Zeitungsbericht »Nein zu tödlicher Ware«
in junge welt vom 07.05.2011



Nein zu tödlicher Ware

Von Claudia Wangerin

[Foto Waffenkiste mit Verbotsschildern]

Mit der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffelhandel« wollen Friedens- und Menschenrechtsorganisationen eine Präzisierung des Grundgesetzes durchsetzen, um ein wirksames Verbot von Rüstungsexporten zu erreichen. »Deutschland ist Europameister bei den Rüstungsexporten«, betonte der soeben mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnete Rüstungsgegner Jürgen Grässlin zum Auftakt der Kampagne am Freitag in Berlin. Allein die Firma Heckler & Koch habe inzwischen rund 1,5 Millionen Tote durch die Entwicklung und den Export von Kleinwaffen zu verantworten, sagte der Lehrer, Buchautor und Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Deutschland habe Waffen an das autoritäre Regime von Hosni Mubarak in Ägypten exportiert, das Regime von Muammar Al-Ghaddafi in Libyen aufgerüstet und die Genehmigung für die Lizenzproduktion des Sturmgewehres G36 von Heckler & Koch an das Königreich Saudi-Arabien erteilt.

»Die Präambel und Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes stehen dieser Dimension von Rüstungsexporten klar entgegen«, sagte Rechtsanwalt Dr. Holger Rothbauer von der Initiative »Ohne Rüstung Leben«. Deshalb müsse das Grundgesetz im Sinne seiner Verfasser verändert werden. In Artikel 26 heißt es unter Absatz 1: »Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.«

Nur in diesem Zusammenhang, so Rothbauer, sei Absatz 2 zu verstehen, in dem es heißt: »Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.« Den letzten Satz wollen die Trägerorganisationen der Kampagne zur Klarstellung ersetzen durch: »Das Nähere regelt das Kriegswaffenkontrollgesetz. Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert.« Rothbauer sieht dies als Intention der Mütter und Väter des Grundgesetzes in Absatz 1. Die Realität erfordere aber eine Präzisierung.

Bis zur Bundestagswahl 2013 sollen zu diesem Zweck 262 000 Unterschriften gesammelt werden. Zu dieser Zielmarke habe man sich von den Ziffern des Artikel 26, Absatz 2 inspirieren lassen, erklärte Christine Hoffmann von der Friedensorganisation Pax Christi am Freitag in Berlin. »26 200 wären doch etwas wenig.« Die Kirchen hätten seit langem auf den Schaden hingewiesen, den Waffenexporte bei der Bekämpfung von Armut und Hunger anrichteten, so Hoffmann.

»Kleinwaffen, einer der Exportschlager der deutschen Rüstungsindustrie, fordern weltweit den größten Teil der Todesopfer in Kriegen und Bürgerkriegen«, sagte Ursula Völker vom Vorstand der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). Die Behandlung der Vielzahl von Verletzten überlaste die Gesundheitssysteme in Entwicklungs- oder Schwellenländern und Krisenregionen. »Ein Kind, das durch eine Landmine ein Bein verliert, bekommt durchschnittlich fünf neue Prothesen angepaßt, bis es ausgewachsen ist, und braucht Physiotherapie.« Waffengewalt oder die ständige Angst davor hätten zudem Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, sagte die Assistenzärztin der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Tübingen.

www.aufschrei-waffenhandel.de

http://www.jungewelt.de/2011/05-07/054.php