Von Volker Linder
Deutschlands bekanntester Rüstungsgegner in Ingolstadt: Jürgen Grässlin prangert auch die EADS an.
Foto: Volker Linder
Ingolstadt Der Mann legt sich mit Weltkonzernen an und scheut sich nicht davor, die Dinge beim Namen zu nennen. Auch bei seinem Besuch am Antikriegstag im Gewerkschaftshaus am Ingolstädter Paradeplatz nahm Deutschlands bekanntester Rüstungsgegner kein Blatt vor den Mund. Brisant war sein Besuch vor allem, weil einer seiner Hauptgegner in greifbarer Nähe sitzt und viele Arbeitsplätze an ihm hängen. Die EADS als »größter deutscher Rüstungskonzern« profitiert laut Jürgen Grässlin gut von den Kriegen in der Welt.
Grässlin machte bei seinem einstündigen Vortrag über deutsche und internationale Rüstungsfirmen mehrmals klar, dass er die Beschäftigten nicht persönlich attackieren wolle. Um die »Ernsthaftigkeit« seines Anliegens aber dennoch zu unterstreichen, wagte der 52-Jährige am Ende eine drastische Berechnung. Sie sei zwar »sehr vage«, gab er zu, aber man könne davon ausgehen, dass durch Waffensysteme der EADS seit Firmengründung pro Arbeitsplatz ein Mensch in den Kriegen und anderen gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem Globus ums Leben gekommen sei. »Pro Arbeitsplatz ein Toter«, rechnete Grässlin vor. Deshalb fordert der Rüstungsgegner, der Lehrer ist und in den Ferien in den Krisengebieten der Welt unterwegs ist, um mit Opfern zu sprechen und die verheerenden Folgen von Waffenlieferungen aufzuzeigen, die Gewerkschaft zum Handeln auf.
Auch als Gewerkschaft müsse man Farbe bekennen. Grässlin wünscht sich einen runden Tisch mit Vertretern der EADS. Sein langfristiges Ziel: Da Rüstungsexporte »Beihilfe zum Massenmord« seien, will er langfristig eine »Konversion der Rüstungsindustrie« hin zu zivilen Projekten erreichen.
Die »Haupttäter« sind Grässlin zufolge aber nicht die einzelnen Unternehmen oder gar einzelne Mitarbeiter, sondern »die jeweiligen Bundesregierungen«. Deutschland sei »Europameister« bei den Waffenlieferungen und weltweit auf Platz drei.
Alarmierend für den Rüstungsgegner ist vor allem die jüngste Entwicklung auf diesem Wachstumsmarkt: »In den letzten zehn Jahren haben sich die deutschen Waffenexporte fast vervierfacht«, so Grässlin. Um die Menschen noch mehr aufzurütteln, wird es im kommenden Jahr die »Aktion Aufschrei« geben, bei der auch direkte Kriegsopfer in Deutschland zu hören sein werden.