Von René Heilig
»Legt Leo an die Kette - kein Export von Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien!« Die »Aktion Aufschrei« will in den kommenden Wochen der Mehrheitsmeinung der Deutschen Nachdruck verschaffen.
Bereits in der Nacht zum Freitag war die »Aktion Aufschrei« unterwegs, hier brachte man Licht ins Kanzleramt.
[Foto: ´Christian Ditsch/version]
Rund 80 Prozent der Deutschen sind gegen Rüstungsexporte, besagen Umfragen. Doch bisher hat nur die Rüstungsindustrie eine Lobby. »Wir wollen die Lobby all jener sein, die in unserem Lande gegen den Handel mit Waffen eintreten«, sagte Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) gestern bei einem Pressegespräch in Berlin. Er ist wie der Berliner Politologe Peter Grottian einer der Initiatoren des »Aufschreis« und optimistisch, dass der Protest unüberhörbar sein wird. Nicht nur in dieser Woche. 2013 sind Bundestagswahlen und dann werde man sehr genau darauf achten, wer per Exportgenehmigungen Tod und Verderben in die Welt schickt.
Die DFG-VK ist ein Partner von rund 100 Organisationen, Gewerkschaften, Parteien, Kirchengliederungen und Persönlichkeiten, die sich in der »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel« zusammengeschlossen haben. Aktueller Schwerpunkt des Protestes sind beabsichtigte Exporte von bis zu 800 Kampfpanzern Leopard 2A7+ nach Saudi-Arabien.
Die Menschenrechtssituation in dem Land »grenzt an Barbarei«, meinte Grässlin. Selbst der Transport einer Bibel könne mit dem Tode bestraft werden. Umso verwunderlicher sei es, dass die Christin und Bundeskanzlerin Angela Merkel den Export von Waffen zur Unterdrückung des saudischen Volkes gut heiße. Und die Regierung derartige Exportgenehmigungen sogar vor dem Parlament geheim hält, ergänzte der Vizefraktionschef der Bundestagsgrünen Christian Ströbele. Er hat mit anderen vor dem Bundesverfassungsgericht auf Offenlegung der Absichten geklagt und erwartet in Kürze eine Entscheidung.
Die »Aufschrei«-Aktionen gegen deutsche Rüstungsexporte sind vielfältig angelegt. Am Vorabend des Anti-Kriegstages will man dem Leo-Hersteller Krauss-Maffei Wegmann am Brandenburger Tor einen roten Teppich ins Regierungszentrum ausrollen, während der Konzernsitz in Kassel gleichfalls am Freitag »Besuch« bekommen soll. In Bonn, Essen und Herford wird es ebenso Aktionen geben wie in Friedrichshafen am Bodensee, wo zahlreiche Hightech-Waffenfabriken produzieren. Das Werktor von Heckler & Koch in Oberndorf (Baden-Württemberg) soll am Montag zur Bühne für ein klassisches Konzert werden. Initiiert von der Aktionsgruppe »Lebenslaute«, suchen über 100 Musiker den Kontrast, um auf eine grausame Statistik aufmerksam zu machen: Seit 1955 wird alle 14 Minuten ein Mensch durch eine Waffe von Heckler & Koch umgebracht.
______________________________
Neues Deutschland vom 28.08.2012
Kaum haben Friedensfreunde »Keine Leos für Saudi-Arabien« auf ihre Plakate geschrieben, schon müssen sie »und Indonesien« anfügen. Die dortigen Machthaber wollen gebrauchte »Leopard«-Kampfpanzer kaufen. 100 Stück, zum Vorzugspreis. Was man im Dschungel mit den 60-Tonnen-Kampfmaschinen anstellen will? Keine Ahnung. Zur Verteidigung des Präsidentenpalastes gegen allzu aufmüpfiges Volk taugen sie allemal. Die bis zu 800 neuen Panzer, die Saudi-Arabien kaufen will, sind auch nicht nur für Paraden bestimmt. Sie sollen vor allem ein wirksames Antiallergikum gegen arabische Frühlingsdüfte sein. Doch die Bundesregierung, die den Verkauf von Waffen an menschenrechtsfeindliche Diktaturen - gemäß eigener Richtlinie - verbieten muss, schweigt. Mal heißt es, dass keine förmliche Anfrage vorliegt, dann verweist man darauf, dass Entscheidungen des Bundessicherheitsrates geheim sind. Zur Not will man einfach nur Geschäftsgeheimnisse schützen. Nicht einmal die Abgeordneten erfahren den Stand der Dinge.
Aus gutem Grund - sie könnten die Exportgeschäfte zu öffentlich machen und so platzen lassen. Ganz nach dem demokratischen Vorbild der Niederlande. Dort hatten sich die indonesischen Einkäufer zuerst um »Leos« bemüht. Nun will hierzulande eine »Aktion Aufschrei« die »Leos« an die Kette legen. Ob der Protest so laut gerät, wird sich zeigen. Es ist schon viel getan, wenn man der schweigenden Mehrheit, die in Deutschland gegen Rüstungsexport ist, das Attribut nehmen kann.
URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel/236797.lobby-gegen-leo.html