Zeitungsbericht »Zwischen Kritik und Realpolitik.
Warum Berlin mit der Monarchie Saudi-Arabien kooperiert«
in Badische Zeitung



Zwischen Kritik und Realpolitik

Warum Berlin mit der Monarchie Saudi-Arabien kooperiert.

[Foto] Der neue König Salman (links) und seine Entourage Foto: DPA

Das Zeugnis klingt gut: »Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien sind traditionell eng und im Allgemeinen spannungsfrei.« In so positiven Worten beschreibt das Auswärtige Amt das Verhältnis Deutschlands zu einem Land, das eine absolute Monarchie ist. Es gibt dort kein Parlament, nur eine verfassungsgebende Versammlung, die der König nach Gutdünken ernennt. Die Scharia ist Grundlage des Rechtssystems. Frauen bleiben Zeit ihres Lebens unmündig, dürfen nicht Autofahren.

Amnesty International beklagt, es würden derzeit so viele Menschen hingerichtet wie nie zuvor. Seit Jahresbeginn waren es 38. Auch um die Meinungsfreiheit ist es schlecht bestellt: Der Blogger Raif Badawi wurde zu 1000 Peitschenhieben verurteilt. Er hatte sich in seinen Internet-Beiträgen kritisch mit dem Islam auseinandergesetzt. Auch unter dem neuen König Salman dürfte sich wenig ändern. In einem Interview sprach er sich laut Spiegel 2010 gegen die Demokratie aus.

Vor diesem Hintergrund verblüfft es, dass die Beziehungen Deutschlands zu Saudi-Arabien so freundschaftlich sind – was sich auch in Rüstungsexporten ausdrückt. Erst Anfang Februar hat der dafür zuständige Bundessicherheitsrat nach einigem Zögern die Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien genehmigt. Bundeskanzlerin Merkel hat den Vorsitz dieses Kabinettsausschusses, auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sitzt darin. Seit Oktober sollen Rüstungsgüter für Saudi-Arabien im Wert von 332 Millionen Euro genehmigt worden sein. Vor Beginn der Großen Koalition, im Jahr 2012, war Saudi-Arabien sogar der wichtigste Abnehmer von Militärgütern aus Deutschland: Für 1,237 Milliarden Euro kaufte das Land damals militärisches Gerät.

Gerade Menschenrechtler kritisieren die deutsche Politik gegenüber Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten, in denen die Menschenrechtslage nicht weniger prekär ist. Auch Sigmar Gabriel äußerte sich kritisch über Rüstungsexporte. Trotzdem hat er im Februar der Ausfuhr der Rüstungsgüter zugestimmt. »Die Regierung bricht ihren eigenen Grundsatz, demzufolge Staaten, die Menschenrechte verletzen, nicht mit Kriegswaffen beliefert werden dürfen«, sagt der Freiburger Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei. Stoppt den Waffenhandel«.

Deutschland und andere westliche Staaten stehen in Saudi-Arabien vor einem Dilemma: Das Land ist ein Unrechtsstaat, doch zugleich ist es wirtschaftlich und politisch bedeutend. So ist Saudi-Arabien der größte Förderer von Erdöl. Zwar bezog Deutschland 2013 nur 2,6 Prozent seines Öls aus Saudi-Arabien. Das reiche Land ist aber auch ein wichtiger Importeur deutscher Produkte und Dienstleistungen, nicht nur militärischer Natur. Laut Auswärtigem Amt betrug das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern 2013 elf Milliarden Euro. Saudi-Arabien sei ein »interessanter Markt«, heißt es. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird auch von einer Wirtschaftsdelegation nach Saudi-Arabien begleitet. Rüstungslobbyisten sollen keine dabei sein.

Saudi-Arabien hilft, den IS zu bekämpfen

Neben Wirtschaftsinteressen gibt es politische Gründe, warum Deutschland trotz der prekären Menschenrechtslage nicht auf Konfrontationskurs mit Saudi-Arabien geht. Wie andere westliche Staaten betrachtet die Bundesregierung das sunnitische Land als wichtiges Gegengewicht zum schiitischen Iran, der seine Macht in der Region auszudehnen versucht und schiitische Regime und Gruppierungen finanziell und mit Waffen unterstützt, so etwa Syriens Diktator Baschar al-Assad (siehe unten). Zwar gibt es eine Annäherung an den Iran in Fragen des Atomprogramms. Ausgeräumt sind die Zweifel aber nicht, ob das Land nicht doch die Atombombe bauen will, um eine Vormachtstellung zu erlangen.

Saudi-Arabien hat sich auch immer wieder als Vermittler zwischen Israelis und Palästinensern hervorgetan. »Saudi-Arabien kommt bei der Bewältigung der Krisen in der Region eine zentrale Rolle zu«, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei seinem Besuch im vergangenen Oktober in Saudi-Arabien.

Steinmeier bezog sich mit diesem Satz vor allem auf die jüngsten Entwicklungen im Irak und Syrien, wo die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) große Gebiete erobert hat. Saudi-Arabien beteiligt sich an den Luftschlägen der Antiterrorallianz gegen die Kämpfer des IS. Es hat auch zugesichert, die Finanzströme des IS austrocknen zu wollen. Doch stellt sich gerade hier die Frage, ob der Golfstaat tatsächlich – wie Steinmeier meint – den islamistischen Terrorismus eindämmen kann, oder ob er nicht Teil des Problems ist. Auffallend viele Terroristen stammen aus dem Königreich. Auch nach den schlechten Erfahrungen mit dem IS, der sich zunächst von Saudi-Arabien finanzieren ließ und sich dann gegen das Land wandte, sucht die dortige Führung noch immer die Nähe zu islamistischen Rebellen im Nachbarland Syrien. Sie sollen den Sturz des Schiiten Assad herbeiführen. Die Affinität zu islamistischen Gruppen verwundert allerdings nicht: Der offizielle Islam, der im saudischen Königreich gelehrt wird, ist ebenso rückwärts gewandt und intolerant wie der der Islamisten – und fördert die Radikalisierung.

http://www.badische-zeitung.de/ausland-1/zwischen-kritik-und-realpolitik--101420667.html