Zeitungsbericht »Wir kaufen keinen Mercedes.
Vor der Hauptversammlung greifen
Kritische Daimler-Aktionäre wieder an«
in Neues Deutschland vom 27.03.2008


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Berlin / Stuttgart, 06. April 2004

»Wir kaufen keinen Mercedes«
Vor der Hauptversammlung greifen
Kritische Daimler-Aktionäre wieder an

Von Barbara Martin, Stuttgart

Wenn am 9. April in Berlin die Aktionäre der Daimler AG zur Hauptversammlung strömen, wird sich Vorstandschef Dieter Zetsche im betriebswirtschaftlichen Erfolg des Konzerns sonnen. Doch es wird auch Kritik geben.

Den Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) reicht es nicht, wenn der schwäbische Automobilkonzern schwarze Zahlen schreibt. Sie wollen Miteigentümer eines Unternehmens sein, das auch moralisch einwandfrei agiert, und sehen sich in der Pflicht, Missstände aufzudecken. Ihr Instrument: Anträge gegen die Entlastung des Vorstandes auf der Hauptversammlung. Die Begründungen reichen in diesem Jahr von fehlenden Strategien für umweltfreundlichere Autos über mangelnde Transparenz und Kontrolle bis hin zur Verwicklung in Rüstungsgeschäfte.

Mit 15 Prozent ist Daimler am Luft- und Raumfahrtkonzern EADS beteiligt, der unter anderem Raketenwerfer für Streumunition baut. »Deren Wirkung ist ähnlich wie die von Landminen«, sagt KAD-Sprecher Jürgen Grässlin. Gemeinsam mit Friedensinitiativen haben die Kritischen Aktionäre die Kampagne »Wir kaufen keinen Mercedes« ins Leben gerufen. Eine Liste mit bislang 2538 Unterschriften will Grässlin auf der Hauptversammlung Daimler-Chef Zetsche übergeben. »Der Imageschaden wird immens sein«, ist der Publizist überzeugt.

Darüber hinaus fordern die Kritischen Aktionäre eine Gesamtstrategie des Unternehmens zum Klimaschutz. Sie fordern eine Umweltagenda des Konzerns, die vorsieht, den Kraftstoffverbrauch der Daimler-Fahrzeuge bis 2020 zu halbieren.

Weiterer Kritikpunkt der KAD ist die »fehlende Kontrolle bei Graumarktgeschäften durch den Aufsichtsrat«. Bei diesen Geschäften werden Autos an den offiziellen Vertriebswegen vorbei mit starken Preisnachlässen verkauft, um so die Absatzzahlen in die Höhe zu treiben. Nach EU-Regeln dürfen Hersteller mit einem exklusiven Vertriebsnetz, wie etwa Mercedes, keine Graumarkthändler beliefern. Jürgen Grässlin hat erklärt, er könne belegen, dass in Zetsches Zeit als Vertriebsvorstand (1995-1999) diese dubiosen Geschäfte systematisch betrieben worden seien. Er fordert eine »lückenlose Aufklärung«, kann über die Rolle Zetsches aber »leider nicht mehr sagen«. Der Daimler-Chef hat per Gerichtsurteil einen Maulkorb erwirkt. Doch Grässlins Anwalt und KAD-Sprecher Holger Rothbauer ist zuversichtlich, dass man hier noch siegen werde. Im Zusammenhang mit einem früheren Prozess ermittle schließlich nun die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen Zetsche wegen des Verdachts der Falschaussage.

Rothbauer hält den Umgang des Konzerns mit kritischen Anlegern für fatal: »Das ist eine grausige Attacke auf die Aktionärsdemokratie.« Er vermisst die Auseinandersetzung in der Sache. Aber das sei offenbar nicht die Stärke des Konzerns: Lydia Schrempp, die Gattin des Ex-Konzernchefs Jürgen Schrempp, sei jahrelang als Leiterin des Vorstandsbüros beschäftigt worden (Jahressalär: bis zu 200.000 Euro). Rothbauer: »Alle Welt fragt sich bis heute, was die Dame dort getan hat.« Da bis heute eine befriedigende Antwort aussteht, ist auch dies für die Kritischen Aktionäre ein Grund für die Nichtentlastung des Vorstands.

Weitere Informationen im Internet: www.kritischeaktionaere.de und www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de

Wirtschaft/Soziales / Seite 14
http://www.neues-deutschland.de/artikel/126162.html