Harry Pretzlaff
[Foto] Die Graumarktgeschäfte von Daimler stehen unter keinem guten Stern.
Foto: AP
Stuttgart - Der frühere Daimler-Manager Jürgen Fahr ist am Mittwoch vom Stuttgarter Amtsgericht wegen Meineids verurteilt worden. Der ehemalige Deutschlandsvertriebschef von Mercedes-Benz wurde zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem muss Fahr eine Geldbuße von 10.000 Euro zahlen.
Damit blieb das Stuttgarter Gericht am unteren Ende der bei Meineid möglichen Strafe. Bei einer Lüge unter Eid sind bis zu fünf Jahre Gefängnis möglich. Als strafmildernd wurde unter anderem gewertet, dass der ehemalige Manager ein Teilgeständnis abgelegt hatte. Dieses Geständnis war nach einer Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zustande gekommen.
Trotz dieser Absprache und des relativ milden Urteils kündigte der Verteidiger an, dass Berufung gegen das Urteil eingelegt werde. Es gehe dabei um die Ehre seines Mandanten, sagte der Verteidiger. Fahr stammt aus einer angesehenen Stuttgarter Unternehmerfamilie.
Der promovierte Betriebswirt hatte drei Jahrzehnte eine glänzende Karriere im Konzern mit dem Stern gemacht, bevor ihm im Zuge der Aufdeckung von unsauberen Geschäften und Korruption im Vertriebsbereich fristlos gekündigt wurde und er von einem Tag auf den anderen seinen Schreibtisch räumen musste. Fahr klagte dagegen vor dem Arbeitsgericht, verlor und ging in Revision.
Bevor es zu einer weiteren Verhandlung in zweiter Instanz kommen konnte, schloss das Unternehmen überraschend einen Vergleich mit ihm. Heute arbeitet der 61-Jährige als Berater in München.
Illegale Vorgehensweise wurde gebilligt
In dem Meineidprozess vor dem Amtsgericht ging es um eine Aussage, die Fahr als vereidigter Zeuge vor sieben Jahren in einem Prozess vor dem Landgericht Stuttgart gemacht hatte. In dem damaligen Prozess gegen den Speditionsunternehmer Gerhard Schweinle ging es um sogenannte Graumarktgeschäfte. Schweinle hatte von dem Stuttgarter Autohersteller Nobelwagen mit hohem Rabatt erhalten.
Die Rabatte für den Großkunden waren allerdings daran geknüpft, dass Schweinle die Wagen für den eigenen Bedarf bezog und mindestens ein halbes Jahr lang selbst nutzte. Der Unternehmer hielt sich jedoch nicht daran, sondern verkaufte sie umgehend weiter ins Ausland. Deshalb warf ihm Daimler Betrug vor.
Nach Darstellung von Schweinle jedoch waren seine Geschäfte bei Daimler kein Geheimnis. Bis hinauf in den Vorstand sei bekannt gewesen, dass auf diesem Weg Modelle, die schlecht liefen, am offiziellen Vertrieb des Unternehmens vorbei mit hohen Nachlässen in den Markt gedrückt wurden. Seine Vorgehensweise sei stillschweigend geduldet worden. Hätte sich in dem Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht beweisen lassen, dass diese Praxis bei Daimler gang und gäbe war, hätte der Betrugsvorwurf auf wackligen Beinen gestanden. Schweinle wurde verurteilt und musste lange in Untersuchungshaft sitzen.
Fahr wies Vorwürfe zunächst zurück
Er ging jedoch dann bis vor den Bundesgerichtshof, wo er recht bekam. Fahr hatte mit seiner Zeugenaussage wesentlich zu der Verurteilung von Schweinle vor dem Landgericht beigetragen. In seiner vierstündigen Befragung als Zeuge behauptete Fahr im Dezember 2002, dass Daimler grundsätzlich nur an Endkunden, nicht jedoch an Wiederverkäufer liefere. Zudem stritt er ab, davon zu wissen, dass die Wagen nicht für den Eigenbedarf bestimmt waren, sondern weiterverkauft werden.
Es wäre für den Prozess gegen Schweinle extrem wichtig gewesen, zu wissen, ob Fahr davon Kenntnis hatte, dass es weitere Firmen gab, die gegen die Mindesthaltedauer von sechs Monaten verstießen, die Voraussetzung für den Mengenrabatt gewesen sei, sagte Richter Gerhard Gauch in seiner Begründung des Urteils.
Mit seinem Teilgeständnis habe Fahr nun in der Verhandlung eingeräumt, dass zumindest in einem weiteren Fall ein Großkunde weiterhin beliefert wurde, obwohl dem Vertriebschef bekannt war, dass dieser die Autos umgehend weiterverkaufte und damit einen schwunghaften Handel betrieb. Fahr wies jedoch weiterhin den Vorwurf zurück, dass der Autobauer die Mengenrabatte nur als Deckmantel benutzt habe, um Ladenhüter mit Hilfe von Wiederverkäufern am offiziellen Vertrieb vorbei mit hohen Rabatten in Auslandsmärkte zu drücken.
Urteil als Durchbruch gewertet
Ins Rollen gebracht wurden die Ermittlungen gegen Fahr durch den Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin. Dieser hatte im Dezember 2006 Strafanzeige wegen des Verdachts der Falschaussage gestellt. Zugleich hatte Grässlin auch Ermittlungen gegen Daimler-Chef Zetsche ausgelöst. Die Ermittlungen gegen Zetsche waren jedoch eingestellt worden. Im Gegensatz zu Fahr war Zetsche bei seiner Aussage vor sieben Jahren auch nicht vereidigt worden.
Grässlin wertete das Urteil am Mittwoch als Durchbruch. Seit Jahren sei hartnäckig abgestritten worden, dass der Graumarkt systematisch bearbeitet worden sei. Nun werde man weitere Strafanzeigen oder Anträge zur Wiederaufnahme von eingestellten Verfahren prüfen, kündigte Grässlin an.