrieg gerettet«, sagte Dr. Neil Gregor, Autor des Buches »Stern und Hakenkreuz* (Propyläen, 1997) anlässlich des Zwangsarbeiter-Symposiums im März 1999 im Stuttgarter Rathaus. Auch Daimler-Benz habe - wie die meisten deutschen Unternehmen -in den letzten Kriegsjahren so gut wie nicht mehr investiert, um möglichst viel Kapital für den Nachkriegs-Aufschwung zu retten - die Zeche bezahlten die über 60.000 KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, aus denen Daimler-Benz extreme Stückzahlen bis hin zur völligen Erschöpfung und Vernichtung herausprügeln ließ. Aus Menschen, die zuvor von Daimler-Managern in Konzentrationslagern wie Dachau und Ravensbrück ausgewählt und in ihre Fabriken geholt worden waren.

Seit Beginn der 90er Jahre lädt der Stuttgarter Automobilbauer jedes Jahr überlebende Häftlinge ein. Im November 1998 war es auf Initiative des Konzerns in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zu einer weiteren Begegnung zwischen den Herren Dr. Ulsamer und Dr. Nübel von Daimler-Benz und den überlebenden Frauen aus Warschau und Budapest gekommen, die 1944/45 als junge Mädchen für die Daimler-Benz-Motoren-GmbH-Genshagen Flugzeugmotoren für den »Endsieg« montieren mussten. Maria Koziowska sagte über diese Zeit: »Uns beleidigte besonders die Tatsache, dass wir als namenlose Arbeitskraft gezwungen waren. Teile für die Flugzeugmotoren herzustellen, die zur Vernichtung unserer Städte und ihrer Bewohner bestimmt waren ...«

Auch diesmal fragten die Frauen wieder nach ihrem weiterhin ausstehenden Lohn: »Wieder erklärte Dr. Nübel, dass man doch gar nicht über alle ehemaligen Häftlinge Unterlagen habe. Sie hätten Unterlagen, erwiderten die vor ihm sitzenden Frauen. Aber es ginge doch um Gerechtigkeit, versuchte Dr. Nübel seine schwierige Mission zu meistern, was wäre mit denen, die anderswo eingesetzt waren und keinen Konzern ansprechen könnten. Was wäre, wenn sich Leute meldeten, die gar nicht bei Daimler-Benz gearbeitet haben, sondern ganz woanders. Ja, was wäre dann.

Ein junger Mitarbeiter der Gedenkstätte, der an dem Treffen teilnahm, stellte die Frage, ob es denn eigentlich so schlimm wäre, wenn der Konzern dem einen oder anderen eine Entschädigung zahle, der sie irrtümlich fordere. Die meisten der ehemaligen Zwangsarbeiter könnten ja ohnehin nichts mehr fordern. Hier wurde Dr. Ulsamer vom Finanzvorstand unruhig, der ansonsten unbewegten Gesichts dabeisaß. Er sprach den denkwürdigen Satz, dass man so etwas den Aktionären nicht vermitteln könne. Schließlich habe der Konzern eine Verantwortung gegenüber den Aktionären.« (Ost-West-Wochenzeitung, 12. Februar 1999)


WER WEISS, WIE VIELE DER EHEMALIGEN ARBEITSSKLAVEN HEUTE NOCH LEBEN.

Jedes Jahr sterben weitere. DaimlerChrysler ist vor seiner Verantwortung für diese Menschen in die Wortführerschaft der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft weggelaufen, Aus ihrem Fonds sollen die Opfer eines schönen Tages ihre »Entschädigung« bekommen. Wenn die deutschen Unternehmen ihren zugesagten Betrag von fünf Milliarden DM zusammenbringen. Es stünde der Stellung Ihres Unternehmens gut an, dafür zu sorgen, dass die zugesagte Summe rasch an die Opfer ausgezahlt wird.

Oder wollen Sie warten, bis auch der letzte Zwangsarbeiter gestorben ist. Herr Schrempp?


GEWERKSCHAFTER VERSCHWUNDEN.

Die »sofortige Beurlaubung« des Mercedes-Benz-Mitarbeiters Juan Tasselkraut fordert der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen DaimlerChrysIer. Er begründet dies mit der Strafanzeige gegen den Ex-Geschäftsführer der argentinischen Mercedes-Benz-Niederlassung in Gonzales Catan. Tasselkraut soll 1977 während der Militärdiktatur in Argentinien für die Verhaftung mehrerer, bis heute »verschwundener« Mercedes-Benz-Gewerkschaftsaktivisten verantwortlich gewesen sein. Bis heute ist unerklärlich, warum Mercedes-Benz Argentinien einen »verschwundenen« Gewerkschafter mehrere Jahre lang weiter auf der Gehaltsliste führte und den Lohn überwies.

Der KADC fordert den Vorstand auf, die Staatsanwaltschaft bei der lückenlosen Aufklärung der zum Himmel schreienden Vorgänge zu unterstützen, um so Schaden vom Konzern abzuwenden,

Ist der Fall Tasselkraut ein schlimmer Einzelfall bei DaimlerChrysler, oder ist er lediglich die Spitze eines Eisbergs, Herr Schrempp?


DAIMLERCHRYSLER SPIONIERT KRANKE AUS.

Betriebsräte sind empört: Personalberater klingeln unangemeldet zu Hause bei krankgemeldeten Mitarbeitern. Im Visier der Kontrolleure: Mitarbeiter, die mehr als einmal im Jahr den »gelben Schein« (Krankmeldung) eingereicht haben. Im Mercedes-Benz-Werk Bremen wurden jetzt fünf Fälle bekannt. Der Betriebsrat ist entsetzt, hat einen offenen Brief an die Konzernleitung geschrieben. Betriebsrat Udo Richter: »Solche Methoden sind nicht erlaubt. Die kranken Kollegen fühlen sich unter Druck gesetzt. Hier handelt es sich nicht um ein Fehlverhalten einzelner Vorgesetzter, sondern dies wird von maßgeblicher Stelle des Werkes gefördert und geplant.«

Darf ein Konzernmitarbeiter nicht krank werden, Herr Schrempp?


SCHÄDEN AN LEIB UND SEELE.

Auf den Betriebsversammlungen im Dezember hat der neue Werksleiter, Volker Stauch, die Beschäftigten, die krank sind, als »unkollegial« bezeichnet und im negativen Sinne von »Auszeiten« gesprochen, die sie sich nehmen. Den Krankenstand zum zentralen Problem zu erklären, bedeutet, Ursache und Wirkung zu verwechseln, Das Karussell von Entscheidungen und Handlungen, die nicht mehr genügend Zeit haben, zu reifen, und das sich immer rascher steigernde Tempo führen zu Schäden an Leib und Seele. Statt sich dessen bewusst zu werden und die Entwicklung des Tempos in der Fabrik als Problem wahrzunehmen, argumentiert Herr Stauch wie ein Buchhalter und rechnet den Beschäftigten immer wieder vor, dass ein Prozent weniger Krankenstand in Untertürkheim 20 Millionen DM weniger Kosten bedeuten.

Wie wäre es, so der Betriebrat Gerd Rathgeb, wenn die Werbeleitung an vielen Stellen Leute einstellen würde, statt, andere mit ständigen Überstunden weich zu kochen? Wie wäre es, wenn eingesehen würde, dass es besser ist, bei Nacht zu schlafen, statt in der Fabrik zu arbeiten? Und wie wäre es, wenn die Rechnung mit den 20 Millionen DM Kosten auch in anderen Bereichen Anwendung fände? Zum Beispiel bei der millionenschweren Schieferverkleidung von Gebäuden in Untertürkheim? Oder bei der Millionenerhöhung der Vorstandsgehälter, Herr Schrempp?


DER STELLENWERT DER FIRMENTREUE.

Jürgen Schrempp befürwortet flexiblere Arbeitsmärkte. Er glaubt, dass Jubiläen wegen langjähriger Firmenzugehörigkeit aus der Mode kämen. Für ihn ist das kein Nachteil, denn: Nicht nur Unternehmen nutzten die Chancen neuer Arbeitsmodelle, sondern auch Arbeitnehmer profitierten davon. Betriebsratsvorsitzender Erich Klemm konterte scharf, Schrempp möge Recht haben, wenn er einen kleinen Kreis hoch bezahlter Manager anspreche, die es sich leisten könnten, »als moderne Nomaden um die Welt zu ziehen. In den Ohren der überwältigenden Mehrheit der Arbeitnehmer klingt seine Aussage zynisch.« Für die Mehrzahl der Beschäftigten gebe es enge Schranken für diese von Schrempp befürwortete neue Flexibilität.

Wie ist es denn um die Flexibilität eines 45-jährigen Familienvaters bestellt, dessen Kinder hier in Sindelfingen die Schule besuchen, der den finanziellen Verpflichtungen nachkommen muss, um das Häuschen oder die Eigentumswohnung abzubezahlen, Herr Schrempp?


GLOBALE VERANTWORTUNG.

Den Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysIer geht es nicht vorrangig um die Höhe der Rendite, sondern um eine Unternehmenspolitik, die sich am Allgemeinwohl orientiert. Es geht um die globale Verantwortung des DaimlerChrysIer- Konzerns in den Themenbereichen Rüstungsproduktion und -export, Umweltschutz und Mobilität, Geschäfte mit Diktaturen und Soziale Standards.

KONTAKT: Dachverband Kritischer AktionärInnen DaimlerChrysIer (KADC),
c/o Ohne Rüstung Leben, Arndtstraße 31, 70197 Stuttgart,
Fon: ++49/(0)711/608396, Fax: ++49/(0)711/608357, E-Mail: orl@gaia.de

AUCH BEI AKTIONÄRSTREFFEN IN ANDEREN UNTERNEHMEN SETZEN KRITISCHE AKTIONÄRINNEN WARNZEICHEN.
Zeichen zur Warnung vor Atomenergie, Arzneimittelexperimenten, Jobvernichtung, Gentechnik - oder kurz:
Warnzeichen vor rücksichtslosen Geschäftspraktiken.

KONTAKT: Association of Critical Shareholders in Germany,
Schlackstraße 16, 50737 Köln,
Fon: ++49/(0)221/5995647, Fax: ++49/(0)221/5991024,
E-Mail: critical_shareholders@)compuserve.com, Internet: www.kritischeaktionaere.de

HERAUSGEBER: Koordinierungskreis der Aktion Entrüstet DaimlerChrysIer 2000. In diesem arbeiten mit: Dachverband Kritischer AktionärInnen DaimlerChrysIer (KADC); Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Landesverband Ba-Wü; Kampagne Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen; Ohne Rüstung Leben (ORL); Pax-Christi-Bistumsstelle Rottenburg-Stuttgart; Plakatgruppe im DaimlerChrysIer-Betriebsrat; Rüstungs-Informationsbüro Baden-Württemberg (RIB).

HERSTEILUNG: meinhardt text und design.
Magdeburgstraße 11, 69510 Idstein,
Fon: ++49/(0)6126/588688, Fax: ++49/(0)6126/588689, E-Mail: info@)m-tud.de

BEZUGSADRESSE: Ohne Rüstung Leben,
Arndtstraße 31, 70197 Stuttgart, Fon: ++49/(0)711/608396, Fax: ++49/(0)711/608357


BUCHWERBUNG: Jürgen Grässlin: »Jürgen E. Schrempp. Der Herr der Sterne«

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»Der härteste Manager Deutschlands, beschrieben von seinem härtesten Kritiker.« Die Woche

Unauffällig, effizient, unbarmherzig, erfolgreich - so kennt die Öffentlichkeit Jürgen E. Schrempp, den Daimler-Chef, der die Mega-Fusion mit Chrysler durchsetzte. Die erste Biografie des »Herrn der Sterne« von einem seiner schärfsten Kritiker, Jürgen Grässlin, Sprecher der Kritischen AktionärInnen von DaimlerChrysIer.

»Kein anderer hat die deutsche (und internationale) Unternehmensszene so beherrscht wie der Daimler-Chef.«
manager magazin

(77495) DM 16,90

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