Der Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer (links) und sein Mandant Jürgen Grässlin
vor dem Landgericht Hamburg. Hier wurde am 15. September 2006 die
Unterlassungsklage DaimlerChrysler AG und Jürgen E. Schrempp gegen JG verhandelt.
Von unserem Mitarbeiter Hermannus Pfeiffer
HAMBURG. In Hamburg streitet der frühere Daimler-Chrysler-Herrscher Jürgen Schrempp mit seinem Namensvetter und Biographen Jürgen Grässlin. Gestritten wird um ein Interview, das Grässlin im Juli 2005 dem Südwestrundfunk gab. Einen Tag zuvor hatte Daimler-Boss Schrempp seinen Rückzug vom Vorstandsvorsitz angekündigt. [.] [MAULKORB DURCH PROF. S!], mutmaßte Grässlin in dem Interview und verwies auf einen bis 2008 laufenden Vertrag. Außerdem befürchtete der Schrempp-Biograph die Verstrickung seines Buchhelden in »[.] [MAULKORB DURCH PROF. S!] Geschäfte«. Schrempp fühlte sich an der Ehre gepackt und erwirkte gegen den Autor von drei Büchern über Daimler-Chrysler eine Einstweilige Verfügung, derartige Kritik fortan zu unterlassen. Da die Äußerungen dank des Internets bundesweit zu empfangen waren, konnte sich Schrempp dafür ein Landgericht irgendwo in der Republik aussuchen. Seine Wahl fiel auf Hamburg - in einem ähnlich gelagerten Fall prozessierte der heutige Daimler-Vorstandsvorsitzende Zetsche vor dem Landgericht Berlin gegen Grässlin. Das Berliner Landgericht verbot Grässlin, Zetsche weiter mit Graumarktgeschäften in Verbindung zu bringen. Schrempps Anwalt Christian Scherz - Schrempp selbst erschien nicht in Hamburg - sieht in Grässlins Äußerungen im SWR-Interview keine Meinungsäußerung, sondern eine unzulässige Schmähkritik. An diesem Punkt geht der Streit weit über den Einzelfall hinaus: Darf ein Publizist öffentlich die Meinung äußern, dass ein prominenter Manager möglicherweise in [.] [MAULKORB DURCH PROF. S!] Geschäfte verwickelt ist und daraufhin seinen Job verloren habe? »Wenn ein Journalist, ein kritischer Bürger, ein Schriftsteller nicht mehr seine Meinung über den Abgang eines Managers und dessen Fehler äußern darf, leben wir in einer anderen Republik«, sagte Grässlin in Hamburg und berief sich auf die grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit. Richter Andreas Buske gab in der Verhandlung zu verstehen, dass die Schrempp-Kritik wohl eine zulässige Meinungsäußerung sei. Die Einstweilige Verfügung gegen Grässlin wurde trotzdem nicht aufgehoben. Zunächst müssten sich für diese Meinung sachliche Anknüpfungspunkte finden lassen. Selbst eine Meinung dürfe eben nicht frei erfunden werden, sagte der Richter. Einstweilige Verfügung bleibt bestehen Grässlin nannte als Anknüpfungspunkt die Graumarktgeschäfte von Daimler-Chrysler, von denen Schrempp laut Aussage eines Managerkollegen gewusste haben soll. Bei den legalen, aber bei den Markenhändlern verpönten Graumarktgeschäften werden überschüssige Neufahrzeuge über markenunabhängige Händler verkauft. Weitere Anknüpfungspunkte für seine Kritik findet Grässlin bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC: Sie ermittelt wegen illegaler Irak-Geschäfte, schwarzer Kassen und Schmiergelder während der Schrempp-Ära. Darüber ist teilweise bereits im Geschäftsbericht 2005 von Daimler-Chrysler nachzulesen. Das Landgericht Hamburg forderte Schrempp auf, zu den Punkten Stellung zu beziehen. Dafür hat er einen Monat Zeit. Am 10. November soll das Urteil gesprochen werden.