Zeitungsbericht »Teilerfolg für Schrempp-Kritiker.
Gericht will Vorwürfe von Buchautor Grässlin prüfen«
in Neues Deutschland vom 19.09.2006



Teilerfolg für Schrempp-Kritiker

Gericht will Vorwürfe von Buchautor Grässlin prüfen

Von Hermannus Pfeiffer, Hamburg

In Hamburg streitet der frühere DaimlerChrysler-Herrscher Jürgen Schrempp mit dem Autor von »Das Daimler-Desaster«, Jürgen Grässlin. Aber eigentlich steht die Meinungsfreiheit vor Gericht.

Buchautor Jürgen Grässlin hat im Streit mit dem ehemaligen DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp vor dem hamburgischen Landgericht einen Punktsieg errungen. Gestritten wird um ein Interview, welches der Freiburger Publizist im Juli 2005 einen Tag nach Schrempps Rücktritt dem Südwestrundfunk gab. Darin mutmaßte Grässlin, der Abgang sei nicht ganz freiwillig geschehen, und verwies auf den bis 2008 laufenden Vertrag. Außerdem befürchtete der kritische Schrempp-Biograph die Verstrickung in »[.] [MAULKORB DURCH PROF. S!] Geschäfte«.

Der Ex-Automanager fühlte sich dadurch an der Ehre gepackt - ähnlich wie sein Nachfolger Dieter Zetsche, der in einem ähnlich gelagerten Fall vor dem Landgericht Berlin prozessiert - und erwirkte eine Einstweilige Verfügung gegen den Autoren. Schrempps Anwalt Christian Scherz verwies vor Gericht darauf, diese zwei Tatsachenbehauptungen seien unwahr und würden das Lebensbild des Managers ehrenrührig verzerren. Grässlin habe keine grundgesetzlich geschützte Meinung geäußert, sondern eine - im Juristendeutsch - »unzulässige Schmähkritik« geübt. Der Streit weist weit über den eher kleinkarierten Einzelfall hinaus und stellt eine Grundsatzfrage: Darf ein Journalist öffentlich die Meinung äußern, dass ein prominenter Manager möglicherweise in [.] [MAULKORB DURCH PROF. S!] Geschäfte verwickelt sei und daraufhin seinen Job verloren habe? Das hamburgische Landgericht scheint sich für die freie Meinungsäußerung stark machen zu wollen, denn im Hauptsacheverfahren am vergangenen Freitag wurde Schrempp aufgefordert, zu den Angriffen Stellung zu beziehen. Damit wird der Inhalt der Vorwürfe Gegenstand des Rechtsstreites.

Der Richter hob allerdings die Einstweilige Verfügung gegen Grässlin nicht auf, denn zunächst müssten sich für dessen Meinung sachliche »Anknüpfungspunkte« finden lassen.

Davon hatte Grässlin allerdings einige zu bieten. So soll Schrempp von dubiosen Graumarktgeschäften gewusst haben, die in Deutschland legal, aber in der EU verpönt sind. Dabei werden überschüssige Neufahrzeuge über marken-unabhängige Händler verkauft. Die US-Börsenaufsicht SEC ermittelt zudem wegen illegaler Irak-Geschäfte, schwarzer Kassen und Schmiergeldzahlungen in der Schrempp-Ära. Anknüpfungspunkte, die teilweise bereits im Geschäftsbericht 2005 von Daimler nachzulesen sind und für die offensichtlich Rückstellungen gebildet worden waren. Am 10. November wird das Urteil in diesem bemerkenswerten Prozess gesprochen.