Zeitungsbericht »Wie investiert man in der Krise?«
in Badische Zeitung vom 09.04.2009




Wie investiert man in der Krise?

BERLIN/STUTTGART. (dpa/BZ). Daimler-Chef Dieter Zetsche steckt in der Zwickmühle: Wer im Wettrennen um die künftigen Antriebstechnologien vorne mit dabei sein will, muss kräftig investieren. Aber wegen der Absatzkrise fährt der Autobauer schon seit Monaten keinen Gewinn mehr ein. In weiten Teilen der Welt ist den Kunden die Lust am Autokauf vergangen und wegen der Wirtschaftsflaute werden auch viel weniger Brummis gebraucht. Um dennoch Abstriche bei den Zukunftstechnologien zu vermeiden, plant Zetsche in anderen Sparten Milliarden-Einsparungen. Vor allem den Mitarbeitern will der Konzernlenker tief in die Tasche greifen. Erstmals schließt Zetsche selbst Entlassungen nicht mehr aus, sollte die Krise anhalten.

»Letztlich wird niemand in unserer Branche von dieser Jahrhundertkrise verschont bleiben«, sagt Zetsche. Anders als bei den US-Autobauern General Motors und Chrysler stellt sich bei Daimler aber nicht die Überlebensfrage. »Wir werden nicht zulassen, dass ein Unternehmen gefährdet wird, dessen Marken und Produkte weltweit als Aushängeschild der deutschen Industrie gelten.« Nicht zuletzt zeigt auch der Einstieg des Emirats Abu Dhabi, dass Investoren auf die Zukunftsfähigkeit der Schwaben setzen. Der Golfstaat hat den DAX-Konzern mit fast zwei Milliarden Euro an frischem Geld versorgt und ist zum größten Aktionär mit einer Beteiligung von mehr als neun Prozent geworden.

Mit dem Geld vom Golf sollen leichte Materialien und Elektroantriebe für emissionsarme Autos der Zukunft entwickelt werden. Daimler-Chef Zetsche denkt über eine Testflotte von Elektrofahrzeugen im ölreichen Emirat nach. »So sehr uns also die Krise an allen Ecken und Enden zum Sparen zwingt: Unser Saatgut für die Ernte von morgen und übermorgen werden wir nicht aufzehren«, sagte Zetsche. »Oberste Priorität haben dabei für uns neue Produkte und grüne Technologien: Wir wollen der Motor für nachhaltige Mobilität sein.«

Gerade in puncto CO-Bilanz werfen aber Analysten und Aktionärsvertreter wie die Kritischen Daimler-Aktionäre um den Freiburger Jürgen Grässlin dem Management vor, seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Aktionärsvertreter bemängeln die »schlechtesten Verbrauchs- und Emissionswerte im Wettbewerbs- und Gruppenvergleich«. Im Vergleich mit dem Rivalen BMW ist Daimler nach Ansicht von Analyst Frank Schwope von der Nord-LB ins Hintertreffen geraten. Zetsche kündigte an, den durchschnittlichen CO-Ausstoß bei den Neuwagen in Europa von 176 Gramm je Kilometer bis 2012 auf unter 140 Gramm je Kilometer zu senken.

Daimler könnte nach Meinung des Autoexperten Willi Diez die Modellfamilien A- und B-Klasse ausbauen. »Diese Einsteigermodelle werden künftig noch stärker gefragt sein als schon jetzt, vor allem in Europa.« Der Trend hat sich in den vergangenen Wochen nicht zuletzt dank der Abwrackprämie herauskristallisiert: Die Auftragseingänge für die A- und B-Klasse zogen nach Unternehmensangaben deutlich an. Gut lief auch der Smart, der bei den Verkäufen hierzulande um ein Viertel zulegte. Das ist zwar ein Lichtblick, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Daimler als Premiumhersteller kaum von dem staatlichen Kaufanreiz profitiert.

»Ich gebe zu: Im Nachhinein würden wir uns wünschen, wir hätten Mitte letzten Jahres sogar noch früher gebremst«, sagt Zetsche. Autoexperte Diez sagt: »Man muss jetzt alle Reißleinen ziehen.«