Von Ulrike Schäfer
[Foto JG mit »Schwarzbuch Waffenhandel« und »Netzwerk des Todes«]
WORMS - »Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten«, ist die These des vielfach ausgezeichneten Buchautors und Friedensaktivisten Jürgen Grässlin, die er bei seinem Vortrag am Donnerstag im Gemeindesaal der Dreifaltigkeitsgemeinde anhand vieler Zahlen und Fakten begründete. Der neugegründete Verein Helferkreis Asyl Worms und die Initiative Wormser für den Frieden (Sprecher: Hossein Darbandi) hatten, unterstützt von vielen weiteren Organisationen, den Freiburger Realschullehrer eingeladen, um die Zusammenhänge zwischen Waffenexporten und Fluchtbewegungen bewusst zu machen.
Grässlin, vor wenigen Tagen für seine engagierte Friedensarbeit von der Universität Verona zum Doktor ehrenhalber ernannt, wurde als Junglehrer in Sulz aufmerksam auf Deutschlands »Waffenstadt« Obernburg mit Sitz der Rüstungs- und Waffenfabriken Heckler & Koch und Mauser (heute Rheinmetall). Seither hat ihn das Thema nicht mehr losgelassen. Seine zahlreichen Veröffentlichungen sorgten für Wirbel. Gegen die jüngste Publikation »Netzwerk des Todes« hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein zivilrechtliches Verfahren angestrengt. Die Autoren veröffentlichten darin unter anderem brisante Zahlen und Fakten über illegale Waffenexporte von Heckler & Koch nach Mexiko, was sie angeblich nicht hätten tun dürfen, weil die entsprechenden Unterlagen bereits im Besitz der Staatsanwaltschaft waren.
DAS BUCH
Jürgen Grässlin, Daniel M. Harrich, Danuta Harrich-Zandberg, Netzwerk des Todes. Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden. Heyne. ISBN: 978-3-453-20109-5.
Doch seine Enthüllungsbücher brachten Grässlin nicht nur jede Menge Prozesse ein (»Die ich alle gewonnen habe«), er klagte auch selbst, und zwar sehr erfolgreich. Die von ihm mit initiierte »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« erfährt deutschlandweit eine immer breitere Zustimmung (»Wir haben vor allem von den Kirchen starken Rückenwind«). »Die Politik verhält sich diametral zum Willen der Bürger«, sagte Grässlin. »Ihr versteht schon, es geht nicht allein um Waffen, sondern auch um den Zustand unserer Demokratie.«
In seinem anderthalbstündigen Vortrag stellte er die These auf, dass deutsche Rüstungshersteller, mit Wissen und Unterstützung des geheim tagenden Bundessicherheitsrates, die Gesetze umgingen, indem sie schweres Gerät und Schusswaffen in Länder lieferten, in denen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung seien. »Von 100 Toten sterben 63 durch Gewehre«, sagte Grässlin. Noch viel mehr Menschen aber würden verstümmelt und traumatisiert. Sein Ziel sei es, so der Referent, für Deutschland ein Exportverbot von Kriegswaffen zu erreichen. Die üblichen Gegenargumente entkräftete er schnell. Er plädierte für eine Rüstungskonversion, bei der fähige Ingenieure für andere Aufgaben freigesetzt werden. Grässlin versprach, vor den nächsten Wahlen wieder nach Worms zu kommen, um mit den Kandidaten aller Parteien über ihre Haltung zur Waffenindustrie zu debattieren.